Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman). Karl May
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Читать онлайн книгу Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman) - Karl May страница 73
»Ja. Seine Leute stehen bereits unten vor dem Hause. Sie warten nur, bis Sie Ihr Licht verlöscht haben, um dann ihre Arbeit zu beginnen.«
»Einbrechen! Einbrechen! Vielleicht gar noch mehr, noch mehr.«
»Allerdings, Baronesse. Sie sollen ermordet werden.«
»Ermordet? Gott, mein Gott!«
Es wurde ihr schwarz vor den Augen, und vor ihren Ohren summte es. Sie begann zu wanken. Er trat rasch hinzu und nahm sie in seine Arme. Einige Augenblicke lang lag ihr Kopf mit all' der Herrlichkeit der goldenen Haareswogen an seiner Schulter; einige Augenblicke lang fühlte er ihren Busen an seinem Herzen, dann aber übermannte er die auf ihn einstürmenden Gefühle und ließ sie in die Kissen des nahen Sophas gleiten.
Sie war nicht ohnmächtig, es war nur eine vorübergehende Schwäche, in Folge des Schreckes über das plötzliche, räthselhafte Erscheinen dieses Mannes und über seine Unglücksbotschaft.
»Ich danke,« hauchte sie. »Ist es wahr, was Sie mir mittheilen?«
»Ja,« antwortete er, auf einem Stuhle Platz nehmend. »Aber ich bitte Sie, nichts zu besorgen. Zunächst sind Sie jetzt noch vollständig sicher. So lange diese Flammen noch brennen, wird keiner der Räuber es wagen, das Haus zu betreten.«
Das wirkte augenblicklich. Sie bat:
»Bitte, geben Sie mir dort von dem Wasser.«
Er goß aus einer Karaffe Wasser in ein Glas, zog aus seiner Tasche eine kleine Phiole, ließ einen kleinen Tropfen hineinfallen und reichte ihr das Glas. Ein wunderbar feiner und ebenso wunderbar lieblicher Duft durchzog das Gemach. Sie nahm einen Schluck und fühlte sich augenblicklich gestärkt und erquickt.
»Was ist das für ein Odeur?« fragte sie.
»Der Orientale nennt ihn Nefs et tschisek, das heißt auf deutsch Blumenseele.«
»Er ist herrlich. Ich danke Ihnen! Aber ich habe nicht an die Seele der Blume, sondern an meine eigene zu denken! Sie wissen wirklich genau, daß man mich überfallen will?«
»Unzweifelhaft! Ich habe diese Menschen sogar gesehen.«
»Haben Sie nach Polizei gesandt?«
»Nein.«
»Mein Gott, das war doch das Allernächste! Bedarf man im Orient in solchen Fällen nicht der Polizei?«
»In grad einem solchen Falle allerdings nicht.«
»Sie meinen, daß es meiner Dienerschaft gelingen werde, den Anschlag zu verhüten?«
»Ja. Sie brauchen nur einen Einzigen hinter das Hausthor zu stellen. Er vermag mit einem Revolver sie alle abzuwehren.«
»Gott sei Dank! Ich werde sofort meine Befehle geben.«
Sie wollte sich schnell erheben; er aber machte eine bittende Handbewegung und sagte:
»Warten Sie noch, gnädige Baronesse! Ich komme in einer ganz besonderen Absicht zu Ihnen. In dieser Absicht liegt es, die Banditen ungehindert in das Haus und sogar bis in Ihr Schlafzimmer gelangen zu lassen.«
Sie erschrak von Neuem.
»Mein Gott! Warum denn das?« fragte sie.
»Muß ich Ihnen das sofort erklären, oder haben Sie das Vertrauen, mit meiner Erklärung zu warten, bis der Angriff vorüber ist?«
Sie blickte ihm zweifelhaft in das Gesicht.
»Durchlaucht,« antwortete sie, »ich vertraue Ihnen. Aber Ihr Eintritt bei mir ist ein so räthselhafter, daß – daß –«
»Nun wohl,« meinte er lächelnd. »So muß ich mich legitimiren. Ich werde Ihnen einen Namen nennen, dessen Klang Sie bewegen wird, sich mir ohne Rückhalt anzuvertrauen.«
»Welcher Name wäre das?« fragte sie mit Spannung.
»Gustav Brandt.«
Sie fuhr empor. Sie starrte ihn an, als ob sie mit diesem einen Blick nicht nur sein Gesicht, sondern auch seinen Leib und seine Seele durchdringen wolle. Eine tiefe, tiefe Röthe bedeckte ihr Gesicht, ihren Hals und ihren Nacken, so stieg ihr das Blut vom Herzen.
»Gustav Brandt!« rief sie. »Gott, mein Gott! Dieser Name! Kennen Sie Gustav? Haben Sie ihn gesehen und gesprochen? Wo befindet er sich? Wie geht es ihm?«
»Ich traf ihn in Indien; wir wurden Freunde.«
»Freunde! Dank, tausend Dank, Durchlaucht! Er lebt also noch?« jauchzte sie.
»Ja. Er ist gesund und wohl.«
»Als was?«
»Als Verwalter meiner Besitzungen.«
»Welch eine Nachricht! Welch eine Freude!« rief sie, ganz die drohende Gefahr vergessend. »Fast zwanzig Jahre habe ich nichts von ihm vernommen. Hat er von mir gesprochen?«
»Tausend, nein, Millionen Male!«
»Ah, er hat meiner gedacht! Hat er Ihnen erzählt, aus welchem Grunde er gezwungen war, die Heimath zu verlassen?«
»Alles.«
»Und wie mißtrauisch und bös ich damals gegen ihn war?«
»Auch das. Es hat einen langen und düsteren Schatten auf sein Flüchtlingsleben geworfen.«
»Ich habe es schwer, schwer und bitter bereut. Doch, weiter! Wie lebt er? Ist er – ist – ist er – verheirathet?«
Es wurde ihr schwer, dieses Wort auszusprechen.
»Ja,« antwortete der Fürst.
Sie bemerkte nicht, welch scharfen, forschenden Blick er dabei auf sie warf. Sie fuhr sich mit beiden Händen nach dem Herzen, als ob man ihr da einen Dolchstoß versetzt habe. Die Röthe wich aus ihren Wangen; ihr Gesicht wurde blaß, fast fahl; sie schien zu wanken. Aber sie mußte sich fassen; sie durfte diesem Fremden nicht merken lassen, welcher fürchterliche Schlag sie in diesem Augenblicke getroffen und fast niedergeschmettert habe. Und gerade ihrer Schwäche zum Trotze fragte sie:
»Hat er Kinder?«
»Ja, vier liebe Kinder, zwei Jungens und zwei Mädchens.«
»Welcher Nation ist seine Frau?«
»Eine Engländerin, Baronesse.«
»Ich freue mich seines Glückes, vorausgesetzt, daß er glücklich ist.«
Sein Auge hatte einen unbeschreiblich milden, tiefen, feuchten Glanz; er antwortete mit weichem Tone:
»O, ich bin überzeugt, daß er augenblicklich sehr, sehr glücklich ist!«
»Wie kamen Sie mit ihm zusammen?«
»Meine Gnädige, erlassen Sie mir