Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman). Karl May
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»So bitte ich Sie, gar keine Vorbereitungen zu treffen, sondern sich ruhig schlafen zu legen.«
»Gott, wie ist das möglich!«
Er lächelte zuversichtlich und antwortete:
»Ich bin bei Ihnen.«
»Oh, ich glaube, daß Sie tapfer sind; aber Einer gegen so Viele!«
»Gut! Lassen Sie mich Ihre Räumlichkeiten kennen lernen! Ich kam durch den Vorsaal und das Vorzimmer in dieses Boudoir. Wohin führt die Thür links?«
»Nach dem Schlafzimmer der Zofe.«
»Und dann weiter?«
»In mein Schlafzimmer.«
»Weiter?«
»Weiter nicht. Mein Schlafzimmer ist ein Eckzimmer.«
»Gehen aus den beiden Schlafzimmern auch Thüren nach dem Corridor?«
»Nur aus demjenigen der Zofe.«
»Es mag von innen verriegelt werden.«
»O kommen Sie, Durchlaucht! Sie müssen diese Arrangements selbst treffen! Die Zofe ist zwar bereits zur Ruhe gegangen, aber sie wird sich nicht zu scheuen brauchen.«
Sie nahm ein Licht und führte ihn in die beiden angegebenen Zimmer. Die Zofe steckte ihr Köpfchen unter die Decke, als sie zu ihrem riesenhaften Erstaunen bemerkte, daß ihre Herrin einen wildfremden Menschen zur Mitternachtsstunde und in einem solchen Negligée in ihr Heiligthum einführte. Sie erschrak aber noch mehr, als die Baronesse zu ihr sagte:
»Bertha, Du kannst nicht schlafen. Dieser Herr, Durchlaucht Fürst von Befour, meldet mir soeben, daß man bei uns einbrechen will.«
Das hübsche Kammerkätzchen fuhr vor Entsetzen in die Höhe, so daß man Kopf, Hals, Schultern und die unbedeckten Arme sehen konnte, und rief:
»Herr Jessus! Einbrechen? Bei Ihnen oder bei mir?«
Sie erhielt keine Antwort. Der Fürst hatte sich überzeugt, daß es unmöglich sei, hier einzudringen, sobald man die Thür von Innen verriegelte.
»Bei Ihnen Beiden nicht,« antwortete er dann lächelnd.
»Bei wem denn?« fragte das vor Angst ein Wenig voreilige Mädchen, indem sie den oberen Theil ihres Hemdes zu ordnen versuchte.
»Bei mir,« antwortete er. »Bitte, gnädige Baronesse, kommen Sie zurück zum Boudoir. Wieviel Dienerschaft haben Sie im Hause?«
»Sechs Personen mit der Zofe.«
»So mag die Letztere sich schnell ankleiden, um den Anderen zu sagen, daß sie sich fest einschließen sollen, damit sie nicht in Gefahr kommen.«
Sie gab den Befehl und fragte dann:
»Und wie soll ich mich verhalten?«
»Sie bleiben angekleidet mit der Zofe in deren Zimmer, dessen Thür wir auch verriegeln. Ich werde diese Menschen hier im Boudoir empfangen.«
»Das geht nicht, Durchlaucht!« sagte sie ängstlich.
»Warum nicht?«
»Sie setzen sich da einer fürchterlichen Gefahr aus!«
»Glauben Sie das nicht. Ich verstehe, mit solchen Leuten umzugehen.«
»Aber sie werden bewaffnet sein.«
»Ich auch.«
Er zog seine beiden Revolver vor.
»Eine Kugel kann Sie doch während des Kampfes treffen.«
»Man wird gar nicht daran denken, auf mich zu schießen. Ich bitte dringend, zu thun, was ich Ihnen vorschlage.«
»Aber was werden Sie mit diesen Leuten beginnen?«
»Das kommt ganz darauf an, was sie selbst beginnen werden. Bitte, treten Sie ein! Es gilt, keine Zeit zu verlieren.«
Die Zofe war von ihrem Gange zurückgekehrt, und die Baronesse schloß sich mit ihr ein. Jetzt nun zog der Fürst jenes Etui hervor, welches er sich von dem Diener hatte geben lassen. Auf demselben befand sich in arabischer Schrift und Golddruck das Wort »Lahialaki« eingegraben. Er öffnete. Es zeigte eine ganze Menge von Fächern, welche mit verschiedenen Gegenständen und Ingredienzien angefüllt waren. Er zog ein Läppchen hervor und trat an den Spiegel. Ein rascher Strich entfernte – die schmale, rothe Narbe, welche sich über sein Gesicht zog. Er wischte sich mit dem Läppchen das letztere und sofort nahm dieses eine weit dunklere Färbung an. Mit einem anderen Läppchen sich über die Haare des Scheitels und des Bartes gestrichen, gab denselben eine graue Farbe. Dazu eine blaue Brille, und der Greis von achtzig Jahren war fertig.
Das Feuer des Kamins war ausgebrannt. Der Fürst setzte ein Licht hinein und verschloß die Thür. Dann löschte er die andern Lichter aus und nun war es finster im Boudoir.
Der Kamin trat sehr weit vor, hinter demselben stand ein Stuhl, auf welchem der Fürst sich niederließ. Er brauchte nicht zu befürchten, sofort gesehen zu werden, und zudem war es ihm von hier aus ein Leichtes, den nahen Gascandelaber anzuzünden.
Jetzt wartete er, zwar mit Spannung, aber ohne Sorge der Dinge, die da kommen sollten. Fünf Minuten, zehn, fünfzehn, zwanzig Minuten vergingen – eine halbe Stunde war vorüber; da endlich vernahm der Fürst ein leises, leises Knarren.
»Ah! Sie kommen!« murmelte er. »Sie werden ebenso leer wieder gehen müssen und dürfen Gott danken, wenn ihnen überhaupt das Fortgehen erlaubt ist.«
Man kam näher. Es wurde an der Thür probirt, ob dieselbe verschlossen sei. Dies war nicht der Fall.
»Es ist offen!« flüsterte eine leise Stimme.
»Wohin kommen wir?«
»In das Boudoir.«
»Ist das wahr?«
»Ja.«
»Und dann?«
»Erst in's Schlafzimmer der Zofe und nachher in dasjenige der Herrin. Der Hauptmann hat es gesagt. Er muß selbst dagewesen sein.«
»Vorwärts also! Leuchte einmal, ob Jemand hier ist!«
Einer von ihnen zog eine Diebeslaterne hervor und ließ einen Lichtstrahl langsam umhergleiten.
»Niemand hier,« sagte er.
»Also die Thür auf!«
Der diese Worte sprach, war ein entsetzlich langer und starker Mensch. Er schien den Anführer zu spielen. Der Fürst hatte beim Scheine der Diebeslaterne sein Gesicht und seine Gestalt gesehen.
»Alle Teufel! Der Riese Bormann!« dachte er. »Dieser ist ja gefangen! Wie kommt er heraus? Hm. Jetzt geht mir ein Licht auf. Auf ihn bezieht sich