Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman). Karl May
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Читать онлайн книгу Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman) - Karl May страница 75
»Donnerwetter!« murmelte der Probirende.
»Paßt der Schlüssel nicht?«
»Esel! Meine Schlüssel passen stets! Aber die Thür ist nicht nur verschlossen, sondern auch von innen verriegelt.«
»Pest!« meinte der Riese. »Da ist es am besten, ich trete sie ein.«
»Nein, das macht zuviel Lärm. Wir müssen eine List anwenden.«
»Welche denn?«
»Ich klopfe und thue, als ob ich ein Diener bin. Da wird das Kätzchen jedenfalls aufmachen.«
»Möglich. Wollen's versuchen.«
»Meinetwegen. Aber wir sind ja bereits Herren des Hauses,« meinte der Riese; »wir wollen uns also immerhin das Gas anzünden.«
Er trat zu dem Candelaber und steckte die Flammen desselben an. Der Fürst hatte sich so hinter den Kaminvorhang zurückgezogen, daß man ihn gar nicht sehen konnte.
»So, gut. Jetzt ist's hell,« flüsterte Bormann. »Nun versuche es einmal mit dem Anklopfen.«
Der Schlosser, nämlich der heimlich Verbündete des Fürsten, trat zur Thür und klopfte leise. Erst beim wiederholten Klopfen ließ sich drin die Stimme des Mädchens vernehmen. Sie hatte jedenfalls den Befehl erhalten, zu antworten.
»Wer ist es?« fragte sie.
»Ich.«
»Wer denn?«
»Der Diener.«
»Welcher denn?«
»Donnerwetter!« flüsterte der Einbrecher. »Jetzt weiß ich nicht, wie die Kerls hier heißen!«
»Welcher denn?« wurde drinnen wiederholt.
»Sage Friedrich oder Anton. So heißen die meisten,« gebot der Riese.
»Friedrich!« sagte er.
»Was ist's?«
»Eine Depesche.«
»An wen?«
»An Dich natürlich nicht. An die gnädige Baronesse.«
»Ich darf sie nicht stören. Sie mag sie morgen lesen.«
»Sie ist nothwendig.«
»Das hat bis morgen Zeit. Gute Nacht!«
»Verdammt! Abgeblitzt!« brummte der Einbrecher.
»Dachte ich es nicht!« meinte der Riese. »Geht weg! Ich werde diese Thür sofort öffnen!«
Er schob die Anderen bei Seite und erhob den Fuß.
»Welch eine Unvorsicht. An der Thür sind Selbstschüsse befestigt!« klang es hinter ihnen.
Sie fuhren herum und erschraken. Hinter ihnen stand, vom Gas hell beschienen, der Fürst, in jeder Hand einen gezogenen Revolver haltend.
»Himmeldonnerwetter! Drauf auf den Kerl!« rief der Riese.
Er that wirklich einen Schritt vorwärts, hielt aber erschrocken inne, denn der Fürst donnerte ihm entgegen:
»Halt! Zurück, wenn Euch Euer Leben lieb ist! Kennt mich Keiner von Euch?«
Diese Worte waren in einem solchen Tone gesprochen worden, daß Alle wie angenagelt stehen blieben.
»Donnerwetter!« murmelte Einer. »Der Fürst des Elends!«
»Der Fürst des Elends! Ist's wahr?« fragte der Riese.
»Ja, ich bin es,« antwortete der Fürst.
»Alle Teufel! Mit dem können wir nichts anfangen!«
»Das denke ich auch. Zwölf Schüsse habe ich. Wer sich bewegt, erhält eine Kugel. Uebrigens seht Ihr, daß ich gewußt habe, daß Ihr kommen werdet. Ihr könnt Euch denken, daß man Vorkehrungen getroffen hat, Euch zu empfangen.«
»Gefangen etwa?« fragte der Riese, indem er sein Messer zog. »Da wehre ich mich doch lieber meiner Haut!«
»Ehe Du das Messer erhebst, bist Du tot, Bormann!« drohte der Fürst, indem er den Lauf des rechten Revolvers auf ihn richtete.
»Kreuz und Bomben! Er kennt mich!«
»Ich kenne Euch alle! Setzt Euch hier auf die Stühle. Ich will mit Euch reden. Und wenn Ihr verständig seid, so sollt Ihr ungestraft dahin gehen, wo Ihr hergekommen seid.«
»Ihr Wort darauf!«
»Ich gebe es.«
»Das laß ich mir gefallen! Setzt Euch!«
Sie folgten diesem Gebote Bormanns und setzten sich. Sie hatten von dem Fürsten des Elends gehört, sie kannten ihn und wußten, daß sie nun sicher waren. Sie saßen da, wie zu einer fröhlichen Unterhaltung zusammengekommen. Der Fürst begann:
»Zunächst will ich Euch beweisen, daß ich Eure Pläne kenne. Der Riese mag antworten. Ihr sollt hier einbrechen?«
»Das sieht jedes Kind!« brummte Bormann.
»Um die fünfzigtausend Thaler zu holen, welche die Baronesse jetzt hier liegen hat?«
»Es ist so. Wir werden aber freilich nun verzichten müssen.«
»Ihr sollt ferner die Baronesse töten?«
»Ein Wenig, ja.«
»Und vorher sollte sie Euer Aller Weib werden?«
»Darauf hatten wir uns verdammt gefreut. Der Braten ist uns aber nun verdorben!«
»Die Zofe solltet Ihr leben lassen, Euch aber auch mit ihr nach Belieben unterhalten.«
»Auch das ist so. Ich hörte, daß sie sehr hübsch ist.«
»Das Geld solltet Ihr nicht an den Hauptmann geben, sondern unter Euch theilen.«
»Tod und Teufel! Sie wissen Alles genau? Wer hat es Ihnen verrathen? Ohne Verrath können Sie es nicht wissen!«
»Muß es denn gerade Verrath sein? Giebt es nicht andere Wege, zur Kenntniß zu gelangen? Euer Hauptmann taugt nichts! Kann er Euch heute beschützen? Kann er Euch befreien, wenn ich Anzeige machen wollte? Wäre es nicht besser, Ihr hieltet es mit mir, anstatt mit ihm? Ich will Euch nicht zur Untreue bewegen, aber Eure Treue ist ein Verbrechen, und jeder Schritt, den Ihr thut, ist Sünde. Ich würde Euch Gelegenheit und Mittel geben, ehrliche Kerls zu werden. Man würde vergessen, was Ihr gewesen seid, und Ihr könntet Euch mit den Eurigen des Lebens freuen, und im Alter wäre es Euch dann möglich, Euer Haupt in Frieden zur Ruhe zu legen. Ueberlegt Euch das! Ihr habt keinen besseren Freund, als den Fürsten des Elendes. Auch Ihr lebt im