Chefarzt Dr. Norden Box 8 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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Als Pflegedienstleitung hatte Schwester Elena die Gesamtverantwortung für den Pflegebereich der Behnisch-Klinik und war Mitglied im Direktorium. Sie steuerte sämtliche Prozesse von der Personalplanung bis hin zur Qualitätssicherung. Sie erteilte Arbeitsanweisungen, wirkte mit bei der Erarbeitung von Pflegekonzepten und half bei der Umsetzung in die klinische Praxis. Neben all diesen Aufgaben war es ihr aber wichtig, den Kontakt zu ihren Mitarbeitern und Patienten nicht zu verlieren. Aus diesem Grund mischte sie sich immer wieder unter Schwestern und Pfleger und tat gewöhnlichen Dienst. Wie an diesem frühen Nachmittag bei Manfred Tuck.
»Das Gespräch bei Dr. Norden war wohl nicht gerade erfreulich, was?« Sie legte den Deckel über den welken Salat, der auf dem Tablett in einer Schale neben angetrocknetem Fischfilet mit Kartoffelpüree lag.
»Meine Gefäße müssen noch untersucht werden«, erwiderte Manfred, der mit geschlossenen Augen im Bett lag.
Einfach einschlafen, wieder aufwachen und feststellen, dass alles nur ein böser Traum gewesen war. Doch diesen Gefallen wollte ihm das Schicksal nicht tun.
Elena beobachtete das Gesicht ihres Patienten. Es erinnerte sie an einen See, über den der Wind strich.
»Was beschäftigt Sie?«, fragte sie und stellte eine frische Wasserflasche auf den Nachttisch.
»Dr. Norden hat von der Wesensveränderung gesprochen, die so ein Tumor auslösen kann.«
»Und davor haben Sie Angst?«
Manfred öffnete die Augen. Er lächelte wie ein trauriger Clown.
»Ich stecke schon mittendrin.« Er stützte sich auf den Ellbogen und sah die Schwester an. »Das, war ich in letzter Zeit gedacht und getan habe … Was davon bin wirklich ich? Und was macht das Ding in meinem Kopf? Ich schreie meine Frau an, obwohl sie das Liebste ist, das ich habe. Und das ist wahrscheinlich erst der Anfang. Vielleicht schlage ich Eva irgendwann oder tue ihr noch Schlimmeres an. Das ist doch beängstigend.«
»Sie haben recht.« Genau wie Dr. Daniel Norden es verabscheute, schlimme Diagnosen zu überbringen, konnte Elena es nicht ausstehen, keinen Trost parat zu haben. Doch was sagte man einem Menschen in so einer Situation? »Deshalb werden unsere Ärzte alles dafür tun, um Sie von dem Parasiten in Ihrem Kopf zu erlösen.« Sie nickte ihm zu. »Verlieren Sie nicht den Mut.« Mehr konnte sie im Augenblick nicht für Manfred Tuck tun und gab die Klinke Dr. Norden in die Hand, der im Begriff war, das Zimmer zu betreten.
Klinikchef und Pflegedienstleitung kannten und schätzten sich seit vielen Jahren. Hatten schwierige Situationen gemeistert, zusammen gelacht und manchmal auch getrauert. Diese Erlebnisse hatten sie zusammengeschweißt. Eine tiefe Freundschaft wachsen lassen, die viele Worte überflüssig machte. Daniel schenkte Elena ein Lächeln, ehe er ans Bett seines Patienten trat. Er stellte die Nierenschale auf den Nachttisch, rollte einen Hocker herbei und setzte sich.
»Eine Angio-MRT läuft nicht anders ab als eine normale MRT«, erklärte er, während er einen Zugang in Manfreds Handrücken legte. »Der Unterschied besteht lediglich darin, dass wir ein Kontrastmittel spritzen, um die Gefäße deutlich sichtbar zu machen. Deshalb dieser Zugang hier.« Er klebte ein Pflaster auf die Kanüle, um sie am Verrutschen zu hindern. »Die Untersuchung dauert in etwa 45 Minuten. Haben Sie sonst noch eine Frage?«
Manfred Tuck schüttelte den Kopf. Die Fragen, die er auf dem Herzen hatte, konnte kein Mensch dieser Welt beantworten.
»Nein.«
»Gut. Dann auf in die Radiologie!«
*
»Na, das ist ja mal eine Überraschung. Unser lieber Herr Verwaltungsdirektor.« Dr. Weigand trat an die Liege und blickte auf Dieter Fuchs herab. »Was machen Sie denn für Sachen?«
»Ich wüsste nicht, was Sie das angeht.« Fuchs verschränkte die Arme und blickte demonstrativ auf das Foto an der Wand.
Ein wogendes Weizenfeld, gesprenkelt mit blutroten Mohnblüten. Was für eine Verschwendung! Sobald er wieder auf den Beinen war, würde er sich darum kümmern, dass dieser Firlefanz durch eine anatomische Darstellung ersetzt wurde. Dummerweise sah Weigand nicht danach aus, als ob er ihn gleich wieder gehen lassen würde.
»Draußen würde es mich auch nicht interessieren. Hier drinnen bin ich leider dazu verpflichtet.« Matthias‘ Augen blitzten vor Vergnügen. Es kam nicht oft vor, dass ihm der Verwaltungsdirektor hilflos ausgeliefert war. Endlich konnte er sich für die Kekse revanchieren, die der Verwaltungschef zusammen mit Verbrauchsmaterial wie Papierhandtücher und Verbandmaterial bestellte und die genauso schmecken. Für den abgelehnten Antrag für eine SPECT-fähige Gammakamera. Und nicht zuletzt für die falsche Auslastungsanalyse, die den Ärzten viel Ärger bereitet hatte, bevor die Tochter des Verwaltungsdirektors den Irrtum aufgeklärt hatte.
Wenn Matthias Weigand nur daran dachte, konnte auch er eine Beruhigungspille vertragen. Ein Glück, dass der Trägerverein der Klinik eine Entscheidung angekündigt hatte. Hing Fuchs‘ desolater Gemütszustand etwa damit zusammen? »Die Kollegen haben mir verraten, dass Sie eine ordentliche Portion Sedativa geschluckt haben und deshalb ohnmächtig geworden sind. Das passt überhaupt nicht zu Ihnen und Ihrer Sparsamkeit.« Dr. Weigand faltete die Hände vor dem Bauch. »Warum haben Sie das getan?«
Dieter Fuchs zog Augenbraue und Mundwinkel hoch.
»Beruhigungsmittel nimmt man gemeinhin, wenn man sich beruhigen will. Oder sehe ich das falsch?«
»Und worüber haben Sie sich aufgeregt? Noch dazu so sehr, dass es gleich drei Tabletten sein mussten.«
»Spielt das eine Rolle?«
»Wenn ich Sie behandeln soll, tut es das.«
»Dann spielt es keine Rolle.«
Dr. Weigand holte tief Luft. Von rechts hörte er ein unterdrücktes Grunzen. Ein strafender Blick, und Pfleger Jakob senkte den Kopf.
»Gut«, wandte sich Matthias wieder an den Verwaltungsdirektor. »Dann untersuche ich Sie jetzt. Die Ergebnisse liegen frühestens morgen Vormittag vor. Solange müssen Sie leider hierbleiben.« Er machte eine kunstvolle Pause. »In der psychiatrischen Abteilung.«
»Aber …«
»Kein Aber. Solange ich mir nicht sicher sein kann, dass Sie sich selbst absichtlich Schaden zugefügt haben, schütze ich Sie nur vor sich selbst.« Er setzte sich auf den Hocker und zog das Ultraschallgerät heran. »Nicht, weil Sie mir so sympathisch sind.« Er nahm den Schallkopf zur Hand und drückte durchsichtiges Gel aus einer Flasche darauf. »Sondern weil es meine Pflicht als Arzt ist.«
*
»Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll, Herr Dr. Aydin.«
Der Neurochirurg lächelte zufrieden.
»Indem Sie aufstehen und das Zimmer auf zwei Beinen verlassen«, machte