Chefarzt Dr. Norden Box 8 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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Читать онлайн книгу Chefarzt Dr. Norden Box 8 – Arztroman - Patricia Vandenberg страница 6
Am Ende des Flurs blieb Milan Aydin stehen und sah dem Ehepaar nach. Ein tiefes Gefühl der Befriedigung erfüllte ihn. Menschen von ihren Schmerzen zu befreien und ihnen zu helfen, war einer der Gründe, warum er die Mühen und Strapazen jeden Tag aufs Neue auf sich nahm. Hinzu kam, dass die Medizin für Milan Ähnlichkeit mit einer Wildwasserfahrt hatte. Auch wenn gerade alles ruhig dahin plätscherte, konnte hinter der nächsten Ecke schon die nächste große Herausforderung warten. Ein Rascheln hinter ihm bestätigte diese Ansicht.
Auch ohne den Rollstuhl zu wenden wusste Milan, dass seine Kollegin Christine Lekutat im Anmarsch war. Anders als sonst würdigte sie ihn keines Blickes. Watschelte an ihm vorbei, als wäre er Luft.
Bei ihrem Anblick drückte Milan das schlechte Gewissen. Sicher, sie hatte einen seltsamen Sinn für Humor. Benahm sich wie ein Elefant im Porzellanladen und sah genauso aus. Abgesehen davon war sie aber eine hervorragende Chirurgin und eine zuverlässige Kollegin.
»Dr. Lekutat«, rief er ihr nach.
Als hätte sie nur darauf gewartet, machte sie Halt. Sie drehte sich so schwungvoll um, dass sie sich um ein Haar in ihrem Kittel verfangen hätte. Ihre Wangen leuchteten in schönstem Rot.
»Milan … ich meine Dr. Aydin. Ich habe Sie gar nicht gesehen.«
Um ein Haar wäre Milan laut herausgeplatzt. Ihr zuliebe tat er es nicht. Er packte die Greifräder und fuhr auf sie zu.
»Ich wollte mich bei Ihnen entschuldigen. Mein Kommentar vorhin war wirklich nicht nett.« Er legte den Kopf ein wenig schief. Schenkte ihr dieses neckische Lächeln, das Frauen so mochten. »Wenn Sie immer noch Lust haben, mit mir zum Thailänder essen zu gehen, komme ich gern mit.«
Christine strahlte wie ein Honigkuchenpferd.
»Wirklich?«
Ihre Augen leuchteten. Auf ihren Wangen zeigten sich rote Flecken. Plötzlich bekam es Milan mit der Angst zu tun. Hatte sie sein harmloses Angebot falsch verstanden?
»Wenn Sie nicht mehr wollen …«
»Doch, doch. Mir tut meine dumme Reaktion von vorhin leid. Im Grunde genommen weiß ich ja, dass Ihr Humor ein wenig daneben ist.«
»Das sagt die Richtige«, platzte Milan heraus.
Schweigen.
Christine sah aus, als hätte er ihr einen Eimer Eiswasser über den Kopf geschüttet. Sie griff sich ans Herz und wurde blass.
»Wie meinen Sie das?«
Kurz nach seinem Unfall hatte sich Milan Aydin Sorgen gemacht, seine Chancen bei den Frauen verspielt zu haben. Bis er festgestellt hatte, dass das genaue Gegenteil der Fall war. Der Rollstuhl hatte eine magische Anziehungskraft auf das weibliche Geschlecht. Auf die Professorin für Altphilologie genauso wie auf die Laborantin der Behnisch-Klinik. Doch trotz seiner mannigfaltigen Erfahrungen mit Frauen stieß Milan bei Christine Lekutat an seine Grenzen. War sie am Ende gar keine Frau? Kein menschliches Wesen?
»Bitte nicht ohnmächtig werden«, flehte er sie an.
Er griff nach dem Tablet in seinem Schoß und fächelte ihr Luft zu.
»Hören Sie schon auf damit! Ich brauchte Ihr Mitleid nicht.«
Milan ließ das Gerät sinken.
»Nehmen Sie es mir nicht übel. Aber offenbar verstehen wir uns einfach nicht. Deshalb ist es in Zukunft bestimmt besser, wenn wir unseren Kontakt auf das Medizinische beschränken«, machte er einen Vorschlag zur Güte.
Christine fiel von einem Schrecken in den nächsten.
»Dann wollen Sie jetzt doch nicht mit mir zu Mittag essen?«
»Ich glaube nicht.« Milan schüttelte den Kopf. »Nein. Wenn ich ehrlich bin, ist mir der Appetit vergangen.« Er wagte es noch nicht einmal, ihr ein Lächeln zu schenken. Stattdessen fuhr er mit gesenktem Kopf davon.
Eigentlich hätte er erleichtert sein müssen.
Doch zum wohl ersten Mal in seinem Leben machte er die Erfahrung, dass es Siege gab, die sich wie Niederlagen anfühlten.
*
»Ich habe keine Ahnung, was in diese Lekutat gefahren ist.« Sophie Petzold hatte die Hände in die Hüften gestützt und sah mit halb geschlossenen Augen haarscharf an ihrem Verlobten vorbei.
Matthias war ganz sicher, dass er mit dem Rücken zur Wand stand. Andernfalls hätte er sich umgedreht in Erwartung, Christine Lekutat hinter sich zu sehen.
»Die ganze Zeit war sie so nett. Und plötzlich lässt sie mich so auflaufen. Aus heiterem Himmel. Ausgerechnet heute. Das ist nicht fair.«
»Vielleicht hat sie einfach einen schlechten Tag. Das kommt in den besten Familien vor«, versuchte Dr. Weigand, seine zukünftige Frau zu trösten. Er streckte die Arme aus, um Sophie an sich zu ziehen. Seine Hände fielen ins Leere.
»Vielleicht rächt sich auch dieser übermäßige Zuckerkonsum. Ich kenne niemanden, der derart viele Süßigkeiten in sich hineinstopft. Als Ärztin müsste sie doch wissen, dass das gefährlich ist.«
»Deine Sorge ehrt dich. Aber statt dir den Kopf über die Kollegin Lekutat zu zerbrechen, solltest du dich lieber auf deine Prüfung konzentrieren.« Matthias sah auf die Armbanduhr. »Du hast noch eine Stunde.«
Sophie starrte ihn an, als hätte er sich vor ihren Augen in ein Monster verwandelt.
»Waaaaas? Eine Stunde nur noch? Warum hast du das nicht gleich gesagt?« Wie ein aufgescheuchtes Huhn lief sie im Büro auf und ab. Sogar ihr »O Gott, o Gott, o Gott«, erinnerte entfernt an ein Gackern. »Dabei wollte ich unbedingt noch einmal das Gliom durchgehen. Du mit deinem Mut zur Lücke! Das geht garantiert schief. Schon mit der ersten Frage hat mich die Lekutat eiskalt erwischt.«
Matthias konnte seiner Verlobten nicht böse sein. Dazu erinnerte er sich zu genau an den Tag seiner eigenen Facharztprüfung. Anders als Sophie war er auf jede mögliche und unmögliche Frage vorbereitet gewesen. Und war dank seiner Nervosität mit Pauken und Trompeten durchgefallen. Das würde Sophie nicht passieren. Er kannte sie. Hatte sie oft genug in Krisensituationen erlebt. Und für ihre Coolness und Gelassenheit bewundert.
»Es geht nur um die hirneigenen Tumore, die du nicht so gründlich gelernt hast.«
Sophie hielt in ihrem Marsch inne. Durchbohrte ihn mit Blicken.
»Stell mir eine Frage!«, verlangte sie.
»Wie bitte?«
»Du sollst mir eine Frage zu hirneigenen Tumoren stellen.«
Matthias Weigand lächelte. Seine Sophie! Er hätte es sich denken können.
»Also gut. Erzähl mir was über Medulloblastome.«
»Medulloblastome sind Tumore, die fast ausschließlich im Kindes- und Jugendalter auftreten. Dabei handelt es sich um Tumoren des Kleinhirns, die sich besonders durch Koordinationsstörungen, Stand- und Gangunsicherheit