Die Vollendung des Königs Henri Quatre. Heinrich Mann

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Die Vollendung des Königs Henri Quatre - Heinrich Mann

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eine Schlacht ihm wert, aber zwei versprach er für den allgemeinen Frieden. Die beiden geistlichen Diplomaten fanden ihn stark im Heucheln, und er stieg in ihrer Achtung. „Aber!“ rief er zu ihrer vermehrten Überraschung. „Aber Paris würde vergeblich auf den allgemeinen Frieden warten, solange es die Schreckensherrschaft und Hungersnot in seinen Mauern hat. Was wären das für körperlose Friedensworte. Paris darf nicht länger hungern. Ich liebe meine Stadt Paris. Sie ist meine älteste Tochter.“ Hiermit entlarvte er ihre Friedensbotschaft; aber nicht jeder, dessen Blöße schon offen ist, merkt es.

      „Gefangen hat er gesessen in Paris, das ist alles“, bemerkten für sich die beiden. „Vater dieses Volkes nennt er sich, aber nur an einer Niederlage hängt es, und er sitzt nochmals hinter Gittern, kommt auch lebend nicht mehr frei. Als er sich überdies mit der wahren Mutter bei Salomo verglich, und wollte auf Paris lieber verzichten, als daß er es aus Trümmern und Toten hervorzöge und an sich brächte“ — bewunderten sie ihn nicht ohne Belustigung und streiften einander kurz mit den Blicken. Hierauf unternahmen sie es, ihn in der geschickten Falschheit noch zu überbieten. Sie stellten sich, als bezweifelten sie seine militärische Stärke sowie die Echtheit seiner Siege und rechneten mit einer Wendung. Wenn Paris vor der Herstellung des allgemeinen Friedens sich ihm ergäbe, würden Mayenne und der König von Spanien es wieder nehmen und hart bestrafen. Da aber erlebten sie etwas Neues.

      Ein Soldat, dem die Gnade der Majestät zufällt vor ihren Augen. Sie begreifen nicht mehr, wer hier spricht, und von wo herab. Er schwört, unterbricht sich, selbst erschüttert, wiederholt aber den furchtbaren Schwur beim lebendigen Gott. „Wir werden sie schlagen.“ Seine tausend Edelleute riefen durcheinander, was einen eingeübten Gleichklang weit übertrifft: „Wir werden sie schlagen! Wahr geschworen! Die Schande nie, solange Gott lebt!“ Betroffen erkannten die Abgesandten, daß er eingesetzt war als Feind ihrer Welt; und gegenüber dem verkrüppelten Erdenbeherrscher Philipp, der unmenschlichen Weltmacht Habsburg, erhob ihren Anspruch eine lebendige Majestät. Man muß dies erblicken, damit man es glaubt. Im Leben geschieht fast alles ohne Auftrag — das ist die tägliche Erfahrung hochgestellter, ungläubiger Herren, die daher jeden Mächtigen für einen Betrüger halten und ihn dafür hinnehmen. Ein Schlag durchlief die Glieder dieser beiden, vor ihren Augen zitterte das irdische Bild, da sie die wirkliche Majestät erfuhren. Majestät — ein schwaches Wort für eine schlechthin überwältigende Gnade Gottes: — wie schwach und weitläufig verhält man sich zu Gott und Gnade. Zwei Kirchenfürsten hatten sich so lange nichts dabei gedacht, bis sie dies erlebten: ein Soldat, dem die Gnade der Majestät zufällt vor ihren Augen.

      Henri hatte seitdem seine Gegner in der Hand während dieser Verhandlung. Nach dem Augenblick der hohen Berufung machte er von seinem Vorteil vor ihnen reichlichen Gebrauch. Er nahm sie nicht mehr ernst, sondern verlangte die Übergabe von Paris innerhalb acht Tagen, als wär es eine Kleinigkeit. Die Majestät darf niemals lange währen, wir werden sie nicht abnutzen, da die Gnade selten erscheint, und übrigens halten wir die guten Leute lieber zum besten, als daß wir sie durch Größe auf die Knie zwingen.

      „Acht Tage habt ihr, meine Guten. Wollt ihr lieber warten mit der Übergabe, bis euch die Lebensmittel ganz ausgehen, dann schön, für euch eine Henkersmahlzeit und nachher der Strick.“

      „So unbarmherzig wird kein König von Frankreich mit seiner Hauptstadt verfahren, und kein Christ mit zwei Dienern Gottes.“

      „Dann laßt es darauf ankommen.“

      „Zu fürchten ist allerdings, daß gerade wir beide wieder zu Ihnen hinausgeschickt werden, diesmal aber mit dem Strick um den Hals.“

      „Dann übergebt mir die Stadt sogleich.“

      „Wenn die Spanier und die sechzehn das hören, hängen sie uns auf.“

      „Dann wartet auf Mayenne und die Hilfstruppen aus Flandern.“

      „Eure Majestät könnten sie am Ende besiegen, um so sicherer würden wir aufgehängt.“

      „Dann befürwortet die Übergabe.“

      „Sire! Sie würden unsere Dienste vergessen und uns der Rache des Volkes ausliefern.“

      „Dann laßt es nur ja weiter verhungern.“

      „Sire! Sie sind falsch berichtet, noch hungert niemand.“

      „Dann mög es euch immer wohl ergehen. Es gibt noch viel mehr auf den Friedhöfen, und genug Kinder sind unbewacht, die Mutter hat einen Anfall von Schwäche.“

      Hierauf wagten sie keine Antwort, sondern ließen die Köpfe sinken, so frech bis jetzt ihr Sinn gewesen war. Da sie wahrhaftig den Boden verloren, schien es ihnen, daß sie sich von dem König hatten hinreißen lassen. ,Ja, ein Frag’und Antwortspiel hat er mit uns getrieben, nach dem Vorbild einer berühmten Szene im Rabelais, der nichts als ein Possenreißer gewesen ist. Das ist auch dieser König, und hält uns zum Narren.‘ Ihre Würde war dahin und ihre Verwirrung unaufhaltsam. Der König erlaubte ihnen nicht, sich zu fassen, im Gegenteil gab er ihnen den Rest. Das letzte sprach er nicht mehr schnell und leicht, sondern mit dem Nachdruck des Richters.

      „Herr de Lyon“, sagte er zu dem Erzbischof. „Vor kurzem sind Sie auf der Sankt-Michaels-Brücke in ein Gedränge gekommen. Leute warfen sich vor Ihre Pferde und schrien nach Brot oder Tod. Hat nicht ein alter Mann Sie angesprochen?“

      „Ich weiß es nicht“, stammelte Herr de Lyon, und alles in seinem Kopf drehte sich, wie es wahrscheinlich auch am Jüngsten Tage eintritt.

      „Er hat Sie angesprochen und hat die Verzweiflungsschreie um Sie her eine letzte Bedenkzeit Gottes genannt.“

      Bei dieser geheimen Offenbarung des Königs überkam Herrn de Lyon eine Schwäche, nicht anders als irgendeine niedrige Mutter, die ihr Kind in furchtbarer Absicht forttragen sieht. Seine Leute fingen ihn auf, bleich und verfallen stand der Kardinal daneben. Der König rief nach Wein zu ihrer Stärkung, und während sie ihn bekamen, stieg er schon zu Pferd. Im Fortreiten erklärte er den nächsten seiner Edelleute, wer auf der Brücke der Mensch gewesen war, der den Erzbischof verwarnte. Meister Ambroise Paré, ein Chirurg und fünfundachtzig Jahre alt, hatte auf der Brücke mit seiner letzten Kraft gesprochen, und jetzt lag er im Sterben. „Einstmals stand er dem ermordeten Coligny bei“, sagte König Henri, schloß die Lippen fest und öffnete sie auf dem ganzen Weg nicht mehr.

      Seine Begleiter schwiegen, die Hufe klappten dumpf. Henri gedachte alter Hugenotten. Als einer der Ihren unwandelbar, so ritt er hier.

      Ein Künstler

      Im Lager liefen sie ihm entgegen. „Farnese ist im Anmarsch! Farnese steht in Meaux!“ Der König lachte geringschätzig, denn Meaux ist zu nahe, davon hätte er früher erfahren; auch seinen Freunden Erzbischof und Kardinal wäre es sicher hinterbracht worden, und sie hätten sich von ihm nicht bis zu Ohnmachten foppen lassen. Er zuckte die Achseln, wollte weiter, da erwarteten ihn zwei am Wege, die stritten. Herr de la Noue zügelte sein Pferd mit seiner eisernen Hand. Herr de Rosny saß auf dem seinen quer, anders erlaubten seine heldenhaften Wunden es ihm nicht, ein Arm lag im Verband.

      Der König sagte: „Friedlich, ihr Herren!“

      La Noue sagte: „Sire! Farnese.“

      Rosny sagte: „Sire! Eine List. Er kann nicht in Meaux stehen.“

      „Sire!“ rief der Ältere. „Wem glauben Sie, diesem Naseweis, oder mir? Farnese ist so schrecklich listig, daß er zuweilen sogar die Wahrheit verbreiten läßt.“

      Rosny,

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