Was als Spiel begann - Ein Norwegen-Krimi. Unni Lindell

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Was als Spiel begann - Ein Norwegen-Krimi - Unni Lindell

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Haare und den leicht zerstreuten Blick. »Es kam ein Anruf mit einer genauen Beschreibung der Stelle, an der die Leiche liegt«, fing er an. »Der Anrufer hat seinen Namen nicht genannt. Vielleicht hat der Täter selbst den Mord gemeldet. Seine Stimme klang jung, aber natürlich kann er sie auch manipuliert haben. Das Telefon ist auf Siv Ellen Blad gemeldet. Vermutlich handelt es sich bei ihr um das Mordopfer. Wir haben einen Wagen zur Adresse des Opfers in den Haakon-den-godes-vei geschickt, aber dort scheint niemand zu Hause zu sein. Wir haben die Mordwaffe bisher nicht gefunden. Wohl aber einen großen Geigenkasten.«

      »Einen Geigenkasten?« Cato Isaksen sah ihn fragend an. »Wo ist der?«

      »Wir wissen ja nicht, ob er ihr gehört, aber er liegt dort im Auto.« Roger Høibakk nickte zu einem der Streifenwagen hinüber und sah noch einmal auf seinem Notizblock nach.

      Es waren Scheinwerfer aufgestellt worden, die den Tatort in zwei großen Kreisen beleuchteten. Die Technikerin Ellen Grue, die einen weißen Overall und hellblaue Handschuhe trug, hockte mitten im Lichtkreis neben dem mit einem Mantel bekleideten Opfer. Neben der Technikerin hockte ein Gerichtsmediziner, den Cato Isaksen von früheren Fällen her kannte.

      Er fragte sich, wie viel Zeit wohl vergehen würde, bis dieser Fall gelöst wäre. Es könnte Tage dauern, aber auch Monate oder Jahre. Er dachte an die alten Griechen, an Polyeides, den fünften Menschen. Den Gott mit den vielen Gesichtern. Ab und zu war er Mann, ab und zu Frau. Und dann wieder war er etwas anderes.

      Die Kälte trieb Roger Høibakk die Tränen in die Augen. »Jemand hat einen älteren Mann mit einem Hund an der Leine gesehen«, sagte er jetzt und wischte sich die eine Wange ab. »Unmittelbar bevor der Mord bei uns gemeldet wurde. Die Zeugen stehen noch immer dahinten.« Roger Høibakk zeigte auf die kleine Gruppe von Neugierigen.

      »Mit denen spreche ich später«, sagte Cato Isaksen.

      Ein kräftiger Windstoß veranlasste ihn, seine Lederjacke fester um sich zusammenzuziehen. Ein Drahtzaun trennte den Platz von den U-Bahn-Gleisen. Die Polizisten kletterten die Böschung hinab, die zu den Gleisen hinunterführte. Cato Isaksen begrüßte kurz zwei Beamte, die ihm von früher bekannt waren. Ein Kriminaltechniker untersuchte die Umgebung von drei Containern, die Pappe und anderen Abfall des Möbelhauses enthielten. Die beiden großen wurden versiegelt, während die Ermittler sich auf den kleinsten konzentrierten und ihn sorgfältig durchsuchten. Zwei Polizisten mit Hunden waren in die umliegenden Straßen geschickt worden. Drei Streifenwagen fuhren umher. Die psychiatrische Klinik Vinderen lag gleich in der Nähe, und zwei Polizisten waren hingeschickt worden, um sich zu erkundigen, ob alle Patienten in ihren Betten lägen, während zwei andere im Altenheim fragten, ob jemand dort etwas gesehen habe.

      Cato Isaksen spürte den eiskalten Wind in seinem Nacken. Er bückte sich unter ein Absperrband und trat so nahe an die Leiche heran, wie das überhaupt nur möglich war, ging in die Hocke und fragte, ob es irgendwelche Anzeichen für eine Vergewaltigung gebe. Ellen Grue hob abwehrend die Hand. »Nicht näher kommen«, rief sie und zeigte auf den Boden. Dann zog sie ihre Plastikhandschuhe höher. »Es ist ohnehin schon schwer genug, bei diesem Frost Spuren zu sichern, da brauchst du die, die wir haben, nicht auch noch zu zerstören. – Nein, bisher sieht es nicht nach Vergewaltigung aus«, fügte sie dann kurz hinzu. Cato Isaksen nickte und richtete sich wieder auf. Das Opfer hatte blonde, kurzgeschnittene Haare und ein hübsches rundes Gesicht. Ihre Augen standen offen, der eine Arm war unter ihren Leib gekrümmt. Eine hässliche Wunde am Hals zeigte, dass der Täter ein Messer benutzt hatte. Der großkarierte rosa Mantel war zur Seite geschlagen. Vom Kragen herab war die linke Reversseite feucht und rot. Das Blut war in den dunklen Boden um ihren Kopf eingezogen. Die Frau trug eine schwarze Bluse und einen halblangen schwarzen Faltenrock, der hochgeschlagen war und große Teile ihrer üppigen, mit Strümpfen bekleideten Oberschenkel zeigte. Die schwarzen Stiefel zeigten nach innen wie die Schnauzen von zwei Tieren, die einander guten Tag sagen.

      Cato Isaksen machte kehrt und ging auf die Zeugen zu – zwei junge Männer und ein Mädchen von vielleicht neunzehn. Sie waren durchfroren und außer sich, sie erzählten, dass sie auf dem Heimweg von einem Fest gewesen waren, als der erste Streifenwagen die Kreuzung erreicht hatte. Sie waren neugierig gewesen und hinterhergegangen. Der alte Mann, der ein Stück weiter unten die Straße überquert hatte, war ziemlich groß gewesen und hatte einen langen Mantel getragen. Er hatte einen hellbraunen Hund an der Leine geführt. »Einen kleinen Hund«, sagte die junge Frau rasch. »Oder ziemlich klein jedenfalls«, fügte sie hinzu.

      »Ein bisschen wie ein Spitz, aber mit geradem Schwanz«, sagte einer der jungen Männer.

      Cato Isaksen nickte. »In welche Richtung ist er gegangen?«

      Die junge Frau zeigte die Straße abwärts. »In Richtung Lebensmittelladen.«

      »Woher kam er?«

      »Er kam aus dem kleinen Tunnel, der Fußgängerunterführung da oben«, sagte die Frau und zeigte in diese Richtung. »Er ging über den Parkplatz, uns entgegen, und dann weiter die Straße hinunter.« Cato Isaksen roch den Alkohol in ihrem Atem. »Sie müssen morgen alle auf die Wache kommen«, sagte er. Die Jugendlichen nickten ernst in der Dunkelheit.

      Cato Isaksen bat Roger Høibakk, der eine Taschenlampe hatte, ihn zur Fußgängerunterführung zu begleiten. Zusammen gingen sie langsam bergauf, mit dem Lichtstrahl als gelbem Ring vor sich auf dem dunklen Boden. Unten in dem kleinen Tunnel stank es nach Urin. Die rauen Wände waren mit Graffiti knallbunt dekoriert. Wörter wie POOL, FRESH und FUCK traten immer wieder auf. Die Buchstaben waren knallgrün, gelb, rot, lila und schwarz. Unter zwei der größten Kringelmuster stand die Signatur JJ.

      Als sie zum Tatort zurückgingen, fuhr in hohem Tempo ein Wagen auf den Bürgersteig und kam mit einem Ruck zum Stehen. »VG«, sagte Cato Isaksen und rieb sich die Hände, um ein wenig Wärme zu produzieren.

      Der Journalist zog seine Fototasche von der Rückbank und kam auf sie zu. »Wir können noch nicht viel sagen«, sagte Roger Høibakk.

      »Aber etwas müssen Sie doch sagen können«, verlangte der Journalist.

      »Frau, vermutlich ermordet.«

      »Vermutlich?«

      »Sie können ›Verdacht auf Mord‹ schreiben«, sagte Cato Isaksen. »Große Stichverletzungen, mehr können wir noch nicht sagen.«

      »Darf ich ein Bild von Ihnen machen?«

      »Nein«, sagte Cato Isaksen kurz.

      »Nach und nach verlierst du deinen Körper, aufgrund der Nacht, in die du eingehst, oder des Lichtes, das sich zurückzieht.« Dieses Gedicht stand auf einem Zettel in Cato Isaksens oberster Büroschublade. Das Gedicht bewahrte er dort auf, seit er sich sechs Jahre zuvor von Sigrid Velde getrennt hatte und zu seiner Exfrau Bente zurückgekehrt war. Immer, wenn er sich an einen neuen Fall machte, holte er den Zettel wieder hervor. Die Worte wurden zu einer Art Mantra, zu etwas, dem er sich stellen musste. Etwas, das ihn vielleicht zu dem Kern hinter dem Fokus führen konnte. Du verlierst deine Züge. Ehe du durchsichtig wirst, ist deine Haut glatt. Du gleitest mit der Wange an der Wange entlang, mit der Stirn an der Lende. Du strömst neben dem Blut. Denn das Gesicht ist nichts anderes als der festgehaltene Augenblick, wenn ein Ruder aus dem Meer gehoben oder hineingesenkt wird.

      Bei dieser Arbeit brauchte man den richtigen Fokus. Man musste neben dem Alltag leben, in Räumen aus- und eingehen, in denen es nur die Wenigsten aushalten würden.

      Cato Isaksen schob den abgegriffenen Zettel mit dem Gedicht unter einige Unterlagen und knallte die Schublade zu. Gegen sechs Uhr war die Leiche zum Gerichtsmedizinischen Institut gebracht worden, und die technischen Ermittler

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