Was als Spiel begann - Ein Norwegen-Krimi. Unni Lindell
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Читать онлайн книгу Was als Spiel begann - Ein Norwegen-Krimi - Unni Lindell страница 6
Der Mann vor ihnen schien ihre Gedanken gelesen zu haben. Er setzte sich gerade. »Wie ist es passiert?«, fragte er.
»Der vorläufige Obduktionsbericht wird hoffentlich morgen Nachmittag vorliegen«, sagte Cato Isaksen ruhig. »Aber vermutlich ist sie mit einem Messer erstochen worden.«
»An welcher Stelle des Körpers denn?«
»Am Hals.«
»Das ist doch einfach absurd. Ich bin schockiert.« Axel Blad unterbrach sich für einen Moment. Er schien nicht so recht zu wissen, ob er weiterreden sollte. Dann sagte er: »Siv Ellen war ein asexueller Mensch, wenn ich das ganz offen sagen darf. Ja, es tut mir leid, es hat mit dem Fall ja eigentlich nichts zu tun, aber das war sie. Sie verlangte sogar, dass das Klavier im Schlafzimmer stand. Ihre Instrumente waren ihr wichtiger als ich.«
Cato Isaksen musterte ihn mit größerem Interesse. Er sah für einen Moment Sigrids Gesicht vor sich. Plötzlich fiel ihm ein, dass er dasselbe über sie gedacht hatte, ehe er ausgezogen war. Der Liebesakt mit Sigrid hatte etwas Trauriges gehabt. Sie war wie ein hilfloser dünner Vogel gewesen. Cato Isaksen erinnerte sich plötzlich daran, wie ihre Verletzlichkeit am Ende zu einem verminten Gelände geworden war. Vor allem erinnerte er sich an den Tag, an dem er beschlossen hatte, sie zu verlassen. Sie hatte vor dem Fenster im senfgelben Licht gestanden und ihn schweigend angestarrt. An das alles dachte er im Laufe weniger Sekunden, weil Axel Blad die Ermordete als asexuellen Menschen bezeichnet hatte.
Roger Høibakk rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. »Ich muss Sie eigentlich fragen, wo Sie gestern Abend und heute Nacht gewesen sind.« Im Nachbarraum war es jetzt still geworden. Axel Blad starrte ihn misstrauisch an. »Was passiert jetzt mit Maiken?«, fragte er besorgt.
»Randi Johansen kümmert sich um sie«, sagte Cato Isaksen beruhigend. »So was kann sie gut. Das wird schon gut gehen.«
»Das wird nicht gut gehen«, sagte Axel Blad leise. »Hier sitzen Sie und fragen mich, wo ich heute Nacht war, als ob ich meine Exfrau erstochen hätte.« Die Stille, die jetzt folgte, war kühl wie Eisen.
Cato Isaksen erhob sich und ging zum Fenster. Die Samstagsstadt lag schwer und farblos hinter dem Fenster. Er starrte die Mauer eines Parkhauses an.
»Wo waren Sie gestern Abend?«, fragte Roger Høibakk noch einmal.
»Ich war zu Hause«, sagte Axel Blad müde und fuhr sich über das Gesicht. »Ich war allein.«
»Und Ihre Bekannte?«
»Die war mit Freundinnen unterwegs.«
»Haben Sie mit irgendwem gesprochen, kann jemand Ihre Aussage bestätigen?«
Axel Blad schüttelte den Kopf.
Roger Høibakk sah ihn lange an und seufzte unmerklich.
Axel Blad hielt seinen Blick fest. »Was wollte Siv Ellen noch so spät in Vinderen? Was wird jetzt aus Maiken? Wo soll sie wohnen?«
Cato Isaksen drehte sich um. »Das weiß ich nicht«, sagte er. »Aber Sie sind doch ihr Vater, und sie ist erst sechzehn.«
»Sie hasst Beth, will nichts mit ihr zu tun haben.«
»Wir brauchen die Erlaubnis, uns im Haus umzusehen«, schaltete Roger Høibakk sich ein.
»Ja, natürlich«, sagte Axel Blad. »Meinen Sie im Haakon-den-godes-vei oder in meinem neuen Haus?«
»Beides«, sagte Cato Isaksen. »Und dann hoffe ich, dass Sie nichts dagegen haben, wenn wir einige von Ihren Schuhen mitnehmen.«
Axel Blads Gesicht sah plötzlich unangenehm berührt aus. Er wollte etwas sagen, entschied sich dann aber dagegen.
Nach der Vernehmung erzählte Randi Johansen, dass Maiken Blad auf eigenen Wunsch hin von der Mieterin abgeholt worden sei. Sie sah Cato Isaksen an und teilte mit, sie habe zwei Kollegen losgeschickt, um das Haus zu versiegeln. Maiken Blad werde sich zusammen mit der Mieterin in der Kellerwohnung aufhalten, bis die Durchsuchung beendet sei.
Cato Isaksen nickte kurz. Maiken Blad und dem Vater war psychologische und medizinische Hilfe angeboten worden, aber sie hatten abgelehnt. Randi Johansen hatte trotzdem versucht, den Hausarzt der Sechzehnjährigen anzurufen, das aber ohne Erfolg. Die Polizei konnte sie nicht sich selber überlassen.
»Ich habe mich erkundigt, und Siv Ellen Blads Eltern leben beide noch«, sagte Randi Johansen. »Die Mutter wohnt in einem Pflegeheim, der alte Vater ist auf dem Weg von Porsgrunn hierher, um sich um seine Enkelin zu kümmern. Also müssen wir vorläufig das Jugendamt nicht einschalten«, sagte sie erleichtert.
Ein frei laufender Hund lief vor den Torpfosten über die Straße. Cato Isaksen, Randi Johansen, Roger Høibakk und die Technikerin Ellen Grue trafen um 15:25 Uhr in zwei Wagen ein. Das schöne Haus war dunkel, nur die Lampen an den Torpfosten und in den schmalen Kellerfenstern bildeten gelbe Unterbrechungen des Zwielichts. Das Licht der Fenster legte sich als goldene Vierecke über das verwelkte Gras.
Sie stellten ihre Autos direkt vor dem Tor ab. Neben der Garage stand ein kleiner grauer Ford Escort älteren Jahrgangs.
»Ist Besuch da?«, fragte Cato Isaksen. Randi zog ihre Jacke fester um sich zusammen, als sie aus dem Auto stieg. Der Wintertag und Maiken Blads Schicksal setzten ihr mächtig zu. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Vater des Mädchens der Täter war, war groß, das wusste sie aus Erfahrung.
Cato Isaksen ging zum Ford Escort und schaute durch die Fenster. Auf der Rückbank lagen Kleidungsstücke und leere Colaflaschen. Aus diesem Chaos schaute ein Kindersitz hervor. Auf dem Vordersitz lagen eine Einkaufstüte von G-Sport, einige zusammengeknüllte Schokoladenpapiere und mehrere leere CD-Hüllen.
»Ich hole den Schlüssel bei der Mieterin. Wartet hier«, sagte Randi Johansen zu Roger Høibakk und Ellen Grue. Sie würden alle Zimmer im Haus durchsuchen. In Schubladen und Schränken nach Spuren fahnden. Die Wahrscheinlichkeit, dass Siv Ellen Blad von irgendeinem zufällig vorbeigekommenen Wahnsinnigen erstochen worden war, war ebenfalls groß, und deshalb war es wichtig, alle Möglichkeiten in Betracht zu ziehen, ehe irgendwer Zeit hatte, Dinge verschwinden zu lassen.
Eine Treppe führte hinunter zu einer blau angestrichenen Tür in der dicken Kellermauer. An der Tür hing ein großer Tannenkranz mit drei rosa Weihnachtswichteln. Randi Johansen betrachtete die rosa Wichtel und drückte auf die Klingel, die auf unangenehme Weise schepperte. Cato Isaksen stieg hinter Randi die kurze Treppe hinunter. Die Tür wurde von einer großen dünnen Frau mit einem dunkelhaarigen Baby auf der Hüfte geöffnet. Sie war jung, vielleicht um die fünfundzwanzig. Sie hatte große Brüste und schmale Hüften und trug T-Shirt und hellblaue Jeans. Auf dem Kopf hatte sie eine rote Schirmmütze, und ihre mittelblonden Haare waren zu einem langen Pferdeschwanz gebunden. »Jeanette Myren«, stellte sie sich vor, ohne die Hand auszustrecken. Sie wusste offenbar, wen sie vor sich hatte. »Kommen Sie rein«, sagte sie und fuchtelte hektisch mit der Hand. Ihre ganze Erscheinung hatte etwas Fieberhaftes. »Maiken ist hier«, fügte sie hinzu, ohne Atem zu holen. »Kommen Sie rein«, sagte sie dann noch einmal und verschwand aus der Türöffnung.
Die Ermittler betraten den kleinen Windfang. Das Kind hatte den Finger in den Mund gesteckt. Die Kleine trug ein rotes Kleid und hustete heiser. Ihr Gesicht war fieberheiß und die braunen Augen glasig. Aus der Nase strömte blanker Rotz, den sie mit der Faust auf ihrer Wange verteilte.
Randi