Auf dem Lande alles dicht?. Mieste Hotopp-Riecke
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Was müsste passieren?
Jugendliche brauchen schnelle Erfolgserlebnisse, wenn es um Partizipation geht. Sie müssen Selbstwirksamkeit erfahren. Sie wollen wissen, was aus ihrer Stellungnahme geworden ist, egal ob erfolgreich oder nicht. Wir empfehlen in solchen Beteiligungsverfahren, mehr auf e-Partizipation umzustellen, weg von der klassischen Gremienarbeit. Jugendliche aus einem ländlichen Raum haben mir mal geschildert, sie suchen einfach einen Ort, den sie nach ihren Vorstellungen gestalten können, ob Jugendraum oder Schrebergarten ist dabei nicht so wichtig. Wichtig ist, dass nicht alles vorgegeben ist. Letztlich ist es auch an der Zeit, mehr in eine Art aufsuchende Partizipation einzutreten, weil eben die herkömmlichen Beteiligungsformate für Jugendliche einfach nicht passen oder zu hochschwellig sind.
Wir danken der kubi-Redaktion und FrankTillmann für die Nachdruckgenehmigung. Erstveröffentlicht in: kubi. Magazin für Kulturelle Bildung, Nr. 18 „Land – alles oder nichts!?“ Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung, Berlin 2020, S. 56–59. Das Interview wurde geführt und verfasst von Susanna M. Prautzsch.
Engagementförderung und Demokratiestärkung in ländlichen Räumen – Was sagt die Forschung?
Janine Dieckmann
Christine Eckes
Wissenschaftliche Publikationen und Studien zu Engagement im ländlichen Raum gibt es viele. Doch bisher fehlte es an einem systematischen Blick auf die vorhandenen Ergebnisse der Engagementforschung. Um den aktuellen Stand der Forschung zusammenzufassen, gab das BBE 2018 eine Literaturanalyse zum Themendreieck ‚Engagementförderung – Demokratiestärkung – Ländlicher Raum’ in Auftrag (gefördert vom BMFSFJ im Rahmen des Bundesprogramms Demokratie Lebenty. Mit der Durchführung wurde das Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) betraut. In die Literaturanalyse wurden 60 Studien der letzten zehn Jahre einbezogen, die sich mit bürgerschaftlichem Engagement und/oder Demokratiestärkung in ländlichen Räumen befassen. Die Literaturanalyse umfasst eine Zusammenstellung der Hauptergebnisse der Studien sowie die Identifikation von Forschungslücken im Bereich der Engagementforschung.
In der Zusammenschau aller Studien ergaben sich vier Themenschwerpunkte, welche in diesem Beitrag kurz beleuchtet werden: (1) die Bedeutung des Strukturwandels ländlicher Räume für Engagement, (2) das Problem der genauen Begriffsdefinitionen, (3) die fördernden und hemmenden Faktoren für Engagement sowie (4) demokratiestärkende Gegenmaßnahmen in Bezug auf Engagement gegen rechtsradikale Einflüsse und Strukturen. Die gesamte Literaturanalyse sowie die dazugehörige tabellarische Übersicht über die Ergebnisse der analysierten Einzelstudien sind online zugänglich.1
Bedeutung des Strukturwandels ländlicher Räume
Rahmend für die Entwicklung von Engagement (-strukturen) ist der Strukturwandel ländlicher Räume, der maßgeblich durch den demografischen Wandel bestimmt wird. In den meisten Studien stellt er den Ausgangspunkt für die jeweilige Untersuchung dar.
Die Zentralisierung wirtschaftlicher Aktivitäten in größeren Städten spielt hierbei eine wichtige Rolle: Junge Menschen wandern in Städte ab, da sie dort Bildungsstätten und Arbeitsplätze finden. Vereine, die eine tragende Rolle für das Engagement in ländlichen Räumen spielen, verschwinden. Gleichzeitig verliert die Kirche als traditionelle Trägerin vieler Aktivitäten an Bedeutung. Auch der Um- bzw. Rückbau sozialstaatlicher Aktivitäten in ländlichen Räumen und der Verlust der damit verbundenen Daseinsvorsorge spielen hierbei eine erhebliche Rolle (z.B. Schließung von Schwimmbädern, Schulen, Kindergärten; Mitgliederschwund in Vereinen und freiwilligen Feuerwehren; Verschlechterung des öffentlichen Nahverkehrs). Die abnehmende Gewährleistung der Daseinsvorsorge durch den Staat birgt die Gefahr, dass bürgerschaftliches Engagement immer mehr in die Verantwortung gezogen wird: Engagierte sollen dort einspringen, wo der Staat sich zurückzieht. Doch große Teile der neueren Engagementforschung warnen: Engagement kann nicht als beliebig verwendbare Ressource betrachtet werden und den Rückbau staatlicher Infrastruktur ausgleichen.
Das bürgerschaftliche Engagement im ländlichen Raum steht durch demografische und infrastrukturelle Veränderungen vor neuen Herausforderungen und verändert sich: Um entstandene Versorgungslücken und fehlende kulturelle Angebote zu kompensieren, bilden sich einerseits gemeinwohlorientierte Zusammenschlüsse und Hilfsstrukturen, die beispielsweise zum Ziel haben, neue Orte der Begegnung zu schaffen oder die Teilhabe älterer Menschen zu ermöglichen. Andererseits steht das Engagement in ländlichen Räumen vor der Herausforderung, dass durch zunehmend flexiblere individuelle Lebenswege die Langfristigkeit von Engagement abnimmt. Immer seltener engagieren sich Menschen über Jahrzehnte für eine Sache (z. B. als Trainer*innen im Sportverein), da sie z.B. aufgrund beruflicher Entscheidungen eher umziehen. Somit findet individuelles Engagement vermehrt kurzfristiger und situations- oder projektbezogen statt. Gerade in ländlichen Räumen ist jedoch ein kontinuierliches Engagement – beispielsweise in der freiwilligen Feuerwehr – notwendig, um das Funktionieren der Strukturen der Daseinsvorsorge zu gewährleisten.
Was ist Engagement und Demokratiestärkung – und was nicht?
Durch die Analyse der Studien zeigte sich, dass es in der Forschungslandschaft an einheitlichen Begriffsdefinitionen für Engagement, Ehrenamt, lokalem Aktivwerden und Demokratiestärkung mangelt. So wird der Begriff des Engagements in einigen Studien sehr weit gefasst und dehnt sich bis in informelle Nachbarschaftshilfe aus. In anderen Studien wird er sehr eng gefasst, sodass nur vereinsgebundenes, institutionalisiertes Engagement erfasst wird. Wichtig ist eine differenzierte Definition von Engagement: Es gibt viele Formen von Engagement, die es anzuerkennen und zu untersuchen gilt, doch nicht jedes Engagement ist bürgerschaftliches Engagement. Im Vorwort der Literaturanalyse warnt Prof. Claudia Neu (Universität Göttingen) vor einer Verwässerung des Engagementbegriffs:
Erweitern wir die Engagementdefinition bis in die Familie und den Freundeskreis hinein, ist bald nicht mehr klar, was gemeint ist, wenn wir über bürgerschaftliches Engagement reden oder wer die Zielgruppe von [politischer und finanzieller] Engagementförderung ist […]. (Eckes et al. 2019, S. 5)
Des Weiteren bleibt in der Forschung bisher die Verknüpfung der Begriffe Engagement und Demokratiestärkung unklar: Handelt es sich bei bürgerschaftlichem Engagement nur um den formalen Akt der demokratischen Teilhabe (z.B. in demokratisch organisierten Vereinen) oder zählen gemeinwohlorientierte Inhalte (des Vereins) ? Bürgerschaftliches Engagement kann an sich zu mehr Teilhabe vor Ort führen, Menschen zu Partizipation ermutigen und somit gesellschaftliche Teilhabe innerhalb einer demokratischen Gesellschaft stärken. Jedoch könnte ohne einen klaren Bezug auf Gemeinwohlorientierung für eine vielfältige Gemeinschaft auch eine Engagementstruktur als bürgerschaftliches Engagement gelten, die einer exklusiven Gemeinschaft gewidmet ist (z.B. „Suppenküchen nur für Deutsche“, „Wir-lieben-[Ortsname]“-Bürgerinitiativen). Es bedarf hierbei immer wieder einer klaren Positionierung:
Demokratiefördernd und eine Zivilgesellschaft bestärkend wirkt Engagement dann, wenn es inklusiv agiert, allen zu Gute kommen soll und nicht exklusiv für bestimmte Bevölkerungsgruppen reserviert ist. (Eckes et al. 2019, S. 32)
Fördernde und hemmende Faktoren für Engagement
Die meistfokussierte Forschungsfrage