Incels. Veronika Kracher

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Incels - Veronika Kracher

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überwältigt zu werden, weswegen sie Vergewaltigungen nur zur Anzeige bringen, um unattraktiven Männern aus Scham, dann doch aus Versehen mit ihnen geschlafen zu haben, eine reinzuwürgen (wer kennt’s nicht). Dies verkennt, dass weibliche Sexualität oft patriarchal verformt ist und Frauen deswegen, anstatt eigenes Begehren zu entwickeln, patriarchale Vorstellungen von Sex als die vermeintlich eigenen internalisieren. Der Gegenpol dazu, der ebenfalls Grund sein kann, wieso Frauen »brutale« Pornographie konsumieren oder sich beim Sex einer submissiven Rolle hingeben, ist, dass weibliche Submissivität auch ein Mittel sein kann, sich erfahrenes Leid und erfahrene Unterdrückung im lustvollen Spiel selbstbestimmt wieder anzueignen, wie es die feministische Psychoanalytikerin Jessica Benjamin in ihrem Werk Die Fesseln der Liebe erläutert.32 Dass Incels feministische Theorie lesen, kann jedoch getrost bezweifelt werden. Komplett ignoriert wird auch die Differenz zwischen Fantasie und Realität: in der erotischen Vorstellung ist man immer Herrin im Haus, in der Realität leider nicht.

      Ob es sich nun um incels.co, incels.net oder diverse Subreddits handelt: die User dort haben die Blackpill geschluckt, und sind der festen Überzeugung, dass Frauen schuld sind an ihrem unausweichlichen Leid. Diese Foren sind unser Einblick in das Denken von Incels; sie fungieren als Echokammern, in denen die User sich den Frust von der Seele schreiben, sich austauschen und andere von ihrer Position überzeugen können. Sie fungieren auch als Räume, in denen man sich »unter sich« wähnt und der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit freien Lauf lassen kann, da kein zensierender Faktor dabei stört. Sich die thematischen Schwerpunkte in den Foren anzuschauen, ist also für eine Analyse der Incel-Subkultur unerlässlich.

      Echokammern statt Selbsthilfe: Die Incel-Foren

      Das größte Incel-Forum kann unter www.incels.co erreicht werden. Unter der Domain incels.me gegründet, musste es bereits zwei Mal aufgrund der dort vertretenen Inhalte den Server wechseln. Das Forum hat 11.850 Mitglieder, die insgesamt 216.673 Threads verfasst haben [Stand Augusut 2020]. Incels.co ist, mit Abstand, einer der toxischsten Orte im Internet. Die Threads schwanken zwischen nihilistischem Selbsthass, Diskussionen über die Blackpill, in denen man sich gegenseitig das eigene Weltbild bestätigt, und Frauenhass. Ich werde das Forum im Laufe des Buches genauer analysieren.

      Die Regeln des Forums lauten folgendermaßen: Nicht-Incels und Frauen werden, sobald sie sich zu erkennen geben, gebannt. Es ist verboten, von romantischen oder sexuellen Erfahrungen zu berichten, selbst wenn diese vor langer Zeit gemacht wurden. Verboten sind außerdem: LGBTQ-Inhalte, das »Anbeten« attraktiver Frauen oder Männer, Hinweise darauf, dass auch kleine und unattraktive Männer Partnerinnen haben, oder die Diskussion »illegaler« Aktivitäten. Letzteres wird jedoch durch Chiffren umgangen. Ein populäres Beispiel ist es, die Buchstaben »E« und »R« in einem Wort in Versalien zu schreiben, um anzudeuten, man plane, es Elliot Rodger gleichzutun: »I think women should get to know my pERsonality« bedeutet hier nichts anderes als »Ich kokettiere damit, Frauen zu ermorden, weil sie nicht mit mir schlafen«.

      Threads werden in unterschiedliche Kategorien unterteilt, beispielsweise »Lifefuel« – aufmunternde und positive Nachrichten oder Erfahrungen. Diese bewegen sich auf Ebenen wie: »Ein Incel erhält plastische Chirurgie und wird sofort als Normie wahrgenommen« über »Eine saudi-arabische Rapperin wurde aufgrund feministischer Aussagen inhaftiert« oder »Eine Schlampe jammert darüber, dass sich niemand für sie interessiert« bis hin zu »Der Corona-Virus wird uns alle umbringen«. Mehrere Postings halten andere User dazu an, sich nicht dem Suizid hinzugeben, dies wird jedoch von anderen regelmäßig als »Coping« abgetan (außerdem: es sagt einiges über eine Subkultur aus, wenn Aussagen wie »Bringt euch nicht um« in einer derart erschreckenden Regelmäßigkeit auftreten). Andere Threads nennen sich »Suicidefuel« oder »Ragefuel«: in »Suicidefuel« suhlen sie sich in ihrer Hoffnungslosigkeit und der vermeintlichen Unerreichbarkeit von Liebe und Sex, in »Ragefuel« lassen sie ihrem Hass auf Frauen, die hier regelmäßig verbal zu »Toilets« degradiert werden, freien Lauf. Andere Threads sind dafür designiert, sich als Opfer von »toxischer Weiblichkeit« zu inszenieren, die Aussagen von Frauen ins Lächerliche zu ziehen, profeministische Männer zu verhöhnen oder seiner Wut über eine nur auf das Aussehen fixierte Gesellschaft freien Lauf zu lassen. Drei Momente ziehen sich wie ein roter Faden durch das Forum: Frauenhass, Selbsthass und pathologisches Opferdenken.

      Das zweitgrößte Forum mit rund 13.200 Mitgliedern trägt den Namen lookism.net und deklariert sich selbst stolz als die »Forefront of the coping movement«. Der Begriff des »Lookism«, der mir selbst ironischerweise aus der linken Szene bekannt ist, bezeichnet die Diskriminierung einer Person aufgrund ihres Aussehens. Nun ist dieser Begriff schlicht verkürzt: Die Diskriminierung aufgrund der Tatsache, nicht hegemonialen Schönheitsstandards zu entsprechen, ist kein gesellschaftlich verankerter Herrschafts- und Unterdrückungsmechanismus wie beispielsweise Rassismus. »Lookismus« ist eher Ausdruck patriarchaler und kapitalistischer Verhältnisse, die Schönheitsstandards vorgeben und vermitteln, dass das Befolgen dieser Standards erstrebenswert sei. Vor allem Mädchen und Frauen leiden unter diesen Vorstellungen, da weibliche Körper wesentlich stärker sexualisiert und objektiviert werden als männliche. lookism.net ist auf Looksmaxxing ausgelegt und eher in der Redpill-Ideologie verortet. Die User haben noch nicht aufgegeben, zumindest zum Normie aufsteigen zu können, aber auch hier ist Misogynie ein dem Forum zugrundeliegendes Moment. Man spricht über Sport, plastische Chirurgie und Diäten. Auch andere Formen dessen, was hier als »Selbstoptimierung« missverstanden wird, werden diskutiert, wie beispielsweise mögliche Wege zum finanziellen Erfolg (»Moneymaxxing«) – für die meisten User scheint dieser Weg mit Bitcoins gepflastert zu sein. In einem dritten Bereich des Forums veröffentlichen User Fotos, um sich gegenseitig zu bewerten. Stellenweise werden die Bilder bearbeitet, um zu spekulieren, welches Maß an Attraktivität sich denn mit bestimmten Eingriffen erreichen ließe. Häufig aufzufinden sind Anfragen nach plastisch-chirurgischen Eingriffen und Empfehlungen, welche Eingriffe dem User zu einem attraktiveren Aussehen verhelfen können. Was gänzlich fehlt, ist die Erkenntnis, dass man Selbstliebe und -achtung nicht an das eigene Aussehen knüpfen sollte, dass man sich lieben kann, so wie man ist, und dass plastische Chirurgie kein Ausweg aus vernichtendem Selbsthass ist. Ähnlich toxisch ist die Seite looksmax.me mit ungefähr 6.400 Usern, ebenfalls ein Forum, das Toxizität und Selbstzurichtung als »Selbstoptimierung« verkaufen möchte.

      Ein kleineres Forum ist die Seite incels.net mit etwas über 4.000 Usern. Es zeichnet sich, mehr als die anderen Foren, durch einen zynischen und (selbst-)ironischen Tenor und sogenanntes »Shitposting«, also bewusst provokative Postings, aus, bei denen es schwer ist zu beurteilen, inwieweit die Inhalte ernsthaft vertreten werden oder mit Incel-Klischees gespielt wird. In einem FAQ33 wird deklariert, Frauenhass würde bei einigen Mitgliedern der Szene vorkommen, sei jedoch kein Merkmal der Szene als solcher. Einige Zeilen später wird behauptet, man solle Frauen »nicht anders als ein Stück Fleisch« behandeln; alles andere sei unter der Würde der »Supreme Gentleman« – so die auf Elliot Rodger rekurrierende Selbstbezeichnung der User. Wenig überraschend ist der Tenor auch hier von Frauenhass und Selbsthass geprägt. Interessanterweise stellt incels.net ein sogenanntes »Bluepill«-Forum für Diskussionen mit Nicht-Incels zur Verfügung, doch anstatt der angekündigten »konstruktiven Kritik« werden auch dort primär misogyne Projektionen artikuliert, Sex mit Minderjährigen als legitim erklärt und das übliche Incel-Kreiswichsen betrieben. Meines Erachtens ist es irrelevant, ob Postings, die Frauenhass predigen, »Shitposting« oder genuin misogyn sind: es bedarf bereits einer Disposition zum Menschenhass, um sich überhaupt auf diesen Foren aufzuhalten und sich dort

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