Incels. Veronika Kracher
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Zumindest im Ansatz eine Ausnahme bildet das Forum Yourenotalone.co, das früher den Namen Incelistan.net trug und das sich als »nicht gewalttätig und gender-inklusiv« beschreibt. Auch Frauen, sogenannte »Femcels« zählen zu den Nutzer*innen, LGBTQ-Feindlichkeit wird mit einem Bann sanktioniert, »Meinungsfreiheit« und »politische Unkorrektheit« sind jedoch in Ordnung – außer User*innen artikulieren sich allzu toxisch. »Dieses Forum soll ein Ort sein, der weniger toxisch als andere Incel-Foren ist […].« Trotzdem ist es in Ordnung, Frauen wie auch Männer als Gruppe zu kritisieren. User*innen werden zur Selbstoptimierung durch soziale Kontakte, Sport, positives Denken oder besseres Essen angehalten, anstatt therapeutische Hilfe zu suchen. Laut einem Moderator haben die Mitglieder des Forums keinerlei Überschneidungen mit der Nutzerbasis von incels.co gemein; allzu misogyne Postings werden kritisiert. Dennoch äußern auch auf diesem Forum männliche User projektiv aufgeladenen Betrachtungen von Frauen, die auch hier als oberflächlich und dem Leid der Incels gegenüber als ignorant dargestellt werden. Leider ist auch auf Yourenotalone.co Selbstmitleid omnipräsent, auch wenn der Umgang der User*innen miteinander ein gutes Stück solidarischer ist als auf den anderen Boards. Es ist bezeichnend, dass das am wenigsten gefährliche Forum nur knapp über 300 User*innen hat.
Da auf Incel-Foren regelmäßig über sexuelle Gewalt gegen Frauen und Kinder fantasiert wird oder man Massenmörder glorifiziert, sind mehrere Foren bereits gesperrt worden. Zu ihnen zählen beispielsweise die Seite Truecels.org, auf der es ein Unterforum namens Hall of Heroes gab, auf dem User den gefallenen Helden ihrer Bewegung, ihren Vorgängern und anderen ihnen ideologisch nahestehenden Gewaltverbrechern huldigen konnten, beispielsweise Elliot Rodger, Anders Breivik, Kämpfern des Islamischen Staates oder Jack the Ripper. Ein weiteres Forum, auf dem Vergewaltigung und Mord zu den üblichen Gesprächsthemen zählten, nannte sich Incelocalypse, dessen User nicht einmal verschleierten, dass sie pädosexuelle Bedürfnisse hatten, sondern offen über den Konsum von Kinderpornographie und den Missbrauch von Mädchen sprachen. Nachdem das Forum geschlossen wurde, gründete der Administrator Nathan Larson ein Forum mit dem Namen Raping Girls is Fun, auf dem er offen darüber fantasierte, erst drei Jahre alte Kinder zu Tode zu vergewaltigen, und die sogenannte »Rapepill« propagierte. Vergewaltigung, so Larson, sei ein natürlich männliches Bedürfnis, und die einzige Möglichkeit für Incels, an Sex zu kommen. Das Forum wurde im Februar 2020 geschlossen. Leider komme ich nicht umhin, mich im zweiten Teil des Buches etwas genauer mit diesem Mann zu befassen, bei dem mir schleierhaft ist, wieso er nicht den Rest seines Lebens hinter Gittern verbringt.
Eine weitere wichtige Echokammer für Incels stellt das Forum Reddit dar. Reddit ist ein gigantisches Forum mit zahlreichen Unterforen, deren Inhalte von »Bilder von dicken Katzen« über »feministische Memes«, Frage- und Diskussionsforen bis hin zu Foren für gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit reichen. Auch wenn Reddit inzwischen zunehmend rechte Foren schließt, schießen die Stellvertreter wie Pilze aus dem Boden.
Die bekannteste Reddit-Community für Incels war das Subreddit r/Incels, das bis zu seiner durch eine Online-Petition erwirkten Schließung im November 2017 40.000 User verzeichnen konnte. Der Inhalt bestand aus dem für die Szene üblichen Geseiere: Vergewaltigungsfantasien, Frauenhass, Selbstmitleid, verschwörungstheoretisches Opferdenken und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit.34 Das Ersatzforum r/Braincels, dessen Name impliziert, dass die eigene Sexlosigkeit die Folge eines überlegenen Intellekts sei, folgte kurze Zeit nach der Schließung und konnte ca. 17.000 Abonnenten verzeichnen. Es wurde Ende September 2019 ebenfalls geschlossen. Inzwischen existieren zahlreiche kurzlebige Ersatz-Subreddits, die jedoch inzwischen glücklicherweise immer rascher vom Reddit-Team geschlossen werden.
Unter dem Subreddit r/BlackPillScience versuchen Incels, ihrer menschenverachtenden Ideologie einen wissenschaftlichen Anstrich zu geben, die Ergebnisse werden auf dem Incel-Wikipedia gesammelt. 12.500 User tauschen Studien über Dating-Verhalten oder weibliche Sexualvorlieben aus. Recht häufiges Thema ist, dass Frauen mehr Likes und Nachrichten auf Dating-Plattformen wie Tinder bekommen als Männer. Dass dies daran liegt, dass mehr Männer als Frauen die Plattform nutzen und sie weniger auf langfristige Beziehungen als auf One-Night-Stands ausgelegt ist, wird ignoriert. Und jede Frau, die es mit konventionellem heterosexuellen Online-Dating versucht hat, kann bestätigen, dass das Verwenden von Dating-Apps für Frauen zu vergleichen ist mit einem Blick in einen gefüllten Kühlschrank, bei dem das meiste Essen jedoch verdorben ist. Jungs, es wird Zeit, ehrlich zu sein: Ein »Hey, wie geht’s«, gefolgt von einem ungefragten und schlecht ausgeleuchteten Penisbild, ist definitiv keine gute Art, Frauen kennenzulernen.
Zwei Subreddits stechen aus der Masse heraus: r/Trufemcels und r/Incelswithouthate.
Männliche Incels vertreten die Position, dass Frauen keine Incels sein können, da jede Frau immer und überall Zugang zu und Lust auf Sex habe. Dennoch gibt es Frauen, die sich selbst als »Femcels« bezeichnen. Sie haben den männlichen Jargon adaptiert; so wie Incels Frauen als »Femoids« titulieren, werden auf dem inzwischen nur noch für Mitglieder zugänglichen Subreddit r/Trufemcels Männer abwertend als »moids« bezeichnet. Anders als Incels sind die Userinnen jedoch nicht von einem eliminatorischen Männerhass getrieben (welch eine Überraschung), sondern fest auf der Selbsthass-Seite der Ideologie verortet. Die Userinnen vergleichen sich konstant mit anderen, vermeintlich attraktiveren Frauen, denen man Neid entgegenbringt, und sprechen über ihr Leiden an herrschenden Schönheitsvorstellungen und plastische Chirurgie als Möglichkeit des Ausstiegs. Oft wird auch hier das individuelle Glück und das Selbstwertgefühl an der Anerkennung von Vertreter*innen des begehrten Geschlechts festgemacht. Auch sie sehen sich nicht in der Lage, den eigenen Körper zu lieben, und glauben, sie hätten die »genetische Lotterie« verloren. Im Unterschied zu Incels haben Femcels jedoch stellenweise durchaus Recht in ihrer Welterklärung: nach wie vor wird Mädchen vermittelt, dass ihr Äußeres weit eher ihr Kapital ist als ihre Intelligenz oder ihre Persönlichkeit. Entgegen der herrschenden Incel-Vorstellungen wird Unattraktivität bei Frauen und Mädchen gesellschaftlich wesentlich harscher sanktioniert als bei Männern. Eine milliardenschwere Industrie basiert darauf, Frauen zu suggerieren, dass sie nie attraktiv genug sein können, und schlägt Kapital aus weiblichen Selbstzweifeln. Während in Filmen, Serien und Pornos inzwischen auch der unattraktive Loser als Love Interest fungieren kann, sind Protagonistinnen immer normschön. Zwar dürfen inzwischen auch hin und wieder dicke Frauen wie Rebel Wilson Protagonistin eines Films mit romantischem Plot sein, aber auch nur, wenn es attraktive dicke Frauen wie Wilson sind. Und auch das ist eher die Ausnahme als die Regel. Femcels kritisieren gängige Schönheitsideale und befassen sich kritisch mit der Misogynie der Incel-Community. Während der Opferstatus von Incels größtenteils imaginiert ist, haben Femcels legitime Standpunkte in ihrem Denken – leider verbleiben sie, anstatt von ihrem Leid auf eine feministische Gesellschaftskritik zu abstrahieren, oftmals beim Suhlen im Elend. Über 23.000 Frauen haben die sogenannte »Pinkpill« geschluckt.
Das Subreddit r/Incelswithouthate mit 23.100 Abonnenten behauptet von sich, eine »positive und hilfsbereite« Community bieten zu wollen. Die Gruppenregeln unterbinden es, andere für das eigene Leid verantwortlich zu machen. Tatsächlich hält sich das Artikulieren von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in Grenzen, doch auch die Incels ohne Hass sind Anhänger der Blackpill-Ideologie. Selbsthass und Opferdenken ziehen sich durch den Großteil der veröffentlichten Beiträge. Meiner Ansicht nach ist es unmöglich, die Blackpill-Weltsicht zu vertreten, ohne misogyn zu sein: das patriarchale Anspruchsdenken, man hätte ein Recht auf Sex, die