Incels. Veronika Kracher

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Incels - Veronika Kracher

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Sexualität, von der man sich verhöhnt und verfolgt fühlt, sind letztendlich im Kern frauenfeindlich35; Frauen werden nach wie vor primär als Projektionsflächen für die eigenen Neurosen, nicht jedoch als Subjekte betrachtet. Dennoch ist der Umgang miteinander ein gutes Stück freundlicher und auch wenn man dem Glauben anhängt, Frauen würden nun einmal nur attraktive Männer begehren, verfällt man immerhin nicht in Vernichtungsfantasien. Es handelt sich um junge Männer, die sich eine Partnerin wünschen und darunter leiden, keine zu haben, aber die Frauen nicht dafür bestrafen wollen. Wenn es einem der Incels without hate gelingt, eine Freundin zu finden und er darüber schreibt, zeigen sich die anderen Mitglieder begeistert, anstatt den User zu beschimpfen, wie es auf radikaleren Foren der Fall ist. Mir zumindest erschließt sich jedoch nicht, wieso man nach all den Attentaten, die von Incels verübt worden sind, und der Tatsache, dass man sich die Szene mit zehntausenden Männern teilt, die Vergewaltigung und Mord als legitime Racheakte begreifen, eine Ehrenrettung des Begriffs »Incel« anstreben möchte. Es ist, als würde man ein KKK-Chapter »without hate« gründen wollen. Die User behaupten, dass die meisten Incels Menschen wie Elliot Rodger oder Alek Minassian ablehnen, obwohl das Incels without hate-Subreddit deutlich weniger Userzahlen verzeichnet als das ursprüngliche Incel-Subreddit mit zuletzt 40.000 Mitgliedern, Braincels hatte zum Zeitpunkt seiner Schließung knapp 17.000 User. Leider ist es mitnichten so, als wären die weniger radikalen Incels in der Mehrheit. Incels mögen zwar als Selbsthilfegruppe begonnen haben, sind aber inzwischen unwiederbringlich zu einem toxischen, misogynen, kultartigen Sumpf geworden, aus dem es sich nur mit großer Anstrengung entkommen lässt.

      Eine weitere Plattform, auf der sich Incels austauschen, ist der Chat-Server Discord. Foren haben in der Regel ihre eigenen Discord-Channel, des Weiteren existierten zum Zeitpunkt dieser Recherche 75 Server in unterschiedlicher Größe, die mit dem Tag »Incel« versehen sind. Der Tonfall dort ist der gleiche wie in den Foren; allerdings sind die Server um einiges regelloser und die Kommunikation verläuft, da es sich um einen Chat handelt, schneller. Da die Server klandestiner sind als Foren, scheint auch die Hemmschwelle, Gewaltfantasien und menschenverachtende Kommentare zu posten, geringer. Auf Incel-Discords huldigt man Frauenmördern wie Ted Bundy oder erfreut sich gemeinsam an Terroranschlägen, erzählt offen von dem Wunsch, Frauen zu vergewaltigen, teilt grenzwertige Hentai (ich habe einmal den Fehler gemacht, auf eines der Bilder zu klicken, und durfte mir einen pornographischen Manga ansehen, in dem eine Frau von mehreren Hengsten vergewaltigt wurde) oder berichtet stellenweise sogar davon, diese Wünsche aktiv umgesetzt und Frauen sexuelle Gewalt angetan zu haben. Sich auch nur für eine kurze Zeit auf den Servern aufzuhalten, ist wie in einem Gewitter aus frauenfeindlichen, rassistischen und antisemitischen Hassbotschaften zu stehen, die unaufhörlich auf die Leserin einprasseln.

      Zudem existieren noch Imageboards wie 4chan oder 8kun, ihr deutscher Ableger Kohlchan und das rechte Trollforum Kiwifarms, zu deren Usern auch Incels zählen. Das Board 4chan wurde 2003 gegründet und war primär ein Board für Anime-Kultur mit einem besonderen Fokus auf »Free Speech«. »Free Speech« bedeutete in diesem Fall, das N-Wort verwenden und Bilder vergewaltigter Anime-Mädchen posten zu können, ohne dafür von Eltern, Lehrkräften oder der nervigen feministischen Mitschülerin zur Rechenschaft gezogen zu werden. 4chan bildet den Ursprungsort zahlreicher Memes und war, obwohl von Anfang an das Online-Äquivalent eines nach Sperma und ungewaschenen Socken stinkenden Pennälerzimmers mit der Aufschrift »Mädchen draußen bleiben!«, lange Zeit noch nicht die Brutstätte rechter politischer Kampagnen, die es heute ist. Maßgeblich zur Radikalisierung nach rechts beigetragen haben die misogyne Gamergate-Kampagne, eine frauenfeindliche Schmierenkampagne gegen Frauen aus der Videospiel-Branche, auf die ich im Laufe des Buches noch genauer eingehen werde, und der Wahlkampf Donald Trumps, im Zuge derer sich das Forum, vor allem das Unterforum politically incorrect, und seine User zunehmend nach rechts radikalisierten.

      Die noch radikalere Variante 4chans stellt das Board 8chan dar. Der Gründer, Fredrick Brennan, hatte das Board als Reaktion auf eine zunehmende Popularisierung 4chans gegründet, um einen noch anarchischeren Tummelplatz im Internet zu schaffen. Dass sich das Board jedoch zu einem Ort entwickelte, an dem gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit noch offener vertreten wird als auf 4chan, und bald zu einer der Online-Anlaufstellen für Rechtsterroristen wurde, bereut Brennan inzwischen zutiefst. Er ist nicht mehr am Board beteiligt und geht inzwischen auch aktiv gegen den aktuellen Betreiber vor.36 Nicht nur verbreitete Brenton Tarrant, der Attentäter von Christchurch, sein Manifest und den Livestream seines Massakers an 51 Menschen muslimischen Glaubens auf 8chan, auch die Täter der Attentate von Poway (April 2019) und El Paso (August 2019) publizierten ihre Texte auf dem Imageboard, das kurz danach abgeschaltet wurde. Inzwischen ist es jedoch unter dem Namen 8kun wieder online – die Frage ist nur, wie lange noch.

      Der Habitus und die Diskussionskultur der »chan-Boards« ist, wie es die Kulturwissenschaftlerin Angela Nagle beschreibt, auf »Moral Transgression« angelegt, »moralische Grenzüberschreitung«. Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit jeder Art wird hier zum vermeintlich ironischen Witz, um »Normies zu triggern«, also all jene, die sich nicht in jener eigenwilligen Online-Sphäre verorten. Permanent wird mit Antisemitismus, Rassismus, LGBTQ-Feindlichkeit und Misogynie kokettiert und jegliche Kritik damit abgewehrt, dass es sich nun einmal um einen nihilistischen Witz handele. Der Ton ist von Zynismus und Abwertung geprägt, man bezeichnet sich gegenseitig gerne mal als »Fag«, das Zurschaustellen emotionaler Verwundbarkeit wird mit Hohn sanktioniert. User haben eine eigene Sprache, die aus zahlreichen Memes und Codes besteht, eine fiktive Nation namens »Kekistan« und einen auf Pepe the Frog basierenden, religionsartigen Kult entwickelt.

      Das deutsche Äquivalent der Seite ist Kohlchan, das sich, wie so vieles Deutsche, durch eine besondere Abscheulichkeit auszeichnet. Die Recherche in diesen Foren ist noch befremdlicher als in den englischsprachigen, was daran liegen mag, dass die User, Neonazis die sie sind, ganz bewusst auf Anglizismen verzichten, gleichzeitig aber den Sprachduktus der internationalen Boards beibehalten, statt »Anon« nennt man sich »Bernd«. Als Header wird unter anderem ein Reichsadler verwendet, und die Postings könnten aus einem x-beliebigen Naziforum stammen. Der eine predigt antisemitische Verschwörungstheorien, der Nächste ergießt sich in rassistischen Hassfantasien, der Dritte lamentiert darüber, eine transgeschlechtliche Tochter zu haben – die Ratschläge der anderen User sind übrigens, das Kind mit aller Gewalt davon abzuhalten, ein glückliches Leben als Mädchen zu leben. Wieder andere sprechen davon, wie sie Prostituierten Gewalt angetan haben. Außerdem kam der Großteil der Aktionen und Mobbing-Kampagnen gegen den als »Drachenlord« bekannten YouTuber Rainer Winkler aus Kohlchan-Kreisen.

      Weil rechtsradikales Denken und Frauenhass immer Hand in Hand gehen, werden zahlreiche Beiträge mit den Bildern nackter Frauen geschmückt, es gibt ein eigenes Forum für – oft gewalttätige – Pornographie, und in regelmäßigen Abständen greift man Frauen wie Dunja Hayali, Carola Rackete oder auch mich an.

      Nichts an dem Geschriebenen wirkt empathisch oder aufrichtig, jede einzelne Silbe ist getränkt mit einer zwanghaften ironischen Distanz zur eigenen Umwelt und zu den anderen Usern. User erniedrigen andere, um sich selbst zu erhöhen, auch innerhalb der Forum-Strukturen. Die User schreiben von sich selbst in der dritten Person (»Dieser Bernd hört gerne Videospielmusik«), was auf eine Distanzierung von sich selbst hindeuten könnte. Wie bei allen chan-Boards ist unklar, was Getrolle ist und was ernst gemeint – mit diesem Habitus der Ironie bringt man sich auch selbst in Sicherheit; man will niemanden wirklich ins Gas stecken, es ist ja alles nur ein Witz. Hab’ dich nicht so, du Normie. Es ist unmöglich, Gefühle zu artikulieren, ohne dafür als »cringy« verlacht zu werden. Der Begriff »cringe« beschreibt im Bezug auf die chan-Szene, wie es die YouTuberin und Wissenschaftlerin Natalie Wynn auf ihrem Kanal »Contrapoints« analysiert, eine Mischung aus Fremdscham und unangenehmer Selbsterkenntnis. Man würde sich, so Wynn, in dem verhöhnten Objekt selbst erkennen, welches anschließend in einem Akt pathisch-projektiver Verfolgung abgestraft werden muss. Diese fast schon gewalttätige Abspaltung von Gefühlen ist etwas, was für eine Täterwerdung unerlässlich ist; diesen Sachverhalt werde ich in einem späteren Kapitel

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