Incels. Veronika Kracher

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Incels - Veronika Kracher

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wie schlimm Frauen seien.

      Das Ganze wird untermalt mit einer Vorstellung permanenter Selbstoptimierung. Es geht darum, das »Game« zu gewinnen. In einer Welt, in der Männern von Grund auf die schlechteren Karten ausgeteilt worden sind, müsse man eben lernen, dieses Spiel trotzdem zu den eigenen Gunsten entscheiden zu können – und das gelingt, indem man eben zu einem chauvinistischen, rücksichtslosen, manipulativem Arschloch wird. Großes Vorbild der MGTOW-Bewegung ist der rechtsradikale Männerrechtler Jack Donovan. Donovan war bis 2018 Mitglied der vom italienischen Faschisten Julius Evola inspirierten neopaganistischen Rockergruppe »Wolves of Vinland«. Er veranstaltet Seminare, bei denen die Teilnehmer ihre ursprüngliche Männlichkeit wiederentdecken, indem sie durch den Wald robben und Tiere erlegen, und legt eine massive Abwehr gegen alles Weibliche an den Tag. Donovan ist seit über 20 Jahren in einer Beziehung mit einem anderen Mann, bezeichnet sich aber nicht als »schwul«, sondern als »androphil«, da »schwul« für ihn Ausdruck einer verweichlichten, hedonistischen und degenerierten Szene sei. Donovans Werke, die illustre Titel wie Ein ganzerer Mann oder Nur Barbaren können sich verteidigen tragen, werden in Deutschland über den neurechten Verlag Antaois publiziert.

      Incels haben die Vorstellung, das »Game« gewinnen zu können, bereits aufgegeben. In ihrer Blackpill-Ideologie, die den Antifeminismus und die Täter-Opfer-Umkehr der Redpiller in allen Aspekten auf eine wahnhafte Spitze treibt, ist die Möglichkeit, das »Game« zu gewinnen, von Anfang an zum Scheitern verurteilt.

      Dass Frauen in den Augen von Incels oberflächlich, triebhaft und schlecht sind, wurde bereits erwähnt. Obwohl sie ganz versessen darauf sind, »das Schwanzkarussell« zu reiten, geben sie sich nicht mit einem x-beliebigen Mann zufrieden. Genügen kann nämlich nur ein »Chad«, der nichts anderes ist als eine Klischeezeichung von Hypermaskulinität, ein Quarterback aus einem High-School-Film.

      Obwohl Chads nur 20 Prozent der Männer ausmachen, haben sie die sexuelle Verfügung über ausnahmslos alle Frauen, die kämen nämlich niemals auf die Idee, ihre Aufmerksamkeit an einen Nicht-Chad zu verschwenden.

      Incels teilen Menschen auf einer »Attraktivitätsskala« von eins bis zehn ein; attraktive Frauen nennen sie »Stacys«, eine durchschnittlich attraktive Frau trägt den Namen »Becky«. Hätten früher Frauen mit einem Partner ihres »Attraktivitätslevels« verkehrt, ihrem sogenannten »Looksmatch«, seien durch den Feminismus ihre Ansprüche ins derart Unermessliche gestiegen, dass nur ein Chad ihnen genügen kann. Deswegen, so die logische Konklusion, reißen sich nun alle Frauen der Welt um Chads, während für den Durchschnittsmann nur noch Frauen übrig bleiben, die ihren »sexuellen Marktwert« aufgebraucht haben, also zu alt und verbraucht sind, um von Chads begehrt zu werden.

      Für Incels ist die binnenmännliche Hierarchie primär auf Attraktivität aufgebaut; mit Attraktivität geht all das einher, was die australische Geschlechterforscherin Raewyn Connell als »hegemoniale Männlichkeit« analysiert: Hegemoniale Männlichkeit ist »jene Form von Männlichkeit, die in einer gegebenen Struktur des Geschlechterverhältnisses die bestimmende Position einnimmt, eine Position allerdings, die jederzeit in Frage gestellt werden kann«.29 Hegemoniale Männlichkeit soll die Dominanz von Männern untereinander, gleichzeitig die Herrschaft aller Männer über alle Frauen gewährleisten. Mit Attraktivität geht für Incels gleichzeitig immer Erfolg, Vermögen und auch Potenz und Virilität einher. Sind die Männer unattraktiv, können sie Frauen zwar durch Reichtum für sich begeistern, die Frau wird es jedoch immer nach einem Chad verlangen. Incels selbst betrachten sich als Verlierer der »genetischen Lotterie« und sehen sich demzufolge am untersten Ende der Männlichkeitskette. Sie haben keine Chance, jemals von Frauen geliebt zu werden oder außerhalb von Pornos eine Vulva zu Gesicht zu bekommen, da ihr Augenwinkel die falsche Form hat, ihr Handgelenk zu schmal ist, sie zu klein oder zu dick oder zu behaart respektive glatzköpfig sind. Incels betrachten sich als Ausgeburten der Abnormalität, als Zwillingsbruder von Gollum, und deswegen ist für sie in einer von Attraktivität bestimmten Gesellschaft der Zug zu Liebe und Glück schon längst abgefahren. Da Aussehen primär von der Knochenstruktur bestimmt wird, so Incels, ist ihr Martyrium auch nicht zu überwinden.

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       Eine Grafik, die das Prinzip »Looksmatching« veranschaulicht

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       Ein Incel-Meme zur Bedeutung der Knochenstruktur für das Aussehen

      Humor, Intelligenz, Warmherzigkeit, Charme, all das ist in der Incel-Wahnwelt für Frauen irrelevant, deren einziges Interesse darin besteht, dass ein Mann einen kantigen Kiefer, eine Körpergröße von mindestens 1,85, einen stechenden Blick, ausgeprägte Muskeln und einen großen Penis hat. Darüber hinausgehend hat nichts für Frauen Relevanz; ihr ganzes Leben ist darauf ausgerichtet, »das Schwanzkarussell zu reiten«.

      Zwar gibt es einige Incels, die versuchen, ihre Probleme durch sogenanntes »Looksmaxxing« zu lösen, also versuchen, durch Sport, Mode und plastische Chirurgie ihre Chancen zu verbessern, daneben gibt es jedoch auch die sogenannten »Truecels«. Die sich selbst als »Truecels« bezeichnenden, wahren Incels haben das alles als vergebliche Liebesmühe erkannt, denn: eine Frau ist schlicht nicht in der Lage, einen Mann zu lieben, der nicht wie Idris Elba aussieht. Für Incels stand ein glückliches und erfülltes Leben einfach nie zur Debatte. Deshalb verschreibt man sich der Blackpill, suhlt sich im eigenen Elend, und findet Triebabfuhr in den Echokammern des Internets, in denen man sich darüber austauscht, wie unfair die Welt im Allgemeinen und Frauen im Besonderen doch sind.

      Dass ihre Weltsicht von Neurosen, Kränkungen, gesellschaftlich vermitteltem Frauenhass, Selbstzweifel und Paranoia bestimmt und, milde ausgedrückt, vollkommen wahnhaft ist, wollen Incels nicht begreifen. Wie alle Verschwörungsdenker sind sie in einer totalitär in sich geschlossenen, ideologischen Blase gefangen, die sich durch rationale Argumentation nicht penetrieren lässt. Und wie alle Verschwörungsdenker halten sich Incels für die einzig Aufgeklärten, für diejenigen, die die Welt so sehen, wie sie wahrhaft ist. Sie verachten Geisteswissenschaften, sehen sich selbst als rational und logisch Denkende und versuchen ihre Ideologie unter dem Begriff der »Scientific Blackpill« mit Pseudowissenschaft zu untermauern. Die »Scientific Blackpill« hat einen eigenen, mehrere hundert Beiträge umfassenden Bereich im Incel-Wikipedia und erklärt, wieso der paranoid gefärbte Hass auf Frauen eigentlich etwas total vernünftiges ist. Dabei bedient man sich so gut wie ausschließlich halbgarer Evolutionspsychologie und -biologie, denn nicht das Sein bestimmt das Bewusstsein, sondern zwischenmenschliche Verhaltensmuster aus der Steinzeit, über die man natürlich auch bestens und unzweifelhaft Bescheid weiß.

      Frauen würden anstatt liebevoller Partner narzisstische und brutale Männer präferieren, da rücksichtslose Männer schon immer besseren Schutz und mehr Nahrung gewährleisten konnten und sich diese pseudowissenschaftlichen Steinzeit-Mythen natürlich immer noch auf die Dating-Präferenzen auswirken. Dass das Patriarchat sich in missbräulichen Beziehungen ausdrückt und Frauen missbräuchliche Partnerschaften eingehen, da ihnen sämtliches Gefühl von Selbstwert und Selbstermächtigung genommen wurde, liege in der Biologie begründet und nicht in einer Gesellschaft, in der Gewalt gegen Frauen systematisch ist! Es sei normal, dass Männer jugendliche und präpubertäre (!!) Mädchen begehren, weil Männer historisch gesehen »Frauen monopolisiert haben um sexuelle Exklusivität zu garantieren«, weshalb Männer »sich entwickelt haben, jugendliche, submissive und einfach zu kontrollierende Weibchen [zu] präferieren«30.

      Anstatt mit wissenschaftlichen Fakten werden Zusammenhänge aus dem Kontext gerissen und aus der Brille der Blackpill verklärt: so wird Frauen zugeschrieben, dass ihre einzige Angst vor der Vergewaltigung »die urtümliche Angst davor ist, von einem als ‚unterlegen’ wahrgenommenen Mann geschwängert zu werden«.31

      Die Tatsache,

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