Palast aus Gold und Tränen. Christian Handel

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Palast aus Gold und Tränen - Christian Handel

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wäre nur für eine Weile. Und du weißt, was du mir bedeutest, auch ohne dass ich dir das ständig zeigen muss.«

      »Soll das heißen, das hier würde dir gar nicht fehlen?«, fragte ich unschuldig und begann, an ihrem Ohrläppchen zu knabbern.

      Rose drehte ihren Kopf und blickte mich mit funkelnden Augen an.

      »Du Biest!«

      Langsam beugte sie sich mit ihrem Gesicht näher und näher, öffnete die Lippen – und verzog sie zu einem spöttischen Lächeln. »Du weißt genau, wie sehr ich dich liebe.« Sie wich zurück. »Aber ich kann mich beherrschen.«

      Ich musste lachen und spürte, wie sich der Druck auf meiner Brust langsam verflüchtigte. Gemeinsam würde uns schon etwas einfallen, wie ich diese verfluchten Symbole wieder loswurde. Irina würde wissen, was zu tun war.

      »Vielleicht sollten wir das Grimoire bei Irina lassen.«

      »Vielleicht …« Rose klang nicht überzeugt. »Hältst du es wirklich für eine gute Idee, das Buch bei einer wie ihr zu lassen?«

      »Irina wirkt weiße Magie.«

      »Letztes Jahr um diese Zeit hätte ich gesagt, so etwas wie weiße und schwarze Magie gibt es nicht. Sondern nur Magie. Dass es keinen Unterschied macht, ob sich jemand als Hexe, Zauberin, Fluchbringer oder Magier bezeichnet.«

      »Bevor du erfahren hast, dass meine Mutter eine Selkie war.« Meine Stimme klang traurig.

      Rose lehnte ihren Kopf an meinen.

      »Ich liebe dich deshalb nicht weniger, das musst du mir glauben.« Sie seufzte tief. »Damals war die Welt … einfacher.«

      »Sie war nicht einfacher, Rose. Es kam dir nur so vor.«

      »Ich weiß«, sagte sie, und dann schwiegen wir eine Weile.

      »Es ist nur …« Sie schlug die Decke zurück und setzte sich mit untergeschlagenen Beinen aufs Bett, mir gegenüber, damit sie mir direkt in die Augen sehen konnte. »Seit wir im Haus der Hexe waren. Seit deinen Visionen. Du … es gefällt dir, mit der Magie zu experimentieren, habe ich recht?«

      Rose’ rote Locken reflektierten das Licht der Kerze auf dem Nachttisch. Ihr Gesicht schien selbst wie in Flammen getaucht und die Sommersprossen auf ihrer Nase und ihren Wangen hoben sich deutlich von der sonnengebräunten Haut ab.

      Unschlüssig zupfte ich mit den Fingern an einem der Bänder um mein Handgelenk, ließ das aber gleich wieder bleiben, als es sich zu lösen drohte.

      »Als ich Orkney verlassen habe, dachte ich, ich könnte alles hinter mir zurücklassen. All die traurigen Erinnerungen. An meine Mutter, die gegangen ist. An meinen Vater, der ihr auf seine Art folgte. An Tante Raelyn, für die ich einfach nicht die Tochter sein konnte, die sie sich wünschte.« Ich griff nach ihrer Hand. »Eine Zeit lang ist mir das gelungen. Ich habe ein neues Leben begonnen. Mit dir habe ich endlich die Familie gefunden, von der ich immer geträumt habe.«

      Rose lächelte und ich drückte ihre Hand fester.

      »An jenem Morgen auf dem Grundstück der Hexe, als ich meinen ersten Zauber seit Jahren gewebt habe … Ich habe es nicht sofort bemerkt, aber inzwischen weiß ich, dass ich nicht nur die schlechten Erinnerungen in Orkney zurückgelassen habe, sondern auch die guten.

      Ich weiß, ich habe oft davon erzählt, wie wütend ich auf meine Mutter bin. Weil ihr das Meer wichtiger war als ihr kleines Mädchen. Doch damals am Strand, Rose … Wenn sie sicher war, dass uns niemand beobachten konnte, brachte sie Muschelschalen dazu, vor uns im Kreis zu tanzen, und färbte durch einen Handstreich und einen gemurmelten Zauber die Federn einer Möwe von weiß zu rosa. Um mich zum Lachen zu bringen. Es lag nichts Arglistiges in ihrer Magie.«

      »Und du meinst, der Möwe hat es gefallen, rosafarbene Federn zu besitzen?«

      »Es war doch nur für ein paar Augenblicke«, sagte ich und zog mich von ihr zurück. »Vielleicht habe ich es auch schlecht erklärt.«

      »Tut mir leid, wenn ich den Finger in die Wunde lege, Mui­reann. Aber es ist längst an der Zeit, dass wir darüber sprechen. Früher sind wir nur mit Messern und Bögen auf Jagd gegangen. Den letzten Mühlenkobold hast du mit einem deiner Sprüche aus seinem Versteck getrieben.«

      »Und es hat uns eine Menge Zeit gespart.«

      Rose nickte. »Das hat es. Aber es fühlt sich falsch an, die Dinge so zu erledigen, wenn wir eigentlich diejenigen sind, die Monster, Hexen und Dämonen jagen. Wenn wir uns ihre Methoden zu eigen machen …«

      »Gegen einen Schutzkreis hast du allerdings ganz und gar nichts«, unterbrach ich sie beleidigt.

      Sie ließ den Kopf hängen. »Da hast du wohl recht. Vielleicht sollten wir auf ihn künftig ebenfalls verzichten.« Sie fuhr sich unschlüssig durchs Haar. »Er erschien mir so harmlos.«

      »Er ist nicht nur eine Linie aus Salz, wenn es das ist, was du glaubst.« Meine Stimme klang angriffslustiger, als ich es beabsichtigt hatte. »Ohne den richtigen Spruch und den entsprechenden Einsatz von Magie wäre er vollkommen nutzlos.«

      »Vielleicht hast du recht. Vielleicht gibt es wirklich Zauberei, die nicht schadet. Aber ich mag es nicht, wenn du einfach so mit der Magie herumexperimentierst.«

      »Ich weiß genau, was ich tue.«

      »Tust du das?« Mit hochgezogenen Augenbrauen richtete sie ihren Blick auf meine Unterarme.

      »Das ist gemein«, sagte ich und zupfte verlegen an den Ärmel­säumen meines Schlafgewands. »Du warst damit einverstanden, dass wir es versuchen.«

      »Das war ich. Und es war ein Fehler.«

      In diesem Moment war ich so wütend und enttäuscht von ihr, dass ich nicht wusste, was ich darauf antworten sollte. Dabei hätte mich ihre Reaktion eigentlich nicht überraschen dürfen.

      Einen Moment später lenkte sie ein. »Vielleicht war es auch kein Fehler, Muir. Ich will mich nicht mit dir streiten. Ich gebe zu, dass uns deine kleinen Zaubertricks in den letzten Wochen oft geholfen haben. Das ändert nichts daran, dass sie mir Angst machen.«

      »Angst? Vor mir?«

      »Nicht vor dir! Um dich.«

      Sie griff wieder nach vorn und zog meine Hände in ihren Schoß. »Denk daran, was Irina gesagt hat, als wir sie das erste Mal um Hilfe gebeten haben: Magie hat immer ihren Preis.«

      »Meine Mutter hat jahrelang …«

      »Du bist aber keine Selkie.«

      Ich wollte meine Hände zurückziehen, Rose ließ jedoch nicht los. Stattdessen sah sie mir tief in die Augen. »Ihr Blut mag in deinen Adern fließen. Trotzdem bist du keine von ihnen. Du bist ein Mensch. Und jeden Zauber, den du sprichst, bezahlst du mit einem Stück deiner selbst.«

      Dem konnte ich nichts entgegensetzen. Nicht viele Menschen konnten Magie wirken. Die, die es taten, wurden vor ihrer Zeit alt und welk, bekamen schmerzende Buckel, triefende Nasen und wässrige Augen. Die Magie war das Feuer, das sie nach und nach auffraß. Es war die eigene Lebensenergie, mit der ein Magiewirker für jeden Spruch

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