Palast aus Gold und Tränen. Christian Handel

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Palast aus Gold und Tränen - Christian Handel

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Sie stahlen die Energie anderer. Sie bluteten Kinder aus, um durch fremdes Leben selbst jung und schön zu bleiben. Wie es die Hexe getan hatte, deren Grimoire bei uns in der Dachkammer lag. Wie ich es aber nie, nie, niemals tun würde. Was bedeutete: Wenn ich Magie einsetzte, alterte ich ein winziges Stückchen schneller, als es die Natur vorsah.

      »Ich will dich nicht verlieren«, flüsterte Rose kläglich. »Nicht deshalb.«

      Und mit diesen Worten verlosch meine Wut.

      »Ich wollte dir keine Angst machen.«

      Sie zog mich in ihre Arme und ich vergrub meinen Kopf in ihren Haaren. Normalerweise rochen sie nach Kamille und Frühling. Jetzt hing noch der Rauch der verbrannten Mondraute darin.

      »Ich will dir doch gar nicht verbieten, dich mit deinem Erbe auseinanderzusetzen.« Sie streichelte mir sanft über den Rücken. »Ich wünschte mir nur, du würdest dich bei der Jagd wieder etwas mehr auf deinen Silberdolch verlassen und etwas weniger auf deine Magie.«

      Ich wagte nicht zu antworten, weil ich nicht genau wusste, was ich sagen sollte. Ich wollte Rose nicht anlügen. Einen Moment lang verharrten wir in unserer Umarmung, dann lösten wir uns langsam voneinander.

      »Es ist spät, wir sollten versuchen zu schlafen.«

      Ich nickte und ließ mich zurück in mein Kissen fallen.

      Rose stand noch einmal auf, um das Fenster einen Spalt zu öffnen, damit frische Luft und die Kühle der Nacht in die Dachkammer strömen konnten.

      »Was hältst du davon, wenn ich dich wieder im Stabkampf unterrichte?«, fragte sie, während sie unter die Decke schlüpfte.

      Ich zog eine Grimasse. »Das lassen wir lieber. Darin war ich nie sonderlich gut.«

      Rose kicherte. »Das kann man so nicht sagen. Da musst du dir nur die Narbe ansehen, die ich von unserer letzten Kampfstunde zurückbehalten habe.«

      Die sichelförmige Narbe an ihrer linken Schulter verdankte Rose nicht meinem Kampfgeschick. Als ich sie während einer unserer Übungsrunden einen Waldhügel hinunterjagte, war ich auf nassem Laub ausgerutscht und der Länge nach hingefallen. Den Kampfstab hatte ich dabei dummerweise nicht losgelassen und Rose mit der harten Kante seines oberen Endes die Haut auf dem Rücken aufgerissen. Sie musste mit vier Stichen genäht werden. Und es war die einzige ernsthafte Wunde, die ich ihr beim Stockkampf jemals zugefügt hatte.

      »Wir können gern morgen gegeneinander antreten, wenn du Lust auf weitere Narben hast.« Spielerisch boxte ich ihr gegen die Schulter. Dabei rutschte mein Hemdsärmel nach hinten. Die blauen Tinten­linien auf meinem Unterarm bewegten sich nun nicht mehr so schnell, schienen jedoch dunkler geworden zu sein. Täuschte ich mich, oder ging ein sanftes Glühen von ihnen aus? Als ich Rose anblickte, erkannte ich, dass sie es auch bemerkte. Ich schluckte. Rose sammelte sich als Erste und zog mir energisch wieder den Stoff über den Arm.

      »Morgen gehen wir als Erstes zu Irina«, sagte sie. »Schlaf jetzt, und mach dir keine Sorgen mehr.«

      Das war freilich unmöglich.

      Trotzdem ließ ich es dabei bewenden und erwiderte nicht mehr als »Gute Nacht«, als sie mir einen Kuss auf die Wange hauchte. Danach beugte sich Rose über mich, um die Kerze auf dem Nachtschränkchen auszublasen, und zog mich fest in ihre Arme. Mein Kopf lag an ihrer Brust und ich konnte ihren schnellen Herzschlag hören.

      In dieser Nacht träumte ich das erste Mal von Schnee.

      Das Frühstück mit der Ziege

      Am nächsten Morgen waren die Tintensymbole immer noch da. Mit einem Seufzen schlüpfte ich in ein violett eingefärbtes Leinenhemd, dessen Ärmel eng anlagen und so meine Unterarme bedeckten. Die roten Bänder versteckte ich so gut wie möglich unter den Bünden. Beim Waschen hatte ich sorgfältig darauf geachtet, sie nicht mit Wasser zu benetzen, auch wenn ich keine Ahnung hatte, ob das wirklich nötig war. Dann gingen Rose und ich nach unten, um ihrer Familie bei der Hofarbeit zu helfen. Normalerweise liefen wir jeden Morgen einige Meilen, um in Form zu bleiben. Bei der Dämonenjagd kam es oft darauf an, schnell zu sein, und ich hatte keine Lust, mich von einem Moorgeist fressen zu lassen, weil ich aus Bequemlichkeit meine Körperertüchtigung einmal zu oft hatte ausfallen lassen.

      Weil wir nicht wussten, wie die Symbole auf meinen Armen auf körperliche Anstrengung reagieren würden, beschlossen wir dennoch, heute eine Ausnahme zu machen. Die Arbeit auf dem Gehöft war vermutlich ohnehin ein angemessener Ersatz. Zumindest für Rose, die losging, die Kühe zu melken und dann ihrem Vater und zwei ihrer Brüder zur Hand zu gehen. Ich ging in den Hühnerstall, um die Tiere in die eingezäunte Freifläche auf der Obstwiese zu lassen, ihren Wasser- und Futtertrog aufzufüllen und nach frisch gelegten Eiern zu suchen.

      Mit einem Dutzend Eiern kehrte ich ins Haus zurück. Helene stand am großen Tisch in der Wohnküche und schnitt Brot in Scheiben. Hinter ihr auf dem Herd stand eine Kupferkanne, in der sie Wasser erhitzte. In einem weich gepolsterten Schaukelstuhl am Fenster saß Ursula, Eckharts Frau, ihren neugeborenen Sohn an die Brust gedrückt. Sie schien über dem Stillen eingeschlafen zu sein.

      Helene drehte den Kopf in meine Richtung, als ich hereinkam, und lächelte mich an. »Guten Morgen. Hast du gut geschlafen?«

      Das hatte ich nicht, aber das konnte ich ihr kaum sagen. Also quälte ich mir ein Lächeln ins Gesicht, eilte quer durch den Raum und öffnete die Tür zur kleinen Vorratskammer, wo ich die Eier in einem Weidenkorb verstaute.

      Danach ging ich zum Schrank, um erst einige Holzbretter und Besteck hervorzuholen, danach ein Glas von Helenes selbst gemachtem Mus. Die Butter holte ich aus dem Keller, in den man durch eine außerhalb des Hauses angebrachte Luke kam.

      Ich war gerade dabei, eine Rübe in Scheiben zu schneiden, als lärmend die Tür aufflog und unter großem Gelächter Rose und ihre Brüder in die Wohnküche stolperten. Lasse, Rose’ jüngster Bruder, hing an ihrem Arm und ließ sich von ihr hinterherschleifen. Er war vor Kurzem zehn geworden, das jüngste Kind von Lennard und Helene, ein Nachzügler.

      »Jetzt sag schon, Rosalie«, bettelte er. »Wie habt ihr den Bergtroll besiegt?«

      »Nicht so laut!«, herrschte ihn Ursula an, die offenbar doch wach war. »Die Kinder sind noch im Bett. Und das Kleine ist gerade endlich eingeschlafen.«

      Die Männer wurden augenblicklich leiser. Rose verdrehte die Augen.

      »Schon gut«, sagte sie mit gesenkter Stimme. »Du musst deshalb nicht so einen Aufstand machen.« Sie setzte Lasse auf dem Boden ab und strubbelte ihm durch die Haare. »Ich erzähl’ es dir später, versprochen.«

      »Ach nein, erzähl es jetzt. Bitte.«

      »Lasse«, mahnte nun auch seine Mutter streng. Mehr musste sie nicht sagen. Gehorsam, wenn auch unzufrieden, fügte er sich in sein Schicksal und schlurfte zur Bank, um sich auf seinen Platz zu setzen.

      »Hast du dir auch die Hände gewaschen?« fragte Helene.

      »Freilich!«, erklärte er entrüstet, nur um sich eine weitere spitze Bemerkung von Ursula einzufangen. Jetzt verdrehte auch ich die Augen. Es gab schon einen Grund, weshalb Rose und ihr ältester Bruder Björn Ursula nur die Ziege nannten. Wenn sie es nicht hören konnte.

      Eckhart, Rose’ mittlerer Bruder, stellte den tönernen Milchkrug ab, den

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