Palast aus Gold und Tränen. Christian Handel

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Palast aus Gold und Tränen - Christian Handel

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Merkte er nicht, was für einen Besen er geheiratet hatte? Vermutlich nicht. Dass ausgerechnet diese beiden eines Tages den Hof von Lennard und Helene übernehmen würden, darüber war ich nicht gerade begeistert. Im Grunde genommen war Eckhart kein schlechter Kerl. Er war nur ein Jahr älter als Rose und stand ihr damit altersmäßig von all ihren Geschwistern am nächsten. Trotzdem war er derjenige, mit dem ich am wenigsten anfangen konnte. Und ihr ging es da genauso.

      Als Rose’ Vater Lennard in die Wohnstube kam, setzten wir uns um den großen Esstisch und begannen mit dem Frühstück.

      »Was habt ihr beide heute vor?«, fragte Lennard Rose, als wir uns dem Ende der Mahlzeit näherten.

      Rose und ich sahen uns über den Tisch hinweg an. Ich saß auf einem der Stühle, neben Helene, damit ich schnell aufstehen und zum Vorratsschrank gehen konnte, wenn etwas fehlte. Rose saß zwischen ihre beiden Brüder eingekeilt auf der Eckbank.

      »Wir werden wohl Irina einen Besuch abstatten«, sagte sie schließlich.

      Lennard hob die Augenbraue.

      »Es haben sich während unserer letzten Aufträge einige Fragen angesammelt, von denen wir hoffen, dass sie die Antwort kennt.«

      »Was für Fragen?«, wollte Lasse wissen.

      Rose verzog das Gesicht zu einer Grimasse, krümmte ihre Finger zu Krallen und stieß ein Knurren aus. »Das werde ich dir doch nicht auf die Nase binden, argloses Menschenkind.«

      Lasse blieb unbeeindruckt. »Hat es mit Hexerei zu tun?«

      Ich verschluckte mich fast an einem Bissen Brot und trank schnell etwas Milch, um nicht antworten zu müssen.

      »Oder mit Dämonen?« fragte er mit weit aufgerissenen Augen. »Ich will auch auf Dämonenjagd gehen.«

      Neben mir erstarrte Helene. Ich konnte mir vorstellen, was in ihrem Kopf vor sich ging. Das Dämonenjagen war eine ehrenhafte, wenn auch sehr gefährliche Angelegenheit. Es genügte ihr sicher, dass sie sich bereits um zwei ihrer Kinder Sorgen machen musste. Björn war schon als junger Kerl Hexenschlächter geworden, und Rose war in seine Fußstapfen getreten. Jetzt fehlte es noch, dass auch Lasse diesen Weg einschlug.

      Lennard setzte zu einer Erwiderung an, aber Ursula war schneller. »Du, ein Dämonenjäger? Letzte Woche hast du dich noch vor einer Ratte im Keller gefürchtet.«

      »Gar nicht wahr!«

      »Ursula«, mahnte Eckhart seine Frau sanft.

      »Diesen Sommer werden jedenfalls keine Dämonen gejagt, mein Lieber«, mischte sich Lennard ein. »Diesen Sommer wirst du mir auf den Feldern helfen. Bis zur Ernte ist es nicht mehr lang.«

      »Wusstest du, dass es im Zarenreich einen Korngeist gibt, der den Bauern auf den Feldern auflauert?«, fragte Rose scheinheilig. Lasse riss die Augen auf und hing an ihren Lippen.

      »Es ist ein weiblicher Geist. Man nennt ihn die Mittagsfrau. Sie trägt eine riesige Sense bei sich. Wenn die Mittagshitze am größten ist …«

      »Rosalie.« Helene trommelte bedeutungsschwanger mit ihrem Zeigefinger auf den Tisch.

      »Es ist wahr.«

      Lasse ließ sich nicht einschüchtern. »Was passiert, wenn die Mittagshitze am größten ist?«

      »Eckhart«, drängte die Ziege.

      Eckhart räusperte sich. »Musst du deine Gruselgeschichten hier am Frühstückstisch erzählen, Rosalie?«

      Ich sah, wie sich Rose’ Miene wütend verzog und sie zu einer Antwort ansetzte, aber Lennard war schneller. »Dein Bruder hat recht, Lockenköpfchen. Heb dir deine Geschichten für später auf.«

      »Es ist keine Geschichte«, schmollte Rose.

      »Wir müssen ohnehin gleich gehen.« Ich wandte mich zu Helene um. »Wir lassen dich ungern mit der ganzen Arbeit allein, nur sollten wir früh zu Irina aufbrechen. Wir wissen nicht, was sie heute geplant hat.«

      Helene lächelte warm und legte ihre Hand auf meine. »Mach dir darüber keine Gedanken. Mit dem bisschen Geschirr komme ich schon zurecht. Und Lasse wird mir helfen. Nicht wahr?«

      »Ja, Mama«, sagte dieser schicksalsergeben und biss in sein Brot. Pflaumenmus färbte die Winkel seines Mundes dunkel.

      Ich schob meinen Stuhl zurück und stand auf. Rose steckte sich schnell einen letzten Bissen Käse in den Mund, ehe sie sich über ihrem Holzbrett die Krümel von den Händen rieb und ebenfalls aufstand.

      »Zeit zum Aufbruch.«

      »Schade, dass Björn noch nicht zurück ist. Ich bin mir sicher, er hätte euch gern zu Irina begleitet.« Helenes Mundwinkel zogen sich in der Andeutung eines Lächelns nach oben.

      »Björn?«, fragte Rose misstrauisch.

      »In den letzten Wochen hat er sie das eine oder andere Mal besucht«, sagte Helene schlicht und widmete sich wieder ihrer Mahlzeit. Rose blieb überrascht im Türrahmen stehen und sah sie verwundert an. Als ihre Mutter jedoch nichts weiter hinzufügte, zuckte sie mit den Schultern und öffnete mir die Tür, die zur Treppenstiege nach oben führte. Wenn wir uns auf den Weg zu Irina machten, durften wir das Grimoire nicht vergessen.

      Die Mühlenhexe

      Irina lebte in einer stillgelegten Mühle, eine halbe Wegstunde vom Dorf entfernt. Rose und ich gingen den schmalen Pfad am Rand des Waldes entlang, der sich hinter den Feldern fächerartig über die Landschaft ausbreitete. Obwohl es so früh am Morgen war, trieb uns die Hitze den Schweiß auf die Stirn. Deshalb bewegten wir uns eng im Schatten der hohen Fichten, deren harziges Aroma schwer in der Luft hing. Das Buch steckte gut verborgen in Rose’ Schulterbeutel. Ihren Kampfstab aus Eschenholz benutzte sie wie einen Wanderstock. Wenn man einmal von meinem Silberdolch absah, war ich unbewaffnet. Über meiner Schulter hing eine ausgebeulte Leinentasche, in der sich ein halbes Dutzend Hühnereier befanden. Helene hatte sie uns überlassen, damit wir nicht mit leeren Händen an Irinas Tür erscheinen mussten. Ich hatte die Zauberin vor vier Jahren kennengelernt, als Rose sie mit mir aufgesucht hatte, damit sie uns im Kampf gegen einen Schwarzalben beistand. Damals hatten wir uns an sie gewandt, weil uns keine andere Wahl geblieben war. Während ich eine Blindschleiche dabei beobachtete, wie sie vor mir über den Weg schlängelte und dann im hohen Weidegras verschwand, wurde mir bewusst, dass die Situation heute ganz ähnlich war.

      Irina war kurz nach mir ins Dorf gekommen. Ursprünglich hatte sie nicht länger als einen Winter bleiben wollen. Inzwischen war die alte, verlassene Mühle, in die sie damals gezogen war, ihr Zuhause. Die Dorfbewohner hatten sie aufgrund ihrer Fremdartigkeit anfangs scharf beobachtet. Sie jedoch scherte sich nicht um die Meinung von Menschen, die zwar hinter ihrem Rücken über sie lästerten, aber dennoch zu ihr kamen, wenn die Not groß war. Sie flehten sie um Heiltränke an oder um Beistand bei einer schwierigen Geburt. Und Irina half, wo sie konnte.

      Sie blieb eine Einzelgängerin. Wie ich hatte sie ihr altes Leben hinter sich gelassen und hier ein neues begonnen. Vielleicht war das der Grund, weshalb ich sie ein Stück weit in mein Herz gelassen hatte. Anders als Rose, die ihr nur mit äußerster Vorsicht begegnete. Hexe bleibt Hexe, und wenn sie sich hundert Mal Zauberin nennt, hatte sie einmal gesagt. Ob sie das Gleiche jetzt auch von mir dachte?

      »Fandest

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