Der weisse Schmetterling. Walter Mosley

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Der weisse Schmetterling - Walter  Mosley Kampa Pocket

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und sogar für die Polizei. Irgendwann im Lauf der Zeit war ich in die Rolle eines V-Mannes hineingeschlittert, der Menschen vertrat, wenn das Gesetz versagte. Und das Gesetz versagte so oft, dass ich genug zu tun hatte. Manchmal versagte es sogar für die Cops.

      Als ich das letzte Mal mit Naylor zusammengearbeitet hatte, brauchte er mich, um einen Killer namens Lark Reeves aus Tijuana wegzulocken. Lark hatte sich in Compton an einem illegalen Würfelspiel beteiligt und an einen weißen Jungen namens Chi-Chi MacDonald, der sich im Milieu herumtrieb, fünfundzwanzig Dollar verloren. Als Chi-Chi sein Geld verlangte, wurde er ein bisschen zu frech, und Lark schoss ihm ins Gesicht. Die Schießerei war nichts Ungewöhnliches, aber die Farbgrenze war überschritten worden, und Quinten wusste, dass ihm der Fall eine Beförderung eintragen konnte, wenn er Lark fasste.

      In der Regel liefere ich der Polizei keinen Schwarzen ans Messer. Aber als Quinten zu mir kam, war ich auf einen besonderen Gefallen angewiesen. Es war eine Woche bevor Regina und ich heiraten wollten, und ihr Cousin Robert Henry saß wegen eines Raubüberfalls im Gefängnis. Robert hatte sich mit einem Ladenbesitzer gestritten. Er sagte, ein Liter Milch, den er bei ihm gekauft habe, sei sauer gewesen. Als ihn der Ladenbesitzer einen Lügner nannte, griff Robert einfach nach einer Dreiliterkanne und ging zur Tür. Der Händler packte Bob am Arm und rief den Kassierer zu Hilfe.

      Bob sagte: »Du hast nen Freund, was? Das geht in Ordnung, denn ich hab ein Messer.«

      Das Messer brachte Bob ins Gefängnis. Sie nannten es einen bewaffneten Raubüberfall.

      Regina liebte ihren Cousin, also machte ich Quinten ein Angebot, als er wegen Lark zu mir kam. Ich sagte ihm, ich würde in Watts ein besonderes Pokerspiel organisieren und dafür sorgen, dass Lark davon Wind bekam. Ich wusste, dass Lark einem guten Spiel nicht widerstehen konnte.

      Poker mit hohem Einsatz brachte Lark nach San Quentin. Er brachte mich nie mit den Cops in Verbindung, die das Spiel auffliegen ließen und ihn zur Identifizierung aufs Revier schleppten.

      Quinten bekam die Beförderung, weil die Cops glaubten, er habe den Daumen am Puls der schwarzen Gemeinde. Aber in Wirklichkeit hatte er nur mich. Mich und noch ein paar andere Schwarze, denen es nichts ausmachte, um ihr Leben zu würfeln. Aber nach meiner Heirat hatte ich damit aufgehört, solche Risiken einzugehen. Ich war kein Spitzel für die Cops mehr.

      »Ich weiß nix über tote Frauen, Mann. Glauben Se nich, ich hätt’s Ihnen schon gesteckt, wenn ich nen Schimmer hätt? Glauben Se nich, ich hätt was dagegen, dass einer schwarze Frauen abmurkst? Hören Se, ich hab bei mir zu Haus ne hübsche junge Frau …«

      »Ihr passiert nichts.«

      »Woher wolln Se das wissen?« Ich spürte den Puls in den Schläfen.

      »Der Mann bringt leichte Mädchen um. Er hat es nicht auf eine Krankenschwester abgesehen.«

      »Regina arbeitet. Manchmal kommt sie nachts aus dem Krankenhaus heim. Der könnte ihr auflauern.«

      »Deshalb brauche ich Ihre Hilfe, Easy.«

      Ich schüttelte den Kopf. »Nö, Mann. Kann Ihnen nich helfen. Was könnt ich schon machen?«

      Meine Frage brachte Naylor aus der Fassung. »Helfen Sie uns«, sagte er schwach.

      Er war ratlos. Er wollte, dass ich ihm sagte, was er tun sollte, denn die Polizei wusste nicht, wie sie einen Mörder fassen sollte, aus dem sie nicht schlau wurde. Sie wussten, was zu tun war, wenn ein Mann seine Frau umbrachte oder ein Kredithai Schulden auf eine üble Weise eintrieb. Sie wussten, wie sie Zeugen verhören mussten, weiße Zeugen. Quinten Naylor war zwar schwarz, aber das brachte ihm beim harten Kern im Viertel Watts keine Sympathien ein; bei der Clique, die von allen »The Element« genannt wurde.

      »Was ham Se denn bis jetzt?«, fragte ich, vor allem, weil er mir leidtat.

      »Nichts. Sie wissen alles, was ich weiß.«

      »Ham Se ne Sondereinheit, die dran arbeitet?«

      »Nein. Bloß ich.«

      Die Autos, die auf den fernen Straßen vorbeifuhren, surrten in meinen Ohren wie hungrige Moskitos.

      »Drei tote Frauen«, sagte ich. »Und die konnten nur Sie auf die Beine bringen?«

      »Hobbes arbeitet mit mir daran.«

      Ich schüttelte den Kopf, wünschte mir, ich könnte den Boden unter meinen Füßen zum Erbeben bringen.

      »Ich kann Ihnen nich helfen, Mann«, sagte ich.

      »Jemand muss helfen. Wer weiß, wie viele Frauen sonst sterben?«

      »Vielleicht kriegt Ihr Mann es einfach satt, Quinten.«

      »Sie müssen uns helfen, Easy.«

      »Nein, muss ich nich. Sie leben in einem Albtraum von nem Vollidioten, Mr. Polizist. Ich kann Ihnen nich helfen. Wenn ich wüsst, wie der Kerl heißt, wenn ich irgendwas wüsste. Aber Beweise sammeln is Copsache. Einer allein schafft das nicht.«

      Ich konnte sehen, wie sich die Wut in seinen Armen und Schultern sammelte. Aber statt mich zu schlagen, wandte Quinten Naylor sich ab und stolzierte zum Auto. Ich schlenderte hinter ihm her, wollte nicht neben ihm gehen. Quinten trug das Gewicht der ganzen Gemeinde auf den Schultern. Die Schwarzen mochten ihn nicht, weil er redete wie ein Weißer und den Beruf eines Weißen hatte. Die anderen Polizisten hielten sich auch auf Distanz. Ein Wahnsinniger brachte schwarze Frauen um, und Quinten war ganz allein. Niemand wollte ihm helfen, und die Frauen starben weiter.

      »Sind Sie mit von der Partie, Easy?«, fragte Roland Hobbes. Er legte seine Hand auf meine Schulter, als Naylor aufs Gas trat.

      Ich schwieg weiter, und Hobbes zog die freundliche Hand zurück. Ich hatte es eilig, nach Hause zu kommen. Ich fühlte mich schlecht, weil ich dem Polizisten einen Korb gegeben hatte. Ich fühlte mich miserabel, weil junge Frauen sterben würden. Aber ich konnte nichts tun. Ich musste mich um mein eigenes Leben kümmern – oder nicht?

      3

      Ich bat Naylor, mich an der Ecke aussteigen zu lassen, weil ich vorhatte, die letzten Schritte nach Hause zu Fuß zu gehen. Aber stattdessen stand ich da und sah mich um. Die Nacht brach ein, und ich bildete mir ein, die Leute suchten rasch Schutz vor einem Gewitter, das bald um sie herum losbrechen würde.

      Nicht alle hatten es eilig.

      Rafael Gordon hatte vor dem Avalon, einer winzigen Bar am Ende meines Blocks, gerade ein Hütchenspiel laufen. Zeppo, der Spastiker, halb Italiener, halb Schwarzer, stand an der Ecke Schmiere. Zeppo, der immer Zuckungen hatte, konnte keinen Satz zu Ende bringen, aber lauter pfeifen, als die meisten Trompeter blasen konnten.

      Ich winkte Zeppo zu, und er wackelte in meine Richtung, zog eine Grimasse und zwinkerte. Ich versuchte, Rafaels Blick einzufangen, aber er konzentrierte sich auf die beiden Schwachköpfe, die er angelockt hatte. Rafael war klein, die Hautfarbe mehr grau als braun. Die meisten Vorderzähne fehlten ihm, und das linke Auge lag tot in seiner Höhle. Die Schwachköpfe sahen Rafael an und wussten, den könnten sie übertölpeln. Und vielleicht glaubten sie, sie müssten nicht einmal bezahlen, wenn sie verloren; Rafael sah so aus, als ob er nicht einmal einem Pudel etwas zuleide tun könnte.

      Aber Rafael Gordon trug ein schwarzes Fischmesser mit Korkheft im Ärmel, und er hatte immer

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