Der weisse Schmetterling. Walter Mosley

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Der weisse Schmetterling - Walter  Mosley Kampa Pocket

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und zur Tür hinaus, schweigend und finster. Ich erinnerte mich daran, wie laut er in der letzten Nacht mit Coretta und mir gelacht hatte. Damals war sein Lachen wie Donner gewesen.

      Ich wünschte mir, ich könnte rückgängig machen, was meinem Freund widerfahren war, meinen Anteil an seiner lebenslangen Verzweiflung. Ich wünschte es mir, aber was sind schon Wünsche.

      »Andre Lavender«, sagte ich zu Rita.

      »Was haste gesagt?«

      »Andre. Kennste ihn?«

      »Mhm.«

      »Gib mir n Stück Papier.«

      Ich schrieb Andres Namen und Telefonnummer auf und sagte: »Ruf ihn an und sag, ich will, dass er herkommt und dich nachts zum Auto bringt.«

      »Der arbeitet für dich?«

      »Hab ihm mal nen Gefallen getan. Jetzt kann er dir helfen.«

      »Muss ich ihm was zahlen?«

      »Schluck Whiskey reicht.«

      Ich schob mein Glas zu ihr rüber, und sie schenkte noch mal ein.

      Jesus schlug im Verandalicht auf dem Rasen Rad. Die kleine Edna hielt sich an den Gitterstäben des Kinderbetts aufrecht. Sie lachte und quietschte über ihren stummen Bruder. Ich trat durch das Tor und hob einen Football auf, der in den Dahlienbüschen am Zaun lag. Ich pfiff, dann warf ich den Ball, als sich Jesus nach mir umdrehte. Er fing den Football, hielt ihn in einer Hand und winkte mit der anderen Edna zu, als sollte sie herkommen. Sie rüttelte an dem Gitter, hüpfte auf den Fußballen und schrie, so laut sie konnte: »Bumm!«

      Jesus trat den Ball so heftig, dass er gegen den Drahtzaun prallte. Für Großstadtkinder war das Klingeln von Stahl eine Art Musik.

      »Was is denn hier draußen los?« Regina wurde einen Augenblick lang vom grauen Dunst der Fliegentür eingerahmt. Sie kam auf die Veranda und stellte sich vor unsere Kleine, als wollte sie sie beschützen. Edna heulte auf. Sie konnte wegen des Rocks ihrer Mutter weder Jesus noch den Garten sehen.

      »Ach, komm schon, Schatz. Sie is okay«, sagte ich, als ich die drei Stufen zur Veranda hinaufging.

      »Er könnt danebentreffen und ihr den Kopf abreißen!«

      Edna ließ sich heftig auf den gewindelten Hintern fallen. Jesus kletterte auf den Avocadobaum.

      »Du musst dich mehr kümmern, Easy«, sagte die Frau, mit der ich seit zwei Jahren verheiratet war.

      »Issy«, echote Edna.

      Mir fiel die Antwort schwer, denn wenn ich Regina anschaute, fiel mir das Denken immer schwer. Ihre Haut hatte die Farbe von gewachstem Ebenholz, und ihre großen mandelförmigen Augen lagen einen Zentimeter zu weit auseinander. Sie war groß und schlank, aber bei all ihrer Schönheit war da noch etwas, was mir zusetzte. Ich konnte in ihrem Gesicht keine Unvollkommenheit sehen. Keinen Makel, keine Falte. Nie ein Pickel, ein Leberfleck oder ein Härchen am Kinn. Hin und wieder machte sie die Augen zu, aber sie blinzelte niemals wie normale Menschen. Regina war in jeder Hinsicht vollkommen. Sie wusste, wie sie gehen, wie sie sich setzen musste. Aber sie ließ sich nie durch eine lüsterne Bemerkung aus der Fassung bringen oder durch Armut schockieren.

      Jedes Mal, wenn ich Regina Riles ansah, verliebte ich mich in sie. Ich verliebte mich in sie, bevor wir auch nur ein Wort gewechselt hatten.

      »Ich hab gedacht, es wär okay, Schatz.« Ich streckte unbewusst die Hände nach ihr aus, und sie wich aus, eine anmutige Tänzerin.

      »Hör mal, Easy. Jesus weiß nich, was für Edna richtig is. Du musst für ihn denken.«

      »Er weiß mehr, als du glaubst, Baby. Er ist mehr mit kleinen Kindern zusammen gewesen als die meisten Frauen. Und er versteht, auch wenn er nich spricht.«

      Regina schüttelte den Kopf. »Er hat Probleme, Easy. Wenn du sagst, er is okay, so isses noch lange nich wahr.«

      Jesus stieg vom Baum herunter und ging zur Seite des Hauses, in sein Zimmer.

      »Ich weiß nich, was du meinst, Schatz«, sagte ich. »Jeder hat Probleme. Wie einer seine Probleme anpackt, das zeigt, was für ein Mann er wird.«

      »Er is kein Mann. Jesus is bloß ein kleiner Junge. Ich weiß nich, was er Schlimmes erlebt hat, aber ich weiß, dass es zu viel für ihn gewesen is, deshalb kann er nich sprechen.«

      Ich ließ es dabei bewenden. Ich hatte es nie über mich gebracht, ihr die wahre Geschichte zu erzählen. Wie ich den Jungen aus dem Haus einer verschwundenen Frau gerettet hatte, nachdem er von einem bösen Mann gekauft und missbraucht worden war. Wie hätte ich erklären können, dass der Mann, der Jesus misshandelt hatte, ermordet worden war, dass ich wusste, wer es getan hatte, es aber für mich behalten hatte?

      Regina nahm Edna in ihre Arme. Die Kleine schrie. Ich hätte sie am liebsten beide gepackt und so heftig umarmt, bis ich die ganze Aufregung aus ihnen gedrückt hätte.

      Manchmal war es schmerzlich für mich, mit Regina zu reden. Sie war sich so sicher, was richtig war und was nicht. Sie konnte mein Inneres völlig durcheinanderbringen. So sehr, dass ich manchmal nicht wusste, ob ich Wut oder Liebe empfand.

      Ich wartete einen Augenblick lang draußen, als sie hineingegangen war, betrachtete mein Haus. Es gab so viele Geheimnisse, die ich mit mir herumtrug, so viele kaputte Leben, an denen ich Anteil hatte. Regina und Edna gehörten nicht dazu, und ich schwor mir, dass sie nie dazugehören würden.

      Schließlich ging ich hinein, fühlte mich wie ein Schatten, der ins Helle tritt.

      5

      »Du hast getrunken«, sagte Regina, als ich hereinkam. Ich glaubte nicht, dass sie es riechen konnte, und so viel hatte ich nicht getrunken, dass ich nicht gerade gehen konnte. Regina kannte mich eben. Das gefiel mir, es machte mein Herz ganz wild.

      Edna und Regina saßen beide auf der Couch. Als die Kleine mich sah, sagte sie: »Issy«, machte sich von ihrer Mutter los und krabbelte in meine Richtung. Regina packte sie, ehe sie auf den Boden fiel.

      Edna brüllte, als hätte sie einen Klaps bekommen.

      »Warst du auf dem Polizeirevier?«

      »Quinten Naylor wollte mit mir reden.« Ich hatte immer ein schlechtes Gefühl, wenn die Kleine schrie. Ich hatte das Gefühl, es müsse etwas unternommen werden, ehe wir weitersprachen. Aber Regina hielt sie einfach fest und redete mit mir, als gäbe es kein Gebrüll.

      »Und warum kommste dann besoffen nach Hause?«

      »Mach halblang, Baby«, sagte ich. Alles kam mir langsam vor. Ich hatte das Gefühl, ich hätte reichlich Zeit, es ihr zu erklären, die Ruhe wiederherzustellen. Wenn nur Edna mit dem Geschrei aufhören würde, wäre alles okay. »Ich hab im Avalon bloß was getrunken.«

      »Muss ein langer Zug gewesen sein.«

      »Ja, ja. Ich hab was zu trinken gebraucht nach dem, was Officer Naylor mir gezeigt hat.«

      Das verschaffte mir ihre Aufmerksamkeit, aber ihr Blick war immer noch hart und kalt.

      »Er

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