Der weisse Schmetterling. Walter Mosley

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Der weisse Schmetterling - Walter  Mosley Kampa Pocket

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Kugel landet«, sang er. »Zeigt mir die rote Kugel und zwei Dollar. Verdoppelt euer Geld und macht heut Nacht einen drauf.« Er bewegte die getürkten Nussschalen hin und her, hob sie mehrmals hoch, um zu zeigen, wo etwas war und wo nichts.

      Ein Hüne, den ich vorher noch nie gesehen hatte, zeigte auf eine Schale. Ich wandte mich ab und ging auf mein Zuhause zu.

      Ich dachte an das tote Partygirl; daran, dass sie ohne Grund umgebracht worden war, ausgenommen vielleicht wegen ihres Aussehens oder weil sie jemandem ähnlich sah. Ich erschauerte bei der Erinnerung daran, wie natürlich sie gewirkt hatte. Wenn eine Frau vergisst, dass sie hübsch sein und sich zur Schau stellen soll, sieht sie wie diese Ermordete aus; einfach jemand, der müde ist und Ruhe braucht.

      Das brachte mich auf Regina und ihr Aussehen. Natürlich ließ sich das nicht vergleichen. Regina war eine Königin. Sie trug niemals billige Kleidchen oder knalligen Modeschmuck. Wenn sie tanzte, bewegte sie sich nicht so ruckartig wie die meisten jungen Frauen. Regina tanzte leicht und anmutig wie ein Fisch im Wasser oder ein Vogel in der Luft.

      Die Erinnerung an die tote Frau ließ mich nicht los. Ich ging zum Gartentor und sah nach, ob Regina und Edna wohlbehalten im Wohnzimmer waren. Ich konnte sie durch das Fenster sehen, dann stieg ich in mein Auto und fuhr zur Hooper Street. Damals befand sich Mofass’ Immobilienbüro in der Hooper Street. Es lag im ersten Stock eines zweistöckigen Gebäudes. Das Gebäude gehörte mir, aber niemand außer Mofass wusste das. Das Erdgeschoss war an einen Buchladen vermietet, der auf Erbauungsliteratur für Schwarze spezialisiert war. Die Mieter waren Chester und Edwina Remy. Wie alle Mieter in meinen sieben Häusern zahlten die Remys die Miete an Mofass. Danach gab er mir das Geld.

      Ich wusste, dass Mofass da sein würde, weil er an sieben Abenden in der Woche Überstunden machte. Außer arbeiten und Zigarren rauchen tat er nichts.

      Die Treppe, die zu Mofass’ Tür führte, war außen. Sie ächzte und sackte durch, als ich hinaufging. Schon ehe ich die Tür erreichte, hörte ich Mofass husten.

      Als ich hereinkam, kauerte er in gebückter Haltung über dem Ahornschreibtisch. Er gab Geräusche von sich wie ein Motor, der nicht anspringen will.

      »Ich hab Ihnen doch gesagt, Se solln mit dem Rauchen aufhörn, Mofass. Die Zigarre da könnt Se umbringen.«

      Mofass hob den Kopf. Wegen der Hängebacken ähnelte er einer Bulldogge. Durch die klägliche Haltung sah er noch hündischer aus. Tränen von der vielen Husterei liefen ihm aus den wässrigen Augen. Er hielt sich die Zigarre vor das Gesicht und starrte sie entsetzt an. Dann zerquetschte er den schwarzen Stumpen in einem Glasaschenbecher und hievte sich im Drehstuhl hoch.

      Er unterdrückte ein Husten und ballte die Fäuste.

      »Wie geht’s denn so?«, fragte ich.

      »Bestens«, flüsterte er, dann erstickte er fast an einem Hustenanfall.

      Ich setzte mich in seinen Besucherstuhl und wartete darauf, dass er Geschäftliches zur Sprache brachte. Wir kannten uns schon viele Jahre. Vielleicht hatte ich deshalb zweierlei Ansichten über Mofass’ Krankheit. Einerseits tat es mir immer leid, wenn ich einen Menschen sah, dem es miserabel ging. Aber andererseits war Mofass ein Feigling, der mich einmal verraten hatte. Ich hatte ihn nur aus einem Grund nicht umgebracht: Ich hatte mich nicht als besserer Mensch erwiesen.

      »Wie läuft’s?«, fragte ich.

      »Tut sich nix bis auf die Miete.«

      Darüber lächelten wir beide.

      »Is wohl okay«, sagte ich.

      Mofass hob die Hand, damit ich schwieg, und nahm einen Porzellantiegel vom Schreibtisch. Er schraubte ihn auf, hielt ihn sich an Nase und Mund und atmete tief ein. Der Geruch nach Kampfer und Menthol stach mir in die Nase.

      »Ham Se das mit der neuesten Leiche schon gehört?«, fragte Mofass, dessen Stimme aus dem Grab wiederauferstanden war.

      »Nein.«

      »Die haben se in der Hundertzehnten gefunden. Nich weit von Ihnen. Hat geheißen, da sind fast zwanzig Cops gewesen.«

      »Ja?«

      »Amüsiermiezen. Nicht mehr ganz so amüsant«, sagte er. »So ein Irrer, macht junge Dinger alle. Eine Schande.«

      Mofass zog eine Zigarre aus der Westentasche. Er wollte die Spitze abbeißen, als er meinen Blick sah. Er steckte den Sargnagel zurück und sagte: »Kann brenzlig für uns werden.«

      »Wieso brenzlig?«

      »Jede Menge von den Miezen sind Mieter von Ihnen, Mann. Leben allein oder sind sitzen gelassen worden. Haben ein Baby und einen Job, und Freitagabend ziehn se mit Freundinnen los und wolln nen Mann aufgabeln.«

      »Na und? Glauben Se, der Kerl, der das macht, rottet unsere ganzen Mieter aus?«

      »Nee, nee. Ganz so blöd bin ich nich. Hab zwar nix mit dem College am Hut gehabt wie Sie, aber ich seh so gut wie jeder andere, was ich vor der Nase hab.«

      »Und was is das?«

      »Georgette Wykers und Marie Purdue ham mir erzählt, sie ziehen zusammen – wegen de Sicherheit. Sie ham gesagt, dann können se besser auf ihre Kinder aufpassen, un sicherer isses auch. Türlich wolln se bloß die halbe Miete zahlen.«

      »Und? Was soll ich da machen?«

      Mofass lächelte. Grinste. Ich konnte noch den letzten, goldüberkronten Backenzahn sehen. Wenn Mofass sich diese Art von Vergnügen anmerken ließ, hieß das, er war im Zusammenhang mit Geld erfolgreich gewesen.

      »Sie brauchen nix machen, Mr. Rawlins. Ich hab denen gesagt, das ist gegen de Vorschriften. Dann hab ich Georgette gesagt, wenn se zu Marie zieht, kann Marie se rausschmeißen, weil Georgettes Name nich im Vertrag steht.«

      Falls Mofass an seinem Todestag Geld verdiente, würde er als glücklicher Mann sterben.

      »Machen Se sich wegen so was keinen Kopf, Mann«, sagte ich. »Lassen Se die Frauen doch machen, was se wolln. Sie wissen doch, jeden Tag kommen tausend Leute hierher. Wenn einer auszieht, zieht einfach ein anderer ein.«

      Mofass schüttelte traurig und langsam den Kopf. Er konnte nicht tief Luft holen, aber ich tat ihm leid. Wie konnte ich so blöd sein, wegen einem Dollar und ein bisschen Kleingeld nicht die ganze Welt bluten zu lassen?

      »Ham Se mir noch was zu sagen, Mofass?«

      »Diese Weißen da ham heute wieder angerufen.«

      Ein Vertreter einer Firma namens DeCampo Associates hatte Mofass wegen eines Stücks Land in Compton angerufen, das mir gehörte. Sie hatten schon zweimal angeboten, es zu kaufen; beim letzten Mal für über das Doppelte dessen, was es wert war.

      »Davon will ich nix hören. Wenn die das Land wollen, muss es mehr wert sein, als sie zahlen wollen.«

      Ich ging zum Fenster hinüber, weil ich mich nicht wieder darüber streiten wollte. Mofass meinte, ich solle das Land verkaufen, weil es ein schneller Profit war. Im Tagesgeschäft war Mofass tüchtig, aber er wusste nicht, wie man für die Zukunft plant.

      »Die ham jetzt ein neues Angebot«, sagte er. »Wolln Se Nein sagen zu hunderttausend Dollar?«

      Vom

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