Katharina II. Russische Hofgeschichten. Leopold von Sacher-Masoch

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Katharina II. Russische Hofgeschichten - Leopold von Sacher-Masoch

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diesem Augenblicke bewegte sich der Vorhang, welcher das Fenster des Gemaches von oben bis unten schloß.

      „Das ist freilich schlimm“, sprach die Dame, „aber ich habe ein gutes Herz, ich will Ihnen helfen, so gut ich kann. Ich habe eine Freundin, Mirowitsch, welche die Gestalt der Kaiserin —“

      „Nein, Madame, Sie verstehen mich nicht. Ich beschwöre Sie, entlassen Sie mich“, rief Mirowitsch.

      „So sehen Sie sie doch nur an — es ist ganz Ihr Geschmack. Da ist sie.“

      Der Vorhang teilte sich und eine hohe üppige Frau in einem schweren blauen Seidenkleide, das vorne nach der Mode viereckig ausgeschnitten ihre herrliche Brust unverhüllt zeigte, eine schwarze Samtlarve vor dem Gesichte, näherte sich dem überraschten Offizier. Ein Wink von ihr entfernte ihre Freundin, sie machte zugleich eine Bewegung nach dem Divan und lud Mirowitsch mit der Hand ein, sich zu ihr zu setzen.

      Dem jungen Offizier stand das Herz still. Diese Frau hatte etwas Wollüstiges in ihrer Erscheinung, das ihn berauschte, etwas Herrisches in ihrem Wesen, das ihn vollständig unterwarf. Nachdem sie, die Arme auf der Brust gekreuzt, ihn eine Weile angesehen hatte, lachte sie und fragte mit einer Stimme, bei der ihn ein tiefer, wollüstiger Schauer überkam: „Wirst du mich lieben können, Mirowitsch?“

      „Nein.“

      Sie lachte wieder. „Du liebst also deine Kaiserin?“

      „Ich liebe sie so leidenschaftlich, so wahnsinnig, daß eine Dame Ihres Standes dies nicht verstehen kann“, rief Mirowitsch.

      „Warum nicht?“

      Mirowitsch sprang auf und ging im Gemache auf und ab.

      „Beruhigen Sie sich. Man sagt, daß die Kaiserin sehr verliebt ist und galante Abenteuer liebt. Vielleicht finden Sie Gnade vor ihren Augen.“

      Mirowitsch blieb stehen und sah die üppige Schöne beinahe erschreckt an.

      „Ich glaube, Sie würden sich vor Ihrem Glücke fürchten?“

      Mirowitsch trat einen Schritt zurück, er war bis in die Lippen bleich geworden und bebte am ganzen Leibe. Jetzt kannte er diese wollüstige Stimme, er sank in die Knie und mit dem Antlitz zur Erde.

      „Hast du den Mut, deine Kaiserin zu lieben?“ rief sie und riß die Maske herab. Vor ihm stand Katharina II. gebieterisch in hinreißender Schönheit.

      „Komm!“ Sie hob ihn auf — „du bist mein. Ich liebe dich.“ Die üppigen Arme der Despotin schlangen sich um ihn und zogen ihn an ihre leidenschaftlich wogende Brust. Mirowitsch fieberte.

      Katharina II. stampfte mit dem Fuße.

      „Mut, Mirowitsch, du sollst mich lieben, ich will es. Du bist mein Sklave, sans phrase. Es gibt Stunden, wo ich ein Kind bin und ein Spielzeug brauche. Komm, ich will mit dir spielen.“

      Das war zu viel.

      Mirowitsch riß seinen Degen aus der Koppel und warf ihn zu Boden, dann faßte er die Zarin leidenschaftlich in seine Arme. Sie lag an seiner Brust, ihre Lippen sogen ihm die Seele aus, seine Hände wühlten in ihren Locken, daß der Puder wie ein leichter Reif auf seine Schultern fiel.

      „Ich liebe dich“, flüsterte die Kaiserin, „ich will dich glücklich machen, wenn du Mut hast, wenn du ein Geheimnis bewahren kannst. Niemand darf ahnen, daß ich dir gehöre. Hier im Schlosse von Gatschina, im Pavillon der Fürstin Daschkow sollst du mich fortan an jedem Abend sehen. Aber es wird eine Zeit kommen, wo meine Liebe dich erhöhen wird vor allen andern. Dein Schicksal ist in deiner Hand. Sei kühn, sei vorsichtig und liebe mich. Es tut mir wohl, geliebt zu werden.“

      IV.

      Im Pavillon von Gatschina saßen Katharina II. und die Fürstin Daschkow im vertraulichen Gespräche. Die Zarin war zu Pferde gekommen, sie trug hohe Männerstiefel von Saffian, wie sie von russischen Bäuerinnen und Kaufmannsfrauen im vollen Staate getragen werden, einen dunklen Männerüberrock, wie ihn die Modedamen damals trugen, einen kleinen dreispitzigen Hut mit wallender weißer Feder. Voll Ungeduld klopfte sie den Absatz ihres Stiefels mit der Reitpeitsche, stand von Zeit zu Zeit auf und warf sich wieder unmutig in die Polster der Ottomane.

      Die Daschkow betrachtete sie mit großer Neugier und plötzlich spielte ein feines Lächeln um ihre Lippen.

      „Du lachst über mich, Katinka“, sprach die Zarin, „was lachst du?“

      „Du bist sehr verliebt.“

      „Weiß Gott, sehr verliebt, in wahrhaft unkaiserlicher Weise.“

      „Seit einem Monat siehst du Mirowitsch bei mir Abend für Abend, und er ist dein, wie ein Sklave, und doch hat sich dein Vergnügen an ihm noch nicht abgenützt. Ich bewundere dich. Und heute, nachdem er mehr als einen Monat dir gehört, bist du sogar die erste bei dem Rendezvous und kannst deine Ungeduld, ihn zu sehen, kaum bemeistern. Du bist wahrhaftig verliebt.“

      „Wahrhaftig“, nickte die Kaiserin und legte nachlässig ihr rechtes Bein über das linke. „Ich bin verliebt, das ist es aber nicht allein. Mirowitsch liebt mich. Man wird nicht zu oft geliebt und niemals so mit ganzem Herzen, mit ganzen Sinnen, daß kein Gedanke, keine Regung bleibt für eine andere. Er ist mein mit Leib und Seele. Ich ergötze mich an ihm und seiner Liebe, wie ein Gourmand an einem seltenen Gerichte.“

      Die beiden Frauen schwiegen eine Weile. Die Kaiserin horchte auf. „War das nicht der Hufschlag eines Pferdes?“

      „Nein.“

      „Mir schlägt das Herz“, sprach Katharina II. und legte die Hand gegen die Brust.

      „Du große kleine Frau“, rief die Daschkow, „und was willst du mit ihm anfangen?“

      „Ich weiß es nicht“, entgegnete die Kaiserin und trat an das Fenster, um ihre Verlegenheit zu verbergen.

      „Du weißt es nicht?“

      „Das eine weiß ich nur“, begann die schöne Despotin ernst, „gemein darf er nicht enden.“

      „Wie also?“

      „Wie eine Flamme, die sich selbst verzehrt.“

      „Das ist ein grausamer Gedanke.“

      „Vielleicht aber ein Gedanke voll Poesie.“

      „Muß er überhaupt enden?“ fragte die Fürstin.

      Die Kaiserin nickte. „Ich habe mich in ihm getäuscht, Katinka. Mein Herz ist befangen, aber mein Kopf ist frei. Mirowitsch ist kein Mann, um einen Orlow zu stürzen, zu ersetzen, er ist ein Schwärmer. Das, was ihn mir so liebenswürdig macht, macht ihn gefährlich für den Staat. Mit ihm kann es nur ein kurzes wollüstiges Intermezzo geben. Was aber dann mit ihm anfangen?“

      „Deine Liebe hat eine furchtbare Logik.“

      Katharina II. ging auf und ab, die Hände auf dem Rücken, das Haupt gesenkt. „Er wird mir unbequem werden, er liebt mich, er ist leidenschaftlich, mutig, er wird Spektakel machen, mich kompromittieren.“

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