Deborah s schwarze Meister. Mark Whiting

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Deborah s schwarze Meister - Mark Whiting Muschelbücher

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halte Sie keineswegs für verrückt oder so. Außerdem ist er nicht dieser Typ von Psychiater. Er arbeitet nicht mit kranken Leuten, sondern nur mit ganz normalen Personen, die irgendwie ein bißchen durcheinandergeraten oder nervös sind. Verstehen Sie?“

      Deborah schüttelte energisch den Kopf.

      „Ich glaube nicht, daß ich …“

      „Hören Sie mir zu“, unterbrach Julie. „Er wird Sie nicht auf eine Couch legen. Er ist einfach da. Er glaubt nicht an all das andere.“

      Jetzt wurde Deborah doch ein bißchen neugierig.

      „Woran glaubt er dann?“ fragte sie. Deborah hatte noch nie von einem Psychiater gehört, der nicht ,an all das andere“ glaubte.

      „Er glaubt an die Menschen“, sagte Julie schlicht und einfach. „Er glaubt, daß die Menschen lernen sollten, organisch zu leben. Er glaubt, daß Angst die meisten Leute davon abhält, jemals wirklich zu leben. Aber Sie werden ihn schon selbst kennenlernen müssen. Ich kann Ihnen da keine richtige Vorstellung vermitteln.“

      „Ich danke Ihnen“, sagte Deborah. „Ich weiß, daß Sie es gut meinen. Aber ich glaube nicht, daß ich einen Psychiater brauche … nicht einmal einen so ungewöhnlichen, wie Sie ihn eben beschrieben haben. Ich mache eine schwierige Periode der Anpassung durch, und das erfordert wohl ein bißchen Zeit.“

      Julie starrte Deborah eine ganze Weile an und blickte dabei fast ein wenig traurig drein.

      „Ich gebe noch nicht auf“, sagte sie schließlich. „Lassen Sie mich doch heute abend mit ihm in Ihre Wohnung kommen. Vergessen Sie ganz einfach, daß er ein Gehirnklempner ist. Halten Sie ihn nur für einen guten Freund von mir. Okay?“

      Deborah zögerte. Sie wußte nicht, was sie jetzt sagen sollte; wie sie ablehnen könnte. Sie wollte keinen Psychiater kennenlernen, nicht einmal auf gesellschaftlicher Ebene.

      „Also gut“, gab sie aber schließlich doch nach. „Aber versprechen Sie sich davon bloß nichts!“

      „Nein, nein, nein! Sie sollen ihn ja nur mal kennenlernen, das ist alles“, strahlte Julie. „Ich bin ja so froh!“ Dann lehnte sie sich zu Deborah hinüber und drückte ihr rasch einen Kuß auf die Wange. Das kam so überraschend und unerwartet, daß Deborah unwillkürlich einen leise keuchenden Laut ausstieß und mit einer Hand die Stelle berührte, wo Julie sie eben geküßt hatte. Aber das andere Mädchen war bereits wieder an seinen eigenen Schreibtisch zurückgekehrt und pfiff vergnügt vor sich hin.

      Julie traf mit ihrem Freund pünktlich um halb acht Uhr ein.

      Einen Mann wie ihn hätte Deborah zuallerletzt erwartet.

      Er war groß, etwa einsneunzig, und sehr schlank und muskulös. Sein Alter schätzte sie auf etwa fünfunddreißig. Er trug das Haar ziemlich lang, aber sehr ordentlich. Seine Haut war tiefgebräunt, und Deborah hatte das Gefühl, daß diese Bräune nicht von einer Höhensonne stammte. Am meisten aber fesselten sie seine Augen. So tiefblaue, durchdringende Augen hatte Deborah noch nie gesehen.

      „Das ist mein Freund David Anders“, sagte Julie fröhlich. „David, das ist Deborah Adams.“

      Er streckte ihr lächelnd die Hand entgegen. Seine Haut war kühl und trocken, und sein Händedruck verriet Kraft. Lächelnd betrat er das Appartement und sah sich um.

      Seine Bewegungen verrieten Anmut und Selbstsicherheit, wie es Deborah noch bei keinem anderen gesehen hatte. Aber von ihm ging auch eine Macht aus, die Deborah ängstigte. Er schien ein sanfter Mann zu sein, aber zugleich auch ein Mann, der erschreckend sein konnte, wenn das Tier in ihm erst einmal losgelassen werden sollte.

      „Julie hat mir erzählt, daß Sie aus Boston kommen“, sagte David und setzte sich auf die Couch.

      Deborah nahm ihm gegenüber in einem Sessel Platz. Einen Moment lang ärgerte sie sich beinahe über sein arrogantes Benehmen. Er war sich — so entschied sie — seiner Männlichkeit sehr bewußt. Und Deborah konnte gar nicht anders, als diese seine Männlichkeit ebenfalls sehr deutlich zu spüren.

      „Ja“, antwortete sie. „Und ich nehme an, daß Sie aus Kalifornien stammen.“

      „Ja“, sagte er. „Nun, und wie gefällt’s Ihnen hier bei uns?“

      „Es ist alles so ganz anders.“

      Er nickte und lächelte dabei immer noch.

      „Sehr verschieden“, stimmte er zu. Sein Blick haftete auf ihrem Gesicht, und Deborah blickte rasch nervös weg. Sie wurde sich aber bewußt, wie er nun abschätzend ihren Körper musterte. Wieder wollte Zorn in ihr aufquellen, aber sie lächelte höflich in seine Richtung. Was glaubte er eigentlich, wer er war?

      Jetzt herrschte eine Weile Schweigen.

      „Sie sind also eine Jungfrau“, sagte er leise.

      Deborah fuhr kerzengerade in ihrem Sessel hoch. „Hören Sie …“, begann sie mit erzwungener Selbstbeherrschung. „Ich weiß nicht, wofür Sie sich halten, aber … “

      Er nickte und sah drein, als hätte er jetzt am liebsten gelacht.

      „Hab‘ ich mir doch gleich gedacht“, sagte er. „Aber immer schön mit der Ruhe. Ich beiße nicht.“

      Deborah warf Julie einen ernsten Blick zu, aber das Mädchen machte einen vollkommen entspannten Eindruck und schien sogar ein wenig amüsiert zu sein.

      „Sind Sie schon mal gesegelt?“ fragte David nach kurzem Schweigen.

      „Ein bißchen“, anwortete Deborah mit gepreßter Stimme.

      „Wissen Sie …“, sagte er. „Wenn Sie versuchen wollen, durch Nachdenken mit Ihren Problemen fertig zu werden, dann ist das genauso, als wollten Sie versuchen, sich nur mit Ihren Händen in die Luft zu erheben. Die richtige Methode besteht darin, sich selbst einigen Veränderungen zu unterziehen. Gehen Sie einmal so richtig aus sich heraus. Sehen Sie zu, was Sie dann tun werden. Es ist der einzige Weg, etwas über sich selbst zu erfahren.“

      Deborah beobachtete ihn, ohne im geringsten auf seine Worte zu reagieren. Sie starrte ihm in die Augen, und diesmal blickte sie nicht weg. Er kann mich mit seinem Blick nicht einschüchtern! dachte sie. Also starrten sie sich weiter gegenseitig an.

      „Sie sehen abenteuerlustig aus“, sagte er. „Sie sehen aus wie ein Mensch, der ausgefahrene Gleise nicht mag … der sich leicht langweilt. Ich möchte wetten, daß Sie Dinge mögen, die ein bißchen gefährlich sind, wenngleich Sie das natürlich abstreiten werden. Habe ich recht?“

      „Ich bestreite es nicht“, hörte sich Deborah fast gegen ihren Willen sagen.

      Jetzt herrschte wiederum eine ganze Weile Schweigen, während sie sich weiter gegenseitig intensiv in die Augen starrten. Deborah war sich bewußt, daß Julie sie beide aufmerksam beobachtete.

      Plötzlich begann David zu lächeln.

      Deborah wollte nicht zurücklächeln, aber ihre Gesichtsmuskeln reagierten wie von selbst. Dann lachte er, und Deborah mußte ebenfalls lachen. Sie fand die Situation zwar alles andere als spaßig, aber sie mußte trotzdem lachen. Und er lachte. Und Julie lachte. Schließlich stand David auf und kam zu Deborah herüber. Er

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