COLD BLACK. Alex Shaw

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COLD BLACK - Alex  Shaw Aidan Snow Thriller

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Treffer in die rechte Schulter. Zwischen den ersten beiden und den jüngsten Verwundungen lagen zehn Jahre, doch verschuldet wurden sie von ein und demselben Ex-Agenten der SpezNas.

      Aufgrund der ersten Verletzung hatte Snow den Special Air Service verlassen müssen, infolge der zweiten eine Stelle beim SIS erhalten – oder MI6, wie man den Geheimdienst nun weitläufig nannte. Nachdem er sich auskuriert und sich im Rahmen eines Wiederauffrischungslehrgangs im Hochland von Wales gegen die neuste Auslese von SAS-Hoffnungsträgern durchgesetzt hatte, war er für diensttauglich erklärt worden.

      »Ich bin mit Ihrer Untersuchung fertig, Sie dürfen sich wieder anziehen.« Durrani ging zum Waschbecken, zog die Handschuhe aus und wusch sich unnötigerweise die Finger. Dann rückte er seine kräftig rote Krawatte zurecht. »Wie geht es Jack so?«

      Die Frage überraschte Snow. »Verzeihung, welchen Jack meinen Sie?«

      »Alles klar, das war nur ein Test. Reden ist Silber, Schweigen ist Gold – die alte Binsenweisheit.«

      »Und handeln ist Platin«, ergänzte Snow, während er sich rasch anzog.

      »Was? Oh, der war gut. Macht Ihnen doch nichts aus, wenn ich ihn mir merke, oder?«

      »Nein, kein Ding.«

      »Danke.« Durrani lächelte und öffnete die Tür. »Nun, da mit Ihnen alles ›in Butter‹ ist, sehen wir uns nächstes Jahr um diese Zeit wieder. Bis dann.«

      Snow sparte sich die Mühe, dem Arzt die Hand schütteln zu wollen. Angesichts dessen dass er sich in der plastischen Chirurgie verdingte, legte Durrani merkwürdige Berührungsängste an den Tag.

      Als Snow das Sprechzimmer verließ, kam er nicht umhin, einen Blick auf die hübsche Arzthelferin in blütenweißer Kleidung – die Umrisse eines schwarzen Büstenhalters ließen sich darunter ausmachen – am Empfang zu werfen. Sie lächelte ihm zu, da schaute er verlegen weg und ging aus dem Gebäude auf die Straße.

      Harley Street brummte zu Mittag vor Verkehr, Geschäftsleuten und ein paar verirrten Touristen, die sich von zwei Beamten der Metropolitan Police den Weg weisen ließen. Snow ging nach Norden auf Regent's Park zu, wo sich die nächste U-Bahn-Haltestelle befand, weil er einen Termin bei Patchem im Hauptquartier am Vauxhall Cross hatte. Er mochte London nicht, sondern lebte nur notwendigerweise in der Stadt. Sie war ihm zu lärmerfüllt und schmutzig, vor allem im Vergleich zu einigen anderen Hauptstädten … Paris einmal ausgenommen. Ihm fiel ein Freund ein – Arnaud, ein Halbfranzose –, der die Heimat seiner Mutter immerzu in Schutz genommen hatte.

      Seiner Meinung nach sei Paris mit seiner prachtvollen Architektur die »Kapitale Europas«. Snow hingegen hatte dagegengehalten, dass diese Pracht nicht über mit Hundekot verdreckte Gehsteige und den Gestank von billigen Zigaretten hinwegsehen lasse. Er machte sich aufgrund dessen, was geschehen war, immer noch Vorwürfe. Die anderthalb Monate zurückliegenden Geschehnisse in der Ukraine hatten ihn schwerer getroffen als gedacht. Snows seelische Narben mussten gleichsam »kosmetisch geglättet« werden. Er fasste sich unwillkürlich an die Schulter und spürte die Schussverletzung, die jetzt nahezu unsichtbar war, aber noch immer wehtat. Snow hatte versucht, einem Freund das Leben zu retten, und versagt.

      Ein lautes Geräusch von hinten zerstreute seine Gedanken. Ein Schrei. Er drehte sich um. Vor Durranis Praxis stand jemand, vom Aussehen her aus dem Mittleren Osten oder Asien. Eine innere Stimme wollte Snow etwas mitteilen. Während er zur Adresse des Chirurgen zurückkehrte, behielt er den Eingang im Auge. Noch ein Schrei. Er lief los. Da kamen zwei Männer aus dem Gebäude geeilt, einer mit verbundenem Gesicht. Sie wollten zu dem einzelnen, der nun zum Straßenrand gegangen war und die Tür eines Ford Mondeo im Leerlauf aufhielt. Der letzte Mann, der die Praxis verlassen hatte, hielt etwas in der Hand: eine Pistole.

      Er schaute direkt zu Snow, der sich ihm weiterhin zügig näherte, legte an und drückte ab. Die Kugel sauste mit einem dumpfen Knall aus dem Lauf und auf den Geheimagenten zu. Dieser hechtete instinktiv nach links und die Kellertreppe des Nachbargebäudes hinunter, wo er in mehrere Mülltonnen krachte.

      Eine Wagentür wurde zugeschlagen. Atemlos hob Snow den Kopf. Mit vier Mann war der Mondeo nun voll besetzt und ordnete sich in den Verkehr ein. Snow hastete zur Praxis, während er versuchte, das Nummernschild des Fahrzeugs zu erkennen. Er musste eine Entscheidung treffen. Folgte er den Verbrechern, oder sah er im Gebäude nach dem Rechten?

      Schließlich lief er die Treppe hinauf, indem er je zwei Stufen auf einmal nahm. Die Tür zum Wartezimmer stand offen, die zum Sprechzimmer ebenfalls. Noch hegte er die unvernünftige Hoffnung, nicht vorzufinden, was sich ihm letztlich doch zeigen sollte: Die Schwester saß, die Glieder von sich gestreckt, in ihrem Sessel. Sie hatten ihr Oberteil aufgerissen, sodass Snow ihre Brüste sah. In ihrer Stirn war ein sauberes Einschussloch, die cremeweiße Wand dahinter hingegen mit Blut bespritzt. Er fluchte, Wut keimte in ihm auf. Nachdem er die Tür zum Zimmer aufgetreten hatte, stellte er fest, dass Durrani ebenfalls hingerichtet worden war. Er lag quer auf seinem Schreibtisch, hatte zwei Schüsse in die Brust und sicherheitshalber einen weiteren in den Kopf bekommen.

      Snow war in Windeseile wieder auf der Straße, hielt sich sein Handy ans Ohr und wartete darauf, mit dem Notruf verbunden zu werden. Weiter vorne auf der Straße ertönte laut eine Autohupe. Der Mondeo war noch in der Nähe, weil er an der Ampel auf der Höhe von New Cavendish Street stand. Snow musste ihn erreichen. Er lief schneller als zuvor und schaltete dabei die Videokamera seines Telefons ein. Als er Stimmen hinter sich hörte, drehte er sich um. Es waren die beiden Beamten der städtischen Polizei. Einer sah die offene Praxistür und verschwand darin, um herauszufinden, was los war, der andere folgte Snow.

      »Verzeihung, Sir … Sir, einen Moment«, rief er.

      Der Agent rannte jedoch weiter, um den Wagen abzufangen, also schlug der Polizist einen rascheren Schritt an, wobei er, weil er seinen Helm auf dem Kopf festhielt, aussah wie einer der trotteligen Beamten in Schwarz-Weiß-Filmen aus den Zwanzigern. Als Snow neben dem Mondeo ankam, schaute er hinein. Vier Männer wie gesagt, alle augenscheinlich aus dem Mittleren Osten. Der eine wickelte gerade den Verband von seinem Kopf, der Schütze hielt noch seine Waffe fest. Als Snow die Handykamera auf sie richtete, wurde er von hinten an der Schulter gepackt. Indem er herumfuhr, warf er den Grapscher nieder, ohne sein Telefon zu verlieren, denn er hatte es an einem Trageriemen gesichert. Der Polizist fiel unsanft aufs Pflaster, sein Helm kullerte zwischen die Autos auf der Straße.

      »Geheimdienst« war alles, was Snow äußern konnte, bevor eine Kugel an seinem Gesicht vorbeischnellte. Auch er ging zu Boden, als die Ampel umsprang, woraufhin der Mondeo weiterfuhr. Snow versuchte, schnell wieder hochzukommen, doch dann drückte ihn der zweite Beamte nieder, der seinem Kollegen nun beigesprungen war.

      »Secret Intelligent Service, Sie halten die falsche Person fest!«

      Der Polizist wollte sich mit einem Bein auf Snows Brust knien. »Stillhalten!«

      »Mein Gott, verdammt …« Snow verdrehte sich und brachte den Beamten mit seinem rechten Bein aus dem Gleichgewicht. Dann stand er auf. Der erste Polizist war ebenfalls wieder auf die Beine gekommen, hatte seinen Schlagstock gezogen und hielt ihn in seiner Rechten.

      »Runter … zurück auf den Boden!«

      »Machen Sie Platz, verflucht!« Snow sprang vorwärts und duckte sich unter dem näher kommenden Arm des Mannes, um ihm in eine Kniekehle zu treten, den Stock aus der Hand zu reißen und auf die Straße zu werfen.

      Snow sprintete zur Kreuzung am Ende der Straße, wo er den Mondeo wiedersah, der fünfzig Meter weiter auf der Wigmore Street bremste, diesmal aufgehalten von einem Taxi. Jetzt hörte er Sirenen von der Harley Street hinter ihm.

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