Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper
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Einen Augenblick hatten Cora und Alice zitternd und verwirrt da gestanden, als Duncan sie so unerwartet verließ; aber ehe sie Zeit zu sprechen fanden, oder auch nur daran zu denken vermochten, stürzte ein Offizier von fast riesenhafter Gestalt, dessen Locken die Jahre und der Dienst gebleicht und dessen militärischen Stolz die Zeit zwar gemildert, aber nicht vernichtet hatte, mitten aus dem Nebel auf sie zu und drückte sie an seine Brust, während große Thränen über sein bleiches und tiefgefurchtes Antlitz rollten.
»Ich danke dir, Herr!« rief er in seinem eigenthümlichen schottischen Accent. »Laß Gefahr kommen, welche da wolle, dein Knecht ist vorbereitet!«
Fünfzehntes Kapitel.
So tretet ein, zu hören seine Botschaft,
Die alsbald ich errathen wollt’ und deuten,
Eh’ noch der Franzmann spräch’ ein Wort davon.
König Heinrich V.
Die nächsten Tage verflossen unter den Entbehrungen, der Verwirrung und den Gefahren der Belagerung, welche ein Feind, dessen Macht Munro nicht den gehörigen Widerstand leisten konnte, aufs Lebhafteste betrieb. Es war, als ob Webb mit seinem Heer, das unthätig an den Ufern des Hudson lag, die bedrängte Lage seiner Landsleute gänzlich vergessen hätte. Montcalm hatte die Wälder mit seinen Wilden angefüllt, deren Geschrei und Geheul durch das brittische Lager scholl und die Soldaten entmuthigte, welche bereits nur zu geneigt waren, die Gefahr zu vergrößern. Nicht ebenso war es mit den in dem Fort Eingeschlossenen. Durch die Worte und das gute Beispiel ihrer Führer angefeuert, hatten sie Muth gefaßt und ihren alten Ruf mit einem Eifer behauptet, welcher der Strenge ihres Anführers Ehre machte. Der französische General hatte seinerseits, als begnügte er sich mit großer Anstrengung durch die Wildnis; gezogen zu seyn, um vor den Feind zu kommen, bei all’ seinem Geschick dennoch verabsäumt, die benachbarten Höhen zu besetzen, von denen aus er die Belagerten ungestraft vernichten konnte, ein Vortheil, den die neuere Kriegskunst keinen Augenblick zu benützen unterlassen hätte. Diese Geringschätzung der Anhöhen, oder vielmehr diese Scheu vor der Anstrengung des Erklimmens, kann als die Hauptschwäche der damaligen Kriegführung betrachtet werden. Sie schrieb sich von der einfachen Weise der Indianerkriege her, wo bei der Art der Kämpfe und den dichten Wäldern Festungen selten waren und das Geschütz beinahe alle Bedeutung verlor. Die Nachläßigkeit, welche solchergestalt überhand genommen hatte, reichte bis in die Zeit der Revolutionskämpfe herab und verlor den Amerikanern die wichtige Festung Ticonderoga, ein Verlust, der Bourgoyne’s Heer den Weg in das Herz des Landes öffnete. Erstaunt blicken wir auf diese Unwissenheit oder Bethörung, wie man es nennen darf, zurück: denn man weiß, daß das uebersehen der Vortheile einer solchen Anhöhe – wenn auch die Schwierigkeit, sich auf ihr festzusetzen, wie bei Mont Destance, sehr übertrieben worden ist – einen Ingenieur, der in unserer Zeit die Anlegung der Werke an ihrem Fuße zu leiten, oder einen General, der sie zu vertheidigen gehabt hätte, um ihren Ruf bringen würde.
Der Reisende, der Siechling, oder der Freund von Naturschönheiten, welcher jetzt in seinem Viergespann durch die Schauplätze, die wir zu beschreiben versucht, dahinrollt, um Belehrung, Gesundheit oder Vergnügen zu finden, oder gemächlich seinem Ziele entgegen auf jenen künstlichen Wasserstraßen getragen wird, die unter der Verwaltung eines Staatsmanns entstanden sind, welcher für das Gelingen des gewagten Unternehmens seinen politischen Ruf einsetzte, darf nicht glauben, daß seine Vorfahren mit gleicher Leichtigkeit über diese Berge gegangen sind und die Strömungen überwunden haben. Die gelungene Herbeischaffung einer einzigen schweren Kanone wurde oft einem Siege gleichgeschätzt, wenn anders glücklicher Weise die Schwierigkeiten des Bodens sie nicht zu weit von ihrer nothwendigen Begleiterin, der Munition, entfernten, ohne welche sie nichts als eine schwerfällige, nutzlose eiserne Röhre ist.
Die Nebel, welche aus einer solchen Lage entspringen mußten, machten sich dem entschlossenen Schottländer, der jetzt William Henry vertheidigte, sehr fühlbar. Obgleich sein Gegner die Berge nicht benutzte, hatte er doch seine Batterien mit Einsicht in der Ebene aufgepflanzt und sie wurden mit Geschick und Nachdruck bedient. Diesem Angriff sonnten die Belagerten nur die unvollkommenen und in Eile angeordneten Vertheidigungsmittel einer Festung der Wildniß entgegenstellen.
Es war am fünften Tage der Belagerung und dem vierten seines eigenen Dienstes in dem Fort, daß Major Heyward Nachmittags eine eben angekündigte Parlamentirung benützte, um sich auf die Brustwehr einer Wasserbastion zu begeben, wo er die frische Seeluft athmen und die Fortschritte der Belagerer beobachten konnte. Er war allein, wenn man die einsame Schildwache, die auf dem Erdwall auf-und niederging, nicht rechnen will: denn die Artilleristen hatten sich entfernt, um die zeitige Unterbrechung ihres gefahrvollen Dienstes zu benützen. Der Abend war äußerst still und das Lüftchen, welches von dem klaren See her wehte, sanft und erfrischend. Es schien, als ob auch die Natur den Augenblick, wo der Donner des Geschützes und das Pfeifen der Kugeln verstummte, gewählt hätte, in ihrer mildesten und entzückendsten Gestalt zu erscheinen. Die Sonne goß ihre scheidende Glorie über die Landschaft, ohne jener stolzen Strahlen zu entbehren, die dem Klima und der Jahreszeit eigenthümlich sind. Das frische, liebliche Grün der Berge wurde bald durch das sanftere Licht der Sonne gemildert, bald durch die leichten Wölkchen verdunkelt, welche zwischen ihnen und der Sonne schwammen. Zahlreiche Eilande ruhten im Schooße des Horican, so niedrig und tief, als wären sie in die Wasser gebettet, andere über den Fluthen schwebend, gleich leichten Hüllen grünen Sammtes. Zwischen diesen ruderten die Fischer des Belagerungsheeres friedlich ihre Nachen umher, oder gaben sich auf dem klaren Wasserspiegel ruhig dem Vergnügen des Fischfanges hin.
Die Scene war belebt und doch still; und Alles, was der Natur angehörte, lieblich und einfach groß, während, was von dem Willen und den Bewegungen der Menschen abhing, lebhaft und muthwillig erschien.
Zwei kleine weiße Flaggen wehten, die eine auf einem hervorspringenden Winkel des Forts, die andere auf der vorgeschobenen Batterie der Belagerer, – Sinnbilder der Ruhe, nicht blos für die Feindseligkeiten, sondern selbst für die Erbitterung der Kämpfenden. Hinter ihnen wehten, in schweren, seidenen Falten sich ausbreitend und schließend, die nebenbuhlerischen Standarten Englands und Frankreichs, Hunderte junger Franzosen, munter und sorglos, zogen Netze an den kieselreichen Strand, in der gefährlichen Nähe der düstern, aber schweigsamen Geschütze des Forts, während die östlichen Berge den lärmenden Jubel der Fischenden wiedertönten. Die Einen kamen eilig herbei, um die Belustigungen auf dem Wasser mitzumachen, während Andere mit der unruhigen Neugierde ihrer Nation bereits die benachbarten Hügel erklommen. Von all’ diesem Treiben, dieser Lust waren diejenigen, welche die Belagerten zu beobachten hatten, und die Belagerten selbst müßige, wenn schon nicht gleichgültige Zuschauer. Hier und da stimmte auch ein Piquer einen Sang an, oder begann einen Tanz, der die düsteren Indianer aus ihren Hinterhalten in dem Walde um sie versammelte. Kurz Alles hatte mehr den Anschein eines Freudentages, denn einer den Gefahren und Anstrengungen eines blutigen, erbitterten Krieges gestohlenen Stunde. Duncan hatte, diese Scene betrachtend, eine Weile in nachdenklicher Stellung dagestanden, als seine Augen durch den Laut nahender Fußtritte sich auf das Glacis vor dem schon erwähnten Ausfallthore richteten. Er trat in den Winkel einer Bastion und sah, wie der Kundschafter unter der Bewachung eines französischen Offiziers auf das Fort herzukam, Hawkeye’s Züge waren eingefallen und bekümmert, seine Miene niedergeschlagen, als fühlte er sich tief entehrt, daß er den Feinden in die Hände gerathen war. Er trug seine Lieblingswaffe nicht und die Hände waren ihm mit Riemen