Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper
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Читать онлайн книгу Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper - James Fenimore Cooper страница 181
»Haben Euer Excellenz unsere Vertheidigung so schwach gefunden, daß Sie diese Maßregel nothwendig glauben?« –-
»Es sollte mir leid thun, wenn sich die Vertheidigung so lange hinauszöge, daß meine rothen Freunde dort noch mehr gereizt würden,« fuhr Montcalm fort, indem er seine Augen auf die Gruppe aufmerksamer und finsterer Indianer richtete, ohne auf die Frage des Andern zu achten: »ich finde es schon jetzt schwierig, sie in den Gränzen unsrer Kriegsgebräuche zu halten.«
Heyward schwieg: denn eine peinliche Erinnerung an die Gefahren, denen er eben erst entronnen war, und an die Leiden, welche jene wehrlosen Geschöpfe mit ihm getheilt hatten, drang sich seinem Geiste auf.
»Diese Herren da,« fuhr Montcalm fort, indem er seinen vermeintlichen Vortheil verfolgte, »sind äußerst furchtbar, wenn sie sich in ihrer Hoffnung getäuscht sehen, und ich brauche Ihnen nicht zu sagen, wie schwer es mir fällt, ihren Unmuth in Schranken zu halten. Nun, mein Herr, wollen wir von den Bedingungen sprechen?«
»Ich fürchte, Euer Excellenz sind über die Stärke von William Henry und die Hülfsquellen der Besatzung getäuscht worden!«
»Ich belagere nicht Quebec, sondern eine Erdschanze, die von zweitausend dreihundert wackern Soldaten vertheidigt wird,« war seine kurze, aber lakonische Antwort. »Unsere Wälle sind Erdschanzen, es ist wahr, und ruhen auf keinem Diamantfelsen, aber sie stehen an einem Ufer, das Dieskau und seinem Heer verderblich geworden ist. Nur wenige Stunden ist eine beträchtliche Macht von uns entfernt, die wir als einen Theil unsrer Vertheidigungsmittel betrachten.«
»Ja, sechs bis achttausend Mann,« erwiederte Montcalm, wie es schien, mit großer Gleichgültigkeit, »und ihr Chef hält sich hinter seinen Schanzen für sicherer, als in offnem Felde.«
Jetzt war es an Heyward, sich vor Aerger in die Lippe zu beißen, da der Andere so kaltblütig von Truppen sprach, deren Stärke, wie der junge Mann wohl wußte, so sehr übertrieben worden war. Beide schwiegen eine kleine Weile; endlich nahm Montcalm wieder das Wort und gab zu verstehen, daß er bei dem Besuche des Offiziers keinen andern Zweck voraussetze, als Bedingungen zur Uebergabe vorzuschlagen. Auf der andern Seite suchte Heyward dem französischen General Aeußerungen zu entlocken, aus denen sich auf die in dem aufgefangenen Briefe enthaltenen Entdeckungen hätte schließen lassen. Keiner von Beiden erreichte jedoch seinen Zweck; und nach einer längern und fruchtlosen Besprechung entfernte sich Duncan mit einer vortheilhaften Meinung von der Artigkeit und den Talenten des feindlichen Anführers, aber ohne Aufschlüsse über den eigentlichen Zweck seiner Sendung erhalten zu haben. Montcalm begleitete ihn bis an die Thüre seines Zeltes und wiederholte seine Einladung an den Kommandanten des Forts, mit ihm auf einem offenen Platze zwischen beiden Heeren zu einer unmittelbaren Besprechung zusammen zu treffen.
Sie trennten sich und Duncan kehrte unter gleicher Begleitung, wie zuvor, an die Vorposten der Franzosen zurück, von wo er sich sogleich in das Fort und in das Quartier seines Befehlshabers begab.
Sechzehntes Kapitel.
Edg. Eh’ Ihr zum Kampfe gehet, lest den Brief.
Lear.
Major Heyward fand Munro allein mit seinen Töchtern. Alice saß auf seinem Knie und theilte die grauen Haare des alten Kriegers mit ihren zarten Fingern, und als er über ihre Tändelei die Stirne zu runzeln schien, drückte sie ihre Rosenlippen auf das befurchte Haupt, um den scheinbaren Unmuth zu beschwichtigen. Cora saß neben ihnen, eine ruhige und heitere Zuschauerin, indem sie die kindischen Bewegungen ihrer jüngern Schwester mit jener Art von mütterlicher Zärtlichkeit betrachtete, die ihre Liebe zu Alice so eigenthümlich bezeichnete. Nicht blos die Gefahren, die sie überstanden hatten, sondern auch die zukünftigen, die sie noch bedrohten, schienen in diesem harmlosen Familienkreise vergessen. Es war, als ob sie den kurzen Waffenstillstand benützen wollten, um sich für einen Augenblick dem Ergusse der edelsten Zärtlichkeit hinzugeben. Die Töchter vergaßen ihre Befürchtungen, der Veteran seine Sorgen in der Sicherheit des Augenblicks. Duncan, welcher in dem Eifer, von seiner Sendung zu berichten, unangemeldet eingetreten war, blieb einige Augenblicke ein unbemerkter Zuschauer bei einer Scene, die ihn entzückte. Bald aber erblickte das lebhafte, bewegliche Auge Alicens seine Gestalt in einem Spiegel, sprang erröthend von ihres Vaters Knie auf und rief mit lauter Stimme:
»Major Heyward!«
»Was soll der Junge?« fragte ihr Vater, »ich schickte ihn zu dem Franzmann in’s Lager, um ein wenig mit ihm zu schwatzen. Ha! Sir, Sie sind jung und flink! Entfernt Euch, Ihr Schelme! hat der Soldat nicht Beschwerden genug, muß er auch noch das Lager voll solcher Schwätzerinnen haben, wie Ihr seyd?«
Alice folgte lächelnd ihrer Schwester, welche sie aus dem Zimmer führte, wo man ihre Gegenwart nicht länger wünschte. Munro schritt, statt den jungen Mann nach dem Ergebniß seiner Sendung zu fragen, einige Augenblicke in dem Zimmer auf und nieder, die Hände auf dem Rücken und das Haupt zu Boden gekehrt, als ob er in tiefes Nachdenken versunken wäre. Endlich erhob er seine Augen, die in dem Ausdruck väterlicher Zärtlichkeit erglänzten, und rief:
»‘s sind ‘n paar köstliche Mädchen, Heyward, auf die sich ein Vater was zu Gute thun darf.«
»Sie wollen, hoffe ich, gewiß nicht erst meine Meinung über Ihre Töchter kennen lernen, Obrist Munro?«
»‘s ist wahr, Junge, ja,« unterbrach ihn der ungeduldige Alte. »Sie wollten mir Ihr Herz am Tage Ihrer Ankunft umständlicher öffnen, und ich glaubte, es zieme sich für einen alten Soldaten nicht, von Hochzeitfreuden und Hochzeitscherzen zu sprechen, wenn die Feinde seines Königs sich als ungebetene Gäste bei dem Feste einfinden könnten! Aber es war Unrecht von mir, Duncan! Junge, ‘s war Unrecht und ich bin jetzt bereit zu vernehmen, was Sie mir zu sagen haben.«
»So viel Freude mir Ihre Versicherung macht, theuerster Herr, so habe ich Ihnen jetzt eine Botschaft von Montcalm« –
»Laßt den Franzmann mit seinem ganzen Heere zum Teufel gehen!« rief der ungestüme Veteran. »Er ist noch nicht Meister von William Henry, und soll es auch nie werden, wofern Webb seine Schuldigkeit thut. Nein, Sir, dem Himmel sey Dank, wir sind noch nicht so in der Klemme, daß Munro nicht einen Augenblick seinen häuslichen Angelegenheiten widmen könnte. Ihre Mutter war das einzige Kind meines Busenfreundes, Duncan, und ich will Sie jetzt anhören, wenn auch alle Ritter von St. Louis vor dem Ausfallthor stünden mit ihrem französischen Heiligen an der Spitze, und ein Wörtchen mit mir sprechen wollten. Ein sauberer Ritterorden, den man mit Zuckertonnen kaufen kann, und dann ihre Pfennigmarquisate! Die Distel ist der Orden der Ehre und des Alterthums; das wahre nemo me impune lacessit des Ritterthums; Sie hatten Ahnen, Duncan, in diesem Orden, und sie waren eine Zierde der schottischen Ritterschaft.«
Heyward, welcher wahrnahm, daß sein Oberer ein boshaftes Vergnügen daran fand, die Botschaft des französischen Generals verächtlich zu machen, wollte einem Spleen keine Nahrung geben, von dem er wußte, daß er nur von kurzer Dauer seyn werde, und erwiederte deshalb mit so viel