Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper
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Читать онлайн книгу Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper - James Fenimore Cooper страница 185
Während dieser Augenblicke tiefer Stille wurde der Vorhang vor dem Eingange eines geräumigen Zeltes in dem französischen Lager bei Seite geschoben, und ein Mann schlüpfte unter demselben in die freie Luft hervor. Er war in einen Mantel gehüllt, der ihn gegen die kalten Dünste der Wälder schützen, aber auch seine ganze Gestalt verbergen sollte. Ungehindert ließ ihn der Grenadier, welcher den schlummernden französischen Befehlshaber zu bewachen hatte, vorüber, und die Schildwache machte nur das gewöhnliche Zeichen militärischer Ehrerbietung, als er flüchtigen Schritts durch die kleine Zeltstadt in der Richtung von William Henry forteilte. So oft der Unbekannte auf eine der zahlreichen Schildwachen auf seinem Wege stieß, war seine Antwort kurz und, wie es schien, befriedigend, denn man ließ ihn überall ohne weitere Ausforschung vorüber. Mit Ausnahme solcher oft wiederholten aber kurzen Unterbrechungen störte ihn auf seiner stillen Wanderung von der Mitte des Lagers bis zu den äußersten Vorposten nichts. Als er sich dem Soldaten näherte, der zunächst an den feindlichen Festungswerken Wache hielt, ward er mit dem gewöhnlichen Rufe empfangen: »Wer da?«
»Frankreich,« war die Antwort.
»Die Losung?« –
»Der Sieg!« sprach der Andere, ihm so nahe tretend, daß er ihm seine Antwort zuflüstern konnte.
»Gut,« versetzte die Schildwache, die Muskete wieder auf die Schulter nehmend, »Ihr geht frühe spazieren, Herr!«
»Man muß wachsam seyn, mein Kind,« bemerkte der Andere, indem er eine Falte seines Mantels fallen ließ und beim Vorübergehen den Soldaten scharf in’s Gesicht faßte, indem er seinen Weg nach den brittischen Bastionen verfolgte. Der Soldat fuhr auf, seine Waffen erklirrten stark, als er sie zum ehrerbietigsten militärischen Gruße vorwarf, und ging dann, seine Flinte wieder aufnehmend und zwischen den Zähnen murmelnd, auf und nieder.
»Gewiß muß man wachsam seyn! Ich glaube, wir haben da einen Korporal, der nie ein Auge schließt!«
Der Offizier that nicht, als hatte er die Worte, welche der überraschten Schildwache entschlüpften, gehört, und ging weiter, bis er das niedrige Ufer des Sees in der etwas gefährlichen Nähe der westlichen Wasserbastion des Forts erreichte. Das Licht des überwölkten Mondes reichte eben hin, die Umrisse der Gegenstände schwach unterscheiden zu lassen. Er gebrauchte daher die Vorsicht, sich an den Stamm eines Baumes zu stellen, wo er sich eine Weile anlehnte, und die dunkeln, stillen Erddämme der englischen Festungswerke mit gespannter Aufmerksamkeit zu betrachten schien. Sein Blick nach den Bollwerken war nicht der eines neugierigen oder müßigen Gaffers, sondern wanderte von einem Punkt zum andern und bewies militärische Kenntniß, verrieth aber auch, daß seine Untersuchung nicht ganz frei von Mißtrauen war. Endlich schien er befriedigt, er warf die Augen ungeduldig auf das östliche Gebirge, als könnte er den Anbruch des Morgens nicht erwarten, und war im Begriff, wieder zurückzukehren, als ein leises Geräusch auf der nächsten Ecke der Bastion sein Ohr erreichte und ihn zu bleiben bewog.
Eben näherte sich eine Gestalt dem Rande der Brustwehr, wo sie stehen blieb und die entfernten Zelte des französischen Lagers zu betrachten schien. Ihr Haupt wandte sich nach Osten, als sehe sie dem nahenden Tage mit Bangigkeit entgegen, und schien dann, an den Erdwall gelehnt, die klare Fläche der Wasser zu überblicken, die wie ein zweites Firmament das Bild von tausend Sternen wiederstrahlte. Das melancholische Aussehen, die Stunde und der hohe Wuchs des Mannes, welcher sich sinnend an die englische Brustwehr gelehnt hatte, ließ den aufmerksamen Beobachter über die Person nicht im Zweifel. Zartgefühl nicht minder als Klugheit geboten ihm nun, sich zurückzuziehen, und vorsichtig hatte er sich um den Baumstamm gedreht, um nicht bemerkt zu werden, da zog ein anderer Laut seine Aufmerksamkeit auf sich und ließ ihn abermal stille stehen. Leise, kaum hörbar bewegte sich das Wasser, dann war es, als ob Kieselsteine sich aneinander rieben. In einem Nu erhob sich eine dunkle Gestalt, wie aus dem See, und schlich geräuschlos an das Land, einige Schritte von der Stelle, wo er stand. Nächstdem erhob sich zwischen seinen Augen und dem Wasserspiegel eine Büchse, aber ehe sie noch losgeschossen werden konnte, war schon seine Hand auf dem Schloß.
»Hugh!« rief der Wilde, dessen verrätherische Absicht so seltsam und unerwartet unterbrochen worden war.
Ohne ein Wort zu sprechen, legte der französische Offizier seine Hand auf die Schulter des Indianers und führte ihn in tiefem Stillschweigen von der Stelle weg, wo ihr folgendes Zwiegespräch hätte gefährlich werden können, und wo wenigstens einer von ihnen ein Schlachtopfer zu suchen schien. Den Mantel zurückschlagend, um seine Uniform und das Ludwigskreuz an seiner Brust zu zeigen, fragte jetzt Montcalm in strengem Tone:
»Was soll das? Weiß mein Sohn nicht, daß die Kriegsart begraben ist zwischen dem Engländer und seinem canadischen Vater?«
»Was sollen die Huronen beginnen?« entgegnete der Wilde, ebenfalls französisch, aber nur unvollkommen sprechend. »Kein Krieger hat einen Skalp und die Blaßgesichter werden Freunde.« »Ha! Le Renard Subtil! Mich dünkt, ein übertriebener Eifer für einen Freund, der jüngst noch ein Feind war! Wie viele Sonnen gingen unter, seitdem le Renard den Kriegspfahl der Engländer berührt hat!«
»Wo ist jene Sonne?« fragte der trotzige Wilde. »Hinter den Bergen, und sie ist schwarz und kalt. Aber wenn sie wieder kommt, wird sie glänzen und warm seyn. Le Subtil ist die Sonne seines Stamms, Wolken und viele Berge waren zwischen ihm und seiner Nation; aber jetzt scheint er hell und es ist klarer Himmel!«
»Daß le Renard Macht über die Männer seines Volkes hat, weiß ich wohl,« sprach Montcalm, »denn gestern jagte er noch nach ihren Skalpen, und heute hören sie ihn bei dem Versammlungsfeuer.«
»Magua ist ein großer Häuptling.«
»Er zeig’ es dadurch, daß er sein Volk lehrt, wie es sich gegen unsere neuen Freunde zu betragen hat.«
»Warum führte der Häuptling von Canada seine jungen Krieger in die Wälder und feuerte sein Geschütz nach dem Haus von Erde ab?« fragte der schlaue Indianer.
»Um es in Besitz zu nehmen. Meinem Herrn gehört das Land und Euer Vater bekam den Befehl, diese englischen Eindringlinge daraus zu vertreiben. Sie willigen ein, zu gehen, und jetzt heißt er sie nicht mehr Feinde.«
»Das ist gut. Aber Magua nahm die Kriegsaxt, um sie mit Blut zu färben. Jetzt glänzt sie; wenn sie roth ist, soll sie wieder begraben werden.«
»Aber Magua ist verpflichtet, Frankreichs Lilien nicht zu beflecken. Die Feinde des großen Königs über dem Salzsee sind seine Feinde; seine Freunde die Freunde der Huronen.«
»Freunde!« wiederholte der Indianer verächtlich, »Der Vater Magua’s lasse ihn seine Hand nehmen.«
Montcalm, welcher wußte, daß er seinen Einfluß auf die kriegerischen Stämme, die er versammelt hatte, mehr durch Nachgiebigkeit, als durch Gewalt behaupten könne, willfahrte ihm widerstrebend. Der Wilde legte den Finger des französischen Befehlshabers in eine tiefe Narbe auf seiner Brust und fragte dann frohlockend:
»Weiß mein Vater, was dies ist?«
»Welcher Krieger sollte das nicht wissen? Es ist von