Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper
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Achtzehntes Kapitel.
Ja, so etwas:
Ein ehrenwerther Mörder, wenn Ihr wollt; –
That Nichts aus Haß, der Ehre wegen Alles.
Othello.
Die blutige, barbarische Scene, die wir im vorigen Kapitel mehr nur flüchtig erwähnt, als im Einzelnen geschildert haben, führt in der Geschichte der Kolonien den wohlverdienten Namen des »Blutbads von William Henry.« Der Ruf des französischen Heerführers hatte schon durch einen früheren Vorgang ganz ähnlicher Art gelitten, und diesen neuen Flecken konnte selbst sein frühzeitiger, ruhmvoller Tod nicht völlig tilgen. Die Zeit hat ihn jetzt etwas verwischt, und Tausende, die erfahren haben, daß Montcalm auf den Ebenen von Abraham den Tod eines Helden starb, wissen vielleicht nicht, wie sehr es ihm an jenem moralischen Muthe gebrach, ohne den es keine wahre Größe gibt. Seiten ließen sich schreiben, um an diesem allbekannten Beispiele die Mängel menschlicher Vortrefflichkeit zu zeigen – um darzuthun, wie die Eigenschaften der Großmuth, feiner Höflichkeit und ritterlicher Tapferkeit vor dem erstarrenden Frosthauch der Selbstsucht dahinschwinden, und wie ein Mann, groß nach allen niederen Attributen des Charakters, zu Falle kommen kann, wenn es gilt, zu zeigen, wie hoch über der Politik die Forderungen des Sittengesetzes stehen. Aber diese Aufgabe würde die Gränzen unsres Werkes überschreiten; und da die Geschichte, gleich der Liebe, ihre Helden so gern mit einem Heiligenschein umgibt, so wird wohl die Nachwelt in Louis de Saint Veran nur den ritterlichen Vertheidiger seines Vaterlandes erblicken und seine grausame Fühllosigkeit an den Ufern des Oswego und des Horican vergessen. Mit Bedauern über diese Schwäche unsrer Schwestermuse, treten wir aus ihrem geheiligten Gebiete zurück auf das Feld unsres eigenen bescheidenern Berufs.
Der dritte Tag nach der Uebergabe des Forts ging zu Ende; doch muß der Leser noch etwas an den Ufern des heiligen Sees verweilen. Als wir seine Gewässer zuletzt sahen, waren die Umgebungen der Festungswerke der Schauplatz der Gewaltthat und des Aufruhrs; jetzt herrschte dort eine Todtenstille. Die blutbefleckten Sieger waren abgezogen; und ihr Lager, das erst noch vom Jubelruf eines siegreichen Heeres ertönt hatte, war nun eine verlassene Hüttenstadt. Die Festung lag in rauchenden Trümmern: verkohltes Sparrwerk, Stücke zerrissenen Geschützes, zersprengtes Mauerwerk sah man in verworrener Unordnung auf den Erdwällen umher zerstreut.
Ein grauenhafter Wechsel war selbst in der Witterung eingetreten. Die Sonne hatte ihre wärmenden Strahlen hinter eine undurchdringliche Dunstmasse verborgen, und Hunderte lebloser menschlicher Gestalten, welche die glühende Hitze des Augusts geschwärzt hatte, erstarrten vor einem Winde, der mit der Strenge des Novemberfrostes daherstürmte. Die wogenden Nebelwolken, welche über die Berge nach Norden zogen, wurden jetzt mit der Wuth eines Orkans in einem endlosen, schwarzen Streifen nach Süden getrieben. Der ruhige Spiegel des Horican war dahin: statt seiner peitschten grüne, ungestüme Fluten die Ufer, als ob sie alle Unreinigkeit unwillig an den entweihten Strand zurückwerfen wollten. Doch immer noch behielt das weite Becken einen Theil seiner Klarheit, spiegelte aber nur das düstere Gewölk zurück, das den Himmel über ihm verdeckte. Die liebliche, feuchte Atmosphäre, welche sonst der Landschaft Reiz verlieh und den Charakter der Wildheit und Strenge milderte, war verschwunden, und der Nordwind brauste so scharf und ungestüm über die Wasserfläche, daß weder dem Auge, noch der Einbildungskraft etwas blieb, mit dem sie sich gerne hätten beschäftigen können. Das ungestüme Element hatte das Grün der Ebene so verdorren lassen, als wenn ein verzehrender Blitzstrahl darüber hingefahren wäre. Hier und da erhoben sich dunkelgrüne Stellen, inmitten der Verödung, als wollten sie die künftige Fruchtbarkeit des mit Menschenblut getränkten Bodens verkündigen.
Die ganze Landschaft, welche bei günstiger Beleuchtung und Temperatur so lieblich erschien, glich jetzt einem Bilde des Lebens, wo die Gegenstände in ihren grellsten, aber treuen Farben hervortreten, doch ohne durch irgend einen Schatten gemildert zu werden.
Wenn aber die vereinzelten, versengten Grashalme sich vor den darüber hinstreichenden Windstößen nur furchtsam erheben konnten, so traten dagegen die kühnen Felsenberge in ihrer Nacktheit um so deutlicher hervor, und vergeblich suchte das Auge einen Ruhepunkt, indem es die unbegränzte Leere des Himmels, der durch trübe, dahintreibende Nebelzüge dem Blicke verschlossen war, zu durchdringen suchte.
Der Wind blies ungleich: bald strich er dicht über dem Boden hin, als wollte er sein dumpfes Stöhnen in das kalte Ohr der Todten flüstern, bald erhob er sich in ein schrilles, klägliches Pfeifen und fuhr in die Wälder mit einem Ungestüm, welches die Luft mit abgerissenen Blättern und Zweigen erfüllte. Mitten in diesem unnatürlichen Regenschauer kämpften einige hungrige Raben mit dem Sturm, waren aber nicht sobald über das grüne Wäldermeer, das unter ihnen flutete, hinweg, als sie aufs neue zu der willkommenen, scheußlichen Mahlzeit niederschossen, die dort ihrer wartete.
Mit einem Wort, es war eine Scene wilder Verödung; und es schien, als hätte der unerbittliche Arm des Todes Alle ergriffen, die sich in seine Nähe wagten. Doch dieser Bann war vorüber: und zum Erstenmale, nachdem die Urheber jener Gräuelthaten, die den Schauplatz hatten entweihen helfen, verschwunden waren, wagten es wieder menschliche Wesen, dem Orte zu nahen.
An dem bereits erwähnten Tage, etwa eine Stunde vor Sonnenuntergang, sah man fünf Männer aus dem Waldpfade, der nach dem Hudson führt, hervortreten und den zerstörten Festungswerken zuschreiten. Ihre ersten Schritte waren langsam und vorsichtig, als ob sie nur widerstrebend in den Bereich dieses Ortes träten, oder die Wiederholung seiner Schreckensscenen fürchteten. Die leichte Gestalt eines Jünglings schritt den andern voran mit der Vorsicht und Gewandtheit eines Eingebornen, stieg auf jeden kleinen Hügel, um zu spähen und zeigte durch Geberden seinen Begleitern den Weg, welchen er für den sichersten hielt. Auch die ihm Folgenden ließen es nicht an jener Vorsicht und Wachsamkeit fehlen, die bei einem Kriege in den Wäldern unerläßlich ist. Einer unter ihnen, ebenfalls ein Indianer, hielt sich etwas bei Seite, indem er seine Augen, gewohnt, die nahende Gefahr an dem leisesten Zeichen zu erkennen, unverwandt auf den Saum der Wälder heftete: die drei andern waren Weiße, aber in einem Anzug, der nach Stoff und Farbe für ihr gefahrvolles Unternehmen berechnet war – einem sich zurückziehenden Heere in der Wildniß auf dem Fuße zu folgen.
Die Eindrücke der schrecklichen Scenen, die sich mit jedem Schritte auf ihrem Wege nach dem See den Augen der Wanderer darboten, waren so verschieden als ihre Charaktere. Der Jüngling warf, leichten Schrittes über die Ebene wandelnd, ernste aber verstohlene Blicke auf die verstümmelten Schlachtopfer, ängstlich, die Gefühle, die sich ihm aufdrangen, zu verbergen, und doch zu unerfahren, um ihrem mächtigen Einflusse sich ganz entziehen zu können. Sein rother Gefährte dagegen war weit über eine solche Schwäche erhaben. Festen Schrittes und mit ruhiger Miene ging er durch die Gruppen von Leichnamen hin, so daß man wohl erkannte, lange Gewohnheit habe ihn mit dergleichen Scenen vertraut gemacht. Selbst die Gefühle, welche dieser Anblick in den Gemüthern der Weißen erregte, waren verschiedener Art, doch herrschte bei ihnen Allen der Kummer vor. Der Eine, obwohl jetzt als Waidmann verkleidet, verrieth durch seine grauen Haare, die gefurchte Stirne und seine kriegerische Haltung einen Mann, der an Scenen des Krieges schon lange gewohnt war; er schämte sich aber gleichwohl nicht, laut zu seufzen, wenn ein ungewöhnlich schrecklicher Anblick ihm vor Augen trat. Der junge Mann an seiner Seite schauderte, schien aber aus zarter Schonung für seinen Begleiter solche Empfindungen zu unterdrücken. Unter ihnen allen sprach allein der Letzte, welcher gleichsam den Nachtrab bildete, seine Empfindungen ohne Scheu und Rückhalt laut aus. Mit Blicken