Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper - James Fenimore Cooper страница 190
Der Leser wird in den beschriebenen Personen alsbald die Mohikaner und ihren weißen Freund nebst Munro und Heyward erkannt haben. Es war wirklich der Vater, der seine Kinder suchte, begleitet von dem jungen Manne, der so innigen Antheil an ihrem Schicksale nahm, und von den wackern und zuverlässigen Waldbewohnern, welche schon in so gefahrvollen Begegnissen Beweise ihres Geschicks und ihrer Treue gegeben hatten.
Als Uncas, welcher voranging, die Mitte der Ebene erreicht hatte, stieß er einen Schrei aus, der sogleich die Gefährten an seine Seite rief. Der junge Krieger stand vor einer Gruppe von Weibern, welche, eine verworrene Masse von Leichen, beisammen lagen. So abschreckend auch die Aufgabe war, so eilten gleichwohl Munro und Heyward auf den Haufen zu, und suchten mit einem Eifer, den keinerlei Scheu mindern konnte, nach Spuren der Vermißten unter den zerstreuten und bunten Gewändern, die umherlagen. Der Vater und der Liebende fanden in dem Ergebniß ihrer Nachforschung augenblickliche Erleichterung, obgleich sie sich wieder aufs neue zu den Qualen einer Ungewißheit verurtheilt sahen, die fast eben so peinlich als die schreckhafteste Ueberzeugung ist. In nachdenkliches Stillschweigen versunken standen sie vor den Todten, als der Kundschafter herbeikam. Die klägliche Scene mit Entrüstung betrachtend, sprach der derbe Waldbewohner zum Erstenmale, seit sie die Ebene betraten, laut und verständlich:
»Ich habe mehr als ein grauenvolles Schlachtfeld gesehen und die Spuren des Blutes oft manche ermüdende Meile weit verfolgt, aber nie habe ich die Hand des Teufels so sichtbar im Spiele gefunden, als hier! Rache ist ein Gefühl des Indianers, und alle, die mich kennen, wissen, daß kein Tropfen ihres Blutes in meinen Adern rinnt; aber so viel will ich sagen – hier, im Angesicht des Himmels, und vor dem Allgewaltigen, der in der heulenden Wildniß seine Macht so laut verkündet – wenn diese Franzosen mir wieder in Schußweite kommen, so gibt es eine Büchse, die ihre Schuldigkeit thut, so lange der Stein noch Feuer gibt und das Pulver zündet! – den Tomahawk und das Messer überlasse ich denen, die von der Natur angewiesen sind, sie zu führen. »Was sagst du dazu, Chingachgook?« fuhr er in Delawarischer Sprache fort; »sollen die Huronen sich dessen gegen ihre Weiber rühmen, wenn der tiefe Schnee fällt?«
Ein Rachestrahl blitzte über die finstern Züge des Mohikaner-Häuptlings, er lockerte sein Messer in der Scheide, wandte aber sein Auge von dem Anblick wieder ab und sein Gesicht wurde so ruhig, als wäre ihm jede Leidenschaft fremd.
»Montcalm! Montcalm!« fuhr der tiefentrüstete Kundschafter fort, der sich weniger Zwang auferlegte; »man sagt, es komme eine Zeit, wo man alle seine Handlungen auf Erden mit Einem Blicke überschaue und zwar mit Augen, die von menschlicher Schwäche gereinigt sind! Wehe dann dem Elenden, der geboren ist, um Rechenschaft von dem abzulegen, was sich auf der Ebene hier begeben hat. Ha – ich bin ein Mann von weißem Blut, aber dort liegt eine Rothhaut, der man den Schopf abgezogen hat. Sieh nach ihm, Delaware, ‘s ist vielleicht einer von eurem Volk, den Ihr vermißt! und der sollte ein Begräbniß haben, wie’s ein wackerer Krieger verdient. Ich les’ es in deinen Augen, Sagamore: ein Hurone zahlt dafür, eh’ noch die Winde von den Wasserfällen den Geruch seines Blutes weggeweht!
Chingachgook nahte sich dem Verstümmelten, und ihn umkehrend, gewahrte er die unterscheidenden Zeichen Eines aus den sechs verbündeten Stämmen oder Nationen, wie man sie nannte, die, obgleich sie in den Reihen der Engländer fochten, Todfeinde seines Volkes waren. Den unwillkommenen Gegenstand verächtlich mit dem Fuße zurückstoßend, wandte er sich mit derselben Gleichgültigkeit ab, als ob es die Ueberreste eines Thieres gewesen wären. Der Kundschafter begriff die Meinung des Andern wohl und verfolgte bedächtlich seinen Weg, während er fortfuhr, seine rachedürstenden Verwünschungen gegen den französischen Heerführer auszustoßen.
»Nur der tiefsten Weisheit und schrankenloser Macht sollte es zustehen, so viel Menschen auf einmal wegzuraffen,« sprach er; »denn der ersten nur kommt es zu, die Zeit des Gerichts zu bestimmen und wer will sich der zweiten vergleichen, die die Geschöpfe Gottes zu ersetzen im Stande ist? Ich halte es schon für eine Sünde, einen zweiten Rehbock zu schießen, ehe der erste verzehrt ist; ich müßte denn einen Marsch in der Fronte oder einen Hinterhalt vorhaben. Etwas Anderes ist es, wenn man mit wenigen Kriegern in offenem, herbem Kampfe ist; da gilt es den Tod mit der Büchse oder dem Tomahawk in der Hand, je nachdem Eines Haut gerade roth oder weiß ist. Uncas, komm her, Junge, und laß die Raben auf dem Mingo sich niedersetzen; ich weiß, sie haben eine Vorliebe für das Fleisch eines Oneida, und der Vogel mag seinem natürlichen Appetit folgen.«
»Hugh!« rief der junge Mohikan, auf die Spitzen seiner Zehen tretend und aufmerksam geradeaus blickend, indem er die Raben durch den Laut und die Bewegung auf eine andere Beute scheuchte.
»Was gibt es, Junge?« flüsterte der Kundschafter, seine hohe Gestalt wie ein Panther zusammendrückend, der auf seine Beute losspringen will. »Gott gebe, daß es ein saumseliger Franzose ist, der noch plündern will. Ich glaube, mein Wildtödter würde sich heute ganz besonders gut halten.«
Ohne zu antworten, enteilte Uncas und hatte einen Augenblick darauf von einem Gebüsch ein Stückchen von Cora’s grünem Schleier herabgeholt, das er nun wie im Triumphe schwang. Die Bewegung, die Geberde und der Schrei, der den Lippen des jungen Mohikaners entfuhr, riefen die Andern im Augenblick herbei.
»Mein Kind,« rief Munro mit ungestümer, wilder Stimme; »gebt mir mein Kind!«
»Uncas will’s versuchen,« war die kurze und bewegliche Antwort.
Diese einfache aber bedeutungsvolle Zusage ward von dem Vater nicht beachtet. Er ergriff das Stückchen Schleier, preßte es krampfhaft in die Hand, während seine stieren Blicke sich auf die Büsche umher hefteten, als hoffte oder fürchtete er, sie möchten ein Geheimniß enthüllen.
»Hier sind keine Todte!« sprach Heyward, »der Sturm scheint nicht diesen Weg genommen zu haben.«
»Das ist so klar, wie der Himmel über uns,« bemerkte der unverzagte Kundschafter; »aber entweder sie selbst oder diejenigen, die sie entführten, sind durch dieses Gebüsch gedrungen; »ich erinnere mich noch recht gut, daß sie diesen Lappen trug, um ein Gesicht zu verbergen, in das Alle so gern schauten. Uncas, du hast Recht; das schwarzlockige Mädchen ist hier gewesen und wie ein verscheuchtes Hirschkalb in den Wald geflohen – und wer hätte sich auch der Flucht entzogen, um sich morden zu lassen? Wir wollen nach ihrer Spur forschen; es ist mir oft, als ob für ein Indianerauge selbst der Kolibri Merkzeichen in der Luft zurücklassen müßte.«
Der Mohikaner stürzte während dieser Bemerkung fort, und kaum hatte der Kundschafter ausgeredet, so erhob der Erstere vom Saume des Waldes ein neues Freudengeschrei. Als sie an die Stelle kamen, gewahrten sie ein zweites Stückchen Schleier, das an dem niedrigen Aste einer Buche flatterte.
»Gemach! gemach!« rief der Kundschafter, dem eiligen Heyward die lange Büchse vorhaltend; »wir wissen jetzt, wo wir daran sind; aber die Schönheit der Spur darf nicht entstellt werden. Ein Schritt zu früh kann uns Stunden lang zu schaffen machen; wir haben sie; das ist nicht zu läugnen.«
»Gott segne euch, Gott segne euch, würdiger Mann!« rief Munro; »wohin sind sie denn geflohen, und wo sind meine Lieben?«
»Der Weg, den sie genommen haben, hängt von mancherlei Umständen ab. Wenn sie allein geflohen sind, so können sie ebensowohl im Kreis herum, als gerade aus gegangen seyn; dann sind sie wohl nicht mehr als zwölf Meilen von uns. Haben aber die Huronen, oder andere französische Indianer Hand an sie gelegt, so sind sie wahrscheinlich bereits den Gränzen Canadas nahe. Aber was thut das?« fuhr der besonnene Kundschafter fort, der Angst und Bestürzung in den Mienen seiner Zuhörer las; »hier sind die Mohikaner und ich an dem einen Ende der Fährte, und verlaßt euch darauf, wir finden das andere, wenn auch hundert Stunden dazwischen lägen! Sachte! sachte; Uncas! du bist so ungeduldig, wie einer aus den Kolonien! du vergißt, daß leichte Füße nur schwache Spuren hinterlassen!«