Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper
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Читать онлайн книгу Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper - James Fenimore Cooper страница 217
Eine Stellung annehmend, die der Weise des nachzuahmenden Thieres entsprach, kroch Hawk-eye nach einer kleinen Oeffnung, durch die er das Innere überblicken konnte. Die Hütte war Davids Zufluchtsort. Hieher hatte sich der getreue Singmeister begeben, mit seinen Sorgen, Befürchtungen und seinem demüthigen Vertrauen in den Schutz des Himmels. In demselben Augenblick, da Gamut’s unförmliche Gestalt dem Kundschafter unter die Augen trat, war der Waidmann selbst, obwohl in der täuschenden Bärenhülle, der Gegenstand tiefsten Nachsinnens für den einsamen Sänger.
So unbedingt auch David auf die Wirklichkeit der alten Wunder baute, so mied er doch den Glauben an eine unmittelbare übernatürliche Einwirkung auf den Gang des jetzigen Weltlaufs. Mit andern Worten: während er unbedingt an die Sprechfähigkeit von Bileam’s Esel glaubte, war er doch über das Singtalent des Bären noch in einigem Zweifel; und doch hatten ihm für das Letztere seine eigenen vortrefflichen Organe Zeugniß abgelegt. Es lag in seiner Miene und seiner Geberdung etwas, das dem Kundschafter eine völlige Verwirrung des Geistes verrieth. Er saß auf einem Bündel Sträucher, die hie und da einen kleinen Beitrag zur Nährung seines bescheidenen Feuers gaben, das Haupt auf einen Arm gestützt, in einer Stellung melancholischen Nachdenkens. Das Costüm des Jüngers der Musik hatte außer der neulich erwähnten keine weitere Veränderung erlitten; nur hatte er seinen Kahlkopf mit einem dreieckigen Biberhute bedeckt, der nicht anziehend genug gewesen war, die Habgier eines der Sieger zu reizen.
Der scharfsinnige Kundschafter, der Hast eingedenk, mit welcher jener seinen Posten am Bette der kranken Frau verlassen hatte, war nicht ohne Muthmaßungen über den Gegenstand einer so feierlichen Betrachtung geblieben. Nachdem er die Runde um die Hütte gemacht und sich versichert hatte, daß sie ganz vereinzelt dastehe, wagte er, überzeugt bei dem Gemüthszustande des Bewohners vor Besuchern geschützt zu seyn, durch die niedere Thüre einzutreten, gerade vor Gamut hin. Die Stellung des Letzteren ließ das Feuer gerade zwischen ihnen, und als Hawk-eye sich auf seine Hinterbeine gelassen, sahen sie einander nahezu eine Minute lang sprachlos an. Diese plötzliche, so sehr überraschende Erscheinung war beinahe zu viel, ich will nicht sagen für die Philosophie, aber für den Glauben und die Entschlossenheit Davids. Er tappte nach seiner Pfeife und erhob sich in der dunkeln Absicht eine musikalische Beschwörung zu versuchen.
»Finsteres, geheimnißvolles Ungeheuer!« rief er, mit zitternden Händen seine hülfreiche Brille auf der Nase befestigend und nach dem nie fehlenden Helfer in der Noth, der gefeierten Psalmen-Uebersetzung suchend; »ich weiß nicht, wer du bist, noch was du begehrest: verfolgst du aber die Person und die Rechte eines der demüthigsten Diener des Tempels, so höre die begeisterte Sprache des Jünglings in Israel und hebe reuevoll dich von hinnen!«
Der Bär schüttelte seinen zottigen Körper, und eine wohlbekannte Stimme erwiederte:
»Steckt euer Pfeif-Instrument ein und lehrt eure Kehle Bescheidenheit! Fünf Worte einfaches, verständliches Englisch sind jetzt gerade so viel werth, als stundenlanges Schreien!«
»Wer bist du?« fragte David, durchaus unfähig, seine ursprüngliche Absicht auszuführen, und beinahe nach Athem schnappend.
»Ein Mensch, wie ihr, dessen Blut sowenig von einem Bären oder einem Indianer hat, als das eurige. Habt ihr sobald vergessen, von wem das närrische Instrument kommt, das ihr da in der Hand haltet?«
»Ist es möglich?« rief David, freier athmend, als ihm die Wahrheit zu tagen begann. »Gar manches Wunderbare habe ich seit meinem Aufenthalte unter den Heiden gesehen; aber hierüber geht nichts!«
»Kommt, kommt,« versetzte Hawk-eye, sein ehrliches Gesicht enthüllend, um das wankende Vertrauen seines Freundes noch mehr zu befestigen; »da seht ihr eine Haut, die zwar nicht so weiß wie ein Mädchengesicht ist, aber doch nicht mehr Röthe hat. als Wind und Sonne ihr gegeben haben. Aber jetzt an die Arbeit!«
»Zuerst erzählt mir von dem Mädchen und dem jungen Manne, der sie muthig aufgesucht hat,« unterbrach ihn David.
»Ja, die sind glücklich vor den Tomahawks der Schufte gerettet. Könnt ihr mich aber auf Uncas’ Fährte bringen?«
»Der junge Mann ist in Banden, und ich fürchte sehr, sein Tod ist beschlossen! Es thut mir sehr weh, daß ein so reich begabter Mensch in Unwissenheit dahinfährt – ich habe eine so schöne Hymne aufgesucht« –
»Könnt ihr mich zu ihm führen?«
»Das wird nicht schwer seyn!« antwortete David zögernd, »obgleich ich sehr fürchte, daß eure Gegenwart sein Unglück eher steigern, als erleichtern wird,«
»Kein Wort mehr! Führt mich zu ihm!« versetzte Hawk-eye, sein Gesicht wieder verbergend, indem er, das beste Beispiel gebend, sogleich die Hütte verließ.
Unterwegs erfuhr der Kundschafter, daß sein Gefährte bereits einmal Zugang zu Uncas gefunden habe, kraft des Vorrechts, das ihm seine vermeintliche Geistesschwäche verlieh, und durch die Gunst eines der Wächter, den er für sich eingenommen und schon früher, weil er etwas englisch verstand, zu einem Gegenstande der Bekehrung ausersehen hatte.
Wie weit der Hurone die Absichten seines neuen Freundes begriff, läßt sich nicht entscheiden; weil aber ausschließliche Aufmerksamkeit einem Wilden ebenso schmeichelhaft ist, als civilisirteren Menschen, so war der schon erwähnte Erfolg leicht erklärlich. Wir wiederholen nicht, mit welcher Gewandtheit der Kundschafter dem schlichten David diese Einzelheiten zu entlocken wußte; auch verweilen wir nicht bei den Anweisungen, die er ihm gab, nachdem er im Besitze der nöthigen Thatsachen war, da das Ganze dem Leser im Verlaufe der Erzählung hinlänglich klar werden wird. Die Hütte, in welche Uncas eingeschlossen war, stand in der Mitte des Dorfes, und in einer Lage, die jede unbemerkte Entfernung oder Annäherung gleich schwer machte. Hawk-eye’s Politik erforderte aber auch nicht den leisesten Schein von Heimlichkeit. Im Vertrauen auf seine Verkleidung und sein Geschick, die übernommene Rolle durchzuführen, schlug er den geradesten und nächsten Weg nach der Wohnung ein. Die nächtliche Stunde gewährte ihm jedoch einigermaßen den Schutz, auf welchen er so wenig Werth zu legen schien. Die Knaben lagen bereits in tiefem Schlafe, und die Weiber so wie die meisten Krieger hatten sich für die Nacht in ihre Hütten begeben. Nur vier oder fünf Wilde hielten sich in der Nähe des Haft-Ortes auf, um das Benehmen ihres Gefangenen behutsam aber streng zu beobachten.
Als sie Gamut mit einem Begleiter in der wohlbekannten Maske eines ihrer angesehensten Beschwörer erblickten, machten sie Beiden ohne Widerrede Platz, hatten aber wie es schien keine Lust, sich zu entfernen. Im Gegentheil fühlten sie sich jetzt offenbar bestimmt, um so eifrigere Wächter zu bleiben, indem sie von einem solchen Besuche das Schauspiel geheimnißvoller Zauberbräuche erwarteten. Da der Kundschafter ganz unfähig war, mit den Huronen in ihrer Sprache zu reden, so mußte er die Unterhaltung allein an David überlassen. Trotz seiner Einfalt machte dieser dem empfangenen Unterricht alle Ehre und erfüllte selbst die kühnsten Hoffnungen seines Lehrers.
»Die Delawaren sind Weiber!« rief er, an den Wilden sich wendend, der ein wenig von der Sprache verstand, welche er redete; »die Yengeese, meine Landsleute, waren thöricht genug, ihnen zu sagen, sie sollten den Tomahawk gegen ihre Väter in Canada ergreifen, ohne ihres Geschlechtes zu gedenken! Wünscht mein Bruder zu hören, wie le Cerf agile um den Weiberrock bittet? – will er ihn am Pfahle vor den Huronen weinen sehen?«
Ein entschieden beifälliges »Hugh,« in scharfem Tone gesprochen, bewies, mit welcher Freude der Wilde Zeuge einer solchen Darlegung von Schwäche an einem lange gehaßten und so sehr gefürchteten Feinde seyn würde. »So laßt ihn bei Seite treten und der weise Mann wird den Hund