Auf phantastischen Pfaden. Группа авторов
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Ich spürte eine Hand auf meiner Schulter. Es war Omar. Er sah mich schweigend an. Er hatte seinen Vater an den Schott verloren, und wir hatten ihn überzeugen müssen, ihn dem Salz zu überlassen. Jetzt war es an ihm, mich im Leben zu halten.
Aber ich wollte nicht aufgeben, noch nicht.
„Ich will es nur noch einmal etwas weiter hier drüben versuchen“, sagte ich, erhob mich vorsichtig und ging ein paar Schritte weiter.
„Sihdi, es ist genug“, sagte Omar und fasste mich sanft am Arm. „Wir können nichts mehr für ihn tun.“
Halef konnte nicht sehen, wohin er trat, doch spürte er Steine unter seinen Sandalen, dann wieder weichen Untergrund, als ob unter dem Salzsee ein weiterer verborgen sei. Vielleicht befand er sich doch in der Dschehenna, der Hölle, und sein Führer brachte ihn lediglich zu dem ihm vorherbestimmten Platz. Die Angst legte sich um Halefs Brust wie Lederriemen, und mit jedem Schritt schnitten sie stärker ein. Er wurde langsamer und langsamer.
Der Fremde blieb stehen und musterte ihn.
So schnell gibst du auf?, schien sein Blick zu sagen.
Irgendetwas an seinem Retter erinnerte ihn an den Effendi, vielleicht der spöttische Blick. Halef gedachte all der Abenteuer, die sie zusammen ausgestanden hatten, und ihm wurde warm dabei ums Herz. Ich werde dich nicht enttäuschen, Sihdi, sagte er und spürte, wie sich das Lederkorsett um seine Brust lockerte und sein Atem wieder leichter ging. Mit der Luft strömte Hoffnung ein, und er nahm sich fest vor, den Weg tapfer und aufrecht bis zum Ende zu gehen, ganz gleich, was da noch kommen mochte.
Ich richtete mich auf, als plötzlich der Boden zu schwanken schien. Wie auf einer Eisscholle trieb ich ein Stück nach links. Auch die Tiere bemerkten die Veränderung und begannen unruhig zu werden. Etwas bewegte sich im Untergrund, als ob ein riesiger Lindwurm seine Kreise unter uns zog, bereit, jederzeit zuzuschnappen.
„Allah ïa Sahtir, o du Bewahrer, hilf uns!“, rief der Händler und warf sich auf die Knie. „Es geschieht genau wie in meinem Traum. Nur ein Baum kann uns jetzt noch retten.“
„Ein Baum, bist du verrückt geworden?“ Omar deutete auf das gleißende Weiß um uns. Er hatte Mühe, die Tiere beieinanderzuhalten. Wenn wir nicht bald festeren Untergrund finden würden, wären auch wir verloren.
Sie kamen an eine düstere Burg. In dem schummrigen Licht konnte Halef nur die Umrisse ausmachen. Zwischen zwei Toren stand ein Wächter mit gekreuzten Armen und einem Krummsäbel an der Seite. Er nickte Halefs Retter finster zu.
Der verneigte sich und schickte sich an zu gehen. Halef lief ihm hinterher. Noch einmal würde er nicht die Hand seines Retters loslassen und erneut eisiges und zugleich in der Kehle brennendes Wasser einatmen.
Doch der Wächter hielt ihn am Arm fest. Er deutete auf einen Teppich vor ihm.
Solange du dich darauf befindest, passiert dir nichts, hörte Halef eine tiefe Stimme in seinem Kopf. Und jetzt erkläre mir, warum ich dich nicht zu den anderen schicken soll.
Er stieß mit der Hand eines der Tore auf. Dahinter befand sich eine Höhle, in der eine dreiköpfige Bestie, eine Mischung aus Atlasbär und Schakal, an seinen Ketten rüttelte. Vor ihm lagen die zerrissenen Leiber anderer Opfer des Schott. Manche waren bereits bis auf die Knochen abgenagt, andere schienen erst vor Kurzem diesem Ungetüm zum Fraß vorgeworfen worden zu sein.
Halef wusste keine Antwort auf die Frage des Wächters.
Sollte das die Hölle sein? Aber wo befand sich dann Ssirath, die Brücke, die so schmal war wie die Klinge eines Schwertes, und das Kitab, das Buch der guten und der bösen Taten?
Der Wächter schien seine Gedanken zu hören, denn er sagte: Das hier ist der Seiteneingang, und drückte mit seiner Pranke das zweite Tor einen Spaltbreit auf.
Halef erblickte einen lieblichen Garten. Jasmin rankte sich an einem Holzgatter, in einem Brunnen plätscherte das Wasser, Palmen spendeten Schatten.
Ist das Dschennet, das Paradies?, fragte Halef.
So ist es, aber in deinem Fall ist wohl eher die Dschehennah, die Hölle hier links, angemessen, sagte der Wächter, und sein Lachen schepperte in Halefs Kopf.
Halef fiel auf die Knie. Allah akbar, Gott ist groß, ja, ich habe gesündigt, gewiss habe ich dem einen oder anderen Dummkopf mehr Piaster abgeschwatzt als angemessen, aber das ist doch keine Sünde.
Schweig!, donnerte es in seinem Schädel, und Halef presste die Hände gegen die Ohren.
Als die Stimme des Wächters verhallt war, fragte er kleinlaut: Was also wirfst du mir vor?
Du nennst dich Hadschi Halef Omar, sagte der Hüne. Ist es nicht so?
Halef nickte.
Wie der Vater und der Vater deines Vaters?
Wiederum nickte Halef. Er wusste, was jetzt kam, doch er wagte nicht zu sprechen.
Das ist auch gut so, sagte der Hüne in seinem Kopf, der offensichtlich Halefs Gedanken hören konnte.
Was geschieht mit Lügnern und Heuchlern?, fragte der Wächter und Halef schwieg.
Nicht einmal das weißt du?
Der siebente Höllenkreis ist für die Lügner vorgesehen, flüsterte Halef.
Wie bitte? Sag es laut, ich will es hören, tönte es in Halefs Kopf.
Lügner und Heuchler brennen im siebenten und tiefsten Höllenkreis, sagte Halef.
So ist es. Bist du also bereit, durch das linke Tor in den Vorhof der Hölle zu treten?
Die Frage des Wächters erklang nun so laut in Halefs Kopf, dass er Angst hatte, sein Kopf werde bersten.
Ich bitte dich, o Herr, mir noch so lange Atemluft zu schenken, bis ich dir meine Erklärung unterbreitet habe, sagte Halef. Dann werde ich mich willig durch das linke Tor begeben und mich dieser dreiköpfigen Bestie zum Fraß vorwerfen, und die abscheulichsten Kreaturen, die hier unten hausen, Würmer und Krebse und wer weiß noch welches Teufelsgetier, sollen sich an mir weiden, und ich werde es klaglos hinnehmen. Den schlimmsten Tod will ich willig ertragen und Allah dafür preisen, denn gerecht ist er, wenn du denn so entscheidest, nachdem du meine Rede empfangen hast.
Der Hüne verschränkte die Arme vor der Brust und musterte Halef misstrauisch.
Nun gut, sagte er schließlich, du hast einen Versuch, mich davon zu überzeugen, dich nicht in die Hölle zu schicken. So lautet das Gesetz.
Du Herrlicher, allah, allah maschallah – Gott tut Wunder, ihm sei Dank, ich danke dir für diese Gelegenheit.
Der Hüne winkte ab. Komm zur Sache, ich habe nicht alle Ewigkeit.
Es stimmt, o Herr, du sollst mein Richter sein, sagte Halef und warf sich auf die Knie. Ich habe die Hadsch nicht vollendet …
Du gibst es also zu, eine Lüge. Der Wächter stieß das linke Tor weit auf, ein