Auf phantastischen Pfaden. Группа авторов

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Auf phantastischen Pfaden - Группа авторов Karl Mays Magischer Orient

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„Wer sind Sie?“, herrschte er mich an.

      „Ich hörte, wir seien Landsmänner, und wollte Ihnen meine Aufwartung machen“, erklärte ich.

      „Pshaw!“, kam es verächtlich aus seinem Mund.

      Ich betrachtete ihn interessiert. Sein stellenweise ergrautes Haar war nach hinten gekämmt. Er trug einen Oberlippenbart, der im Augenblick ein wenig ungepflegt erschien, und unter der Unterlippe einen kleinen Kinnbart.

      „Was wollen Sie?“, brüllte er mich an.

      „Entschuldigen Sie mein Eindringen. Doch ich bin Reporter und schreibe einen Bericht über eine Orientreise. Da Sie weit gereist sind, dachte ich, Sie ...“

      Weiter kam ich nicht.

      Er war aufgesprungen und warf mit einem Baedeker nach mir. „Hier haben Sie Ihren Reisebericht!“ Ich konnte mich in letzter Sekunde unter dem anfliegenden Reiseführer ducken und er prallte gegen die Kajütentür.

      Der Mann sank wieder auf dem Stuhl zusammen. „Ich bin dessen nicht würdig. Nicht dieser historischen Schätze.“

      „Warum denken Sie das?“

      „Goethe würde ganz anders sehen, denken und empfinden als ich. Das ist nun leider hier im Leben nicht mehr nachzuholen.“

      Dieser Mann musste wahrlich verwirrt sein, ging es mir durch den Kopf. Was hatte er mit Goethe zu schaffen?

      Als hätte er meine Gedanken erraten, zog er den „Faust“ aus dem Bücherstapel und schleuderte ihn durch die Kajüte. „Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust“, schrie er in wilder Verzweiflung. „Oder sind es gar drei oder vier?“

      „Haltet ein, werter Herr“, versuchte ich ihn zu beruhigen.

      „Das ist nicht meine Welt“, schluchzte er. „Das ist nicht die Welt von Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar.“

      Sein Elend rührte mich zutiefst, auch wenn ich nicht verstand, wovon er sprach. „Wer ist Kara Ben Nemsi?“, fragte ich.

      „Kara Ben Nemsi ...“, murmelte er, als müsse er sich erst entsinnen. Dann blickte er auf, und seine wasserblauen Augen wirkten plötzlich, als sei er wieder klaren Verstandes.

      „Durch die Wüste ...“, begann er seine Erzählung.

      Durch die Wüste ritt ich mit meinem treuen Gefährten. Seine kleine, dürre Gestalt auf dem großen Pferd mag für manch einen lächerlich gewirkt haben. Doch wer ihn kannte, wusste seinen Scharfsinn, seinen Mut und seine Gewandtheit und Ausdauer zu schätzen. Keinen anderen Gefährten hätte ich mir an meiner Seite gewünscht.

      Nie habe ich jemandem davon erzählt, wie Halef in mein Leben trat. Ich hatte mich auf meiner Reise einer Karawane angeschlossen. Der halbwilde Berberhengst, so klein von Gestalt, dass meine Füße fast auf dem Boden schleiften, trabte gemächlich neben einem für ihn gewaltigen Tuareg-Hedschîn. Damals besaß ich noch nicht Rih, meinen legendären Rappen, den ich erst viel später als Geschenk von Scheich Mohammed Emin erhielt. So musste ich mich noch mit dem kleinen Berber begnügen.

      Die Sonne neigte sich dem Horizont zu. Das Abendrot tünchte die Wüste in die Farbe des Blutes. Die Kamele trotteten in gerader Linie, eins hinter dem anderen. In der Ferne glaubte ich schon eine Oase zu erkennen, die sicherlich das Ziel für die Nacht sein sollte. Doch plötzlich beschrieb der Treck einen Richtungswechsel, den ich mir nicht erklären konnte. Von meinem kleinen Pferd aus hatte ich zudem kaum Überblick über unseren Weg.

      Also sprach ich den Reiter neben mir an: „Was hat das zu bedeuten?“

      „Dieser Pfad ist verdorben“, antwortete der Targi von seinem Hedschîn herunter.

      Ich runzelte die Stirn. Was mochte das bedeuten? Doch anstatt weiterzufragen, drückte ich meine Fersen in die Flanken des Pferdes, und das Tier machte einen erschreckten Satz nach vorn. Dann verfiel es in zügigen Trab.

      „Wo wollt Ihr hin, Effendi?“, rief der Wüstenmann mir nach.

      „Ich möchte mich selbst überzeugen“, erwiderte ich.

      Dies schien ihm nicht zu gefallen, denn er war schnell aufgerückt. Ein Schritt seines Kamels waren fünf Schritte meines Pferdes. Schon ritt er wieder neben mir.

      „Ihr solltet Euch diesem Ort nicht nähern“, warnte er mich. Nun, da wir uns vom Weg der Karawane entfernt hatten und ich über die sandigen Dünen zu blicken vermochte, gewahrte ich einen dunklen Fleck im Boden.

      „Was ist das?“

      „Ein Unglücklicher, ein Todgeweihter.“

      Wir kamen rasch näher und ich musste mit Entsetzen feststellen, dass da ein Kopf aus dem Sand schaute. Er war mit einem großen Turban bedeckt, der ihm wohl das Leben gerettet hatte. Denn die unbarmherzig vom Himmel herniederbrennende Sonne des Tages hätte ihn sonst gebraten wie ein rohes Ei.

      Ich stieg von meinem Pferd und kniete mich vor dem Kopf nieder. Da ich bemerkte, dass die geschlossenen Augen leicht zuckten, durfte ich noch Leben in dem Eingegrabenen vermuten, und ich machte mich sogleich ans Werk, ihn aus dem Sand zu befreien.

      „Könnt Ihr mir nicht zur Hand gehen?“, bat ich den Araber auf dem Kamel.

      „Bei Allah. Dies ist nicht möglich, Effendi. Dies ist ein Verurteilter vor Allah. Ich darf mich nicht gegen dieses Urteil wenden.“

      „Woher wollt Ihr wissen, dass es rechtens war?“

      „Dies spielt keine Rolle. Nur der Herr weiß es.“

      „Nun, da ich es nicht weiß, werde ich dieser armen Seele helfen“, erwiderte ich.

      „Dann seid auch Ihr des Todes. Die Karawane wird Euch verstoßen.“

      Während wir so sprachen, hatten meine Hände schon das halbe Männlein ausgegraben. Denn dieser Mann war von sehr kleiner Statur, fast wie ein Kind und äußerst dürr. Aber er lebte, und das war die Hauptsache.

      „Sei’s drum“, entgegnete ich.

      Der Araber auf dem Hedschîn stöhnte: „Ihr seid ein seltsamer Mann.“ Sodann wendete er sein Reittier und ritt von dannen.

      Ich grub und wühlte und schaffte es schließlich, den armen Kerl aus dem Wüstenboden zu ziehen. Dann nässte ich ihm das Gesicht mit Wasser, und die Lebensgeister kehrten in ihn zurück.

      „Wer seid Ihr?“, fragte er noch ganz benommen. Unterdessen war die kurze Dämmerung der Wüste hereingebrochen und von der Karawane war keine Spur mehr zu erblicken. Doch dies stimmte nicht ganz. Denn im Osten sah ich einen Punkt in den Dünen, der rasch größer wurde. Bald konnte ich zwei Reittiere unterscheiden. Und schließlich erkannte ich meinen freundlichen Weggenossen, den Araber auf dem Hedschîn. Am Zügel führte er ein großes, dünnes Pferd hinter sich her.

      Ich erhob mich, um ihn zu begrüßen. Kurz vor mir blieb er stehen, stieg jedoch nicht ab. Er warf mir die Zügel des Pferdes entgegen. Geschickt fing ich sie auf.

      „Effendi“, begann er. „Ihr seid ein guter und gerechter Mann. Dem da möchte ich nicht helfen. Doch Euch wünsche ich nicht den Tod. Deshalb gebe ich Euch dieses Pferd.

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