Auf der Spur der Sklavenjäger. Alexander Röder
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Thomas Le Blanc
Prolog
Ein Schreckensbild
Mein Erwachen vollzog sich ganz langsam. Es kam mir vor, als befände ich mich in einem tiefen Brunnen und stiege nun Stufe für Stufe nach oben. Langsam, ganz langsam. Ich fühlte, dass mein Körper auf einer weichen Unterlage ausgestreckt war, der Kopf zwischen Kissen verborgen. Irgendwo hörte ich ein Pferd wiehern und meinte auch Männerstimmen zu vernehmen, ruhig, geschäftig, aber fern und nicht auf mich bezogen. Ich drehte mich ein wenig und öffnete die Augen.
Ich war in einem Zimmer und lag auf einem Bett. Das Zimmer war erstaunlich groß und statt Glasfenstern hatte es quadratische Öffnungen, die mit Tüchern verhangen waren. Einige davon waren hochgerollt und oben mit Schnüren gehalten, sodass ich hinaussehen konnte. Dem Licht nach schien es später Nachmittag zu sein.
Langsam kam die Erinnerung daran, dass ich mich gestern Abend völlig übermüdet schlafen gelegt hatte, und auch, dass ich heute Morgen nur kurz erwacht war, mich in einem benachbarten Waschraum schnell erleichtert und dann eine, nein, zwei Feigen gegessen hatte, die sich auf einer Schale neben der Schlafstatt befanden. Ich hatte einen Schluck Wasser zu mir genommen, ein Fladenbrot angebrochen – und musste dann gleich wieder eingeschlafen sein.
Den Tag über hatte ich traumlos und entspannt geschlafen. In der Nacht zuvor waren allerdings wilde Träume über mich gekommen von angreifenden Sklavenjägern, dunklen, unterirdischen Flusspassagen, dem Ritt durch einen Wasserfall und einem erstickenden Eintauchen in Treibsand. Diese Träume waren erfüllt gewesen von einer machtvollen Königin, einem peitschenden Sklavenverkäufer, einem irrlichternden Dämon, von Schlangen, Skorpionen, Skeletten, riesigen Sandwürmern und von einem Schuss auf mich – und vom existenziell entsetzlichen Gefühl, zu einer Statue erstarrt zu sein und lediglich hören und sehen zu können, aber ansonsten zu Bewegungslosigkeit verdammt zu sein. Ich hatte mich in einer Hafenstadt gesehen, in einer Wüste, in einer arkanen Universität und zum Schluss in einem kleinen Königreich, das es gar nicht gab.
Ich wischte diese aufwühlenden Träume weg, von denen ich allerdings wusste, dass sie ein Nachhall von Erlebtem waren. Langsam richtete ich mich auf und schwang meine Beine heraus aus dem Möbel, das ich Bett nennen musste. Ein riesiges weißes Laken lag auf einer weichen Landschaft von Polstern unbekannten Inhalts, darauf lagen weitere Kissen sowie eine zusammengedrückte Wolldecke.
Als ich an mir hinabblickte, sah ich, dass ich einen weißen und leichten Stoffburnus trug, der hier im Orient als Hauskleid dienen konnte, den ich zuhause in Radebeul jedoch wohl ein Nachthemd genannt hätte. Ich erinnerte mich, dass ich dieses Gewand gestern auf dem Bett liegend vorgefunden und übergestreift hatte.
„Was befehlt Ihr, Effendi?“
Plötzlich standen zwei Diener im Zimmer. Meine wenigen Bewegungen konnten lediglich leiseste Geräusche verursacht haben, die dennoch ausgereicht hatten, um wartendes Personal herbeizurufen.
Es war angenehm warm, ich verspürte keine Wüstenhitze, die Luft roch nach ebenso fernen wie unbekannten Kräutern, die ich nicht zuzuordnen vermochte. Die Geräusche von draußen hatten nicht zugenommen. So spürte ich eigentlich nur Friedlichkeit um mich, deshalb wusste ich für den Augenblick gar nicht, was ich sagen sollte.
„Eure Gefährten und unser Herr befinden sich im Haupthaus“, erläuterte einer der Diener in freundlichem Ton nach einer Weile. „Wir bereiten bereits das Mahl für den Abend vor.“
„Aber Ihr wollt Euch sicher vorher erfrischen, Effendi“, meinte der andere. „Wir können Euch ein Bad bereiten.“
„Ein Bad wäre sicher herrlich“, gab ich ebenso freundlich zurück. „Danke.“
Sie verschwanden und kamen nach wenigen Minuten mit einigen Krügen voll heißem Wasser wieder, die sie in den Waschraum nebenan brachten. Als ich ihnen folgte, sah ich ein gemauertes und in den Boden eingelassenes Becken in Manneslänge mit einer Tiefe von etwa einer Elle, in das man sich flach hineinlegen konnte. Daneben war ein eiserner Pumpenschwengel, der offenbar mit einem Brunnen oder einem Wasserreservoir verbunden war und über den ein Diener das Becken mit kaltem Wasser füllte, während der andere die Krüge mit heißem Wasser zumischte, von denen er weitere nachholte. Zusätzlich wurden zwei Krüge mit Heißwasser danebengestellt.
„Unser Herr meinte, Ihr bevorzugt es, Euch selbst zu reinigen“, verbeugte sich einer der Diener, als alles bereit war. „Aber wenn Ihr dennoch Bademädchen benötigt, müsst Ihr es nur sagen.“
Rasch verneinte ich und bedankte mich.
„Nehmt Euch, der Ihr Gast unseres Herrn seid, nun Zeit.“ Mit diesen Worten zogen sich die Diener zurück.
Neben dem Becken standen in einer Nische Öle und Seifen, außerdem lagen Tücher verschiedener Größen bereit.
Ich zog mein Nachtgewand aus und legte mich der Länge nach in das Becken, das an der einen Seite etwas nach oben anstieg, sodass die Schultern höher lagen und der Kopf nicht unter Wasser kam. Nach dem weichen Bett fühlte sich die Steinunterlage zunächst hart an, aber das Wasser war bestens temperiert, sodass ich dennoch entspannt liegen konnte. Nach einem Augenblick war die Entspannung sogar so groß, dass ich sehr an mich halten musste, um nicht wieder einzuschlafen.
Als ich nach einer guten halben Stunde wieder in mein Schlafgemach zurückging, fand ich dort meine gesamte Reisekleidung vor. Meine Hosen waren gereinigt und ausgeklopft, mein Hemd gewaschen, meine Jackenärmel an einigen Stellen geflickt, wo sie Ausrisse gezeigt hatten, und meine Stiefel waren nicht nur gesäubert, sondern auch mit einem Öl behandelt worden.
Jetzt kleidete ich mich an und verließ das Zimmer.
Gestern Abend war ich wohl zu müde gewesen, um all das wahrzunehmen, was sich nun meinem Auge darbot. Ich wusste, dass ich mich in der Nähe von Taif befand, dem Hauptort des haschemitischen Emirats, das sich in etwa mit der Landschaft Hedschas am Roten Meer deckte. Ich befand mich auf dem Landsitz meines Freundes Haschim, doch von der Ausdehnung und der Architektonik der Anlage her wähnte ich mich eher auf einer argentinischen Hacienda oder Estancia, jedenfalls auf einem angelegten Oasenparadies und Farmland, das ich so im vorderen Orient noch nie gesehen hatte und für das es in der arabischen Sprache auch gar keinen Begriff gab.
Um ein zweistöckiges Haupthaus gruppierten sich einige flache Wohngebäude, die augenscheinlich für Gäste und Familienmitglieder sowie Bedienstete erbaut waren. Es gab Ställe für Pferde, gemischte Gras- und Sandflächen für Kamele, ich sah Ziegenpferche und hörte das Gurren von unbekanntem Federvieh – von Truthähnen oder Gänsen oder anderen Großvögeln –, und über das Gelände lief ein Straußenpaar, wie ich es lediglich einmal im Osten Afrikas gesehen und keinesfalls hier im Westen Arabiens vermutet hatte. Seitlich vom Haupthaus stand ein gewaltiger steinerner Ziehbrunnen, und daneben war ein kleiner Teich angelegt, den ein paar Wasservögel sich zum Domizil erkoren hatten. Dahinter sah ich angepflanztes Gemüse, Dattelpalmen in allen Höhen, Feigenbäume, einige Obststräucher und sogar Orangenbäume und Quittengewächse.
Ein Ort, der mir dem Paradies nahe zu kommen schien.
Wohl begünstigt durch