Auf der Spur der Sklavenjäger. Alexander Röder

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Auf der Spur der Sklavenjäger - Alexander Röder Karl Mays Magischer Orient

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gemacht worden. Meine Hochachtung vor Haschim stieg in diesem Moment wieder ein Stück weiter.

      Ich blickte erneut zu den Kamelen hinüber. Es waren Meharis, soweit ich das auf die Distanz erkennen konnte, die edelste Rasse unter den Dromedaren, die schnellsten und intelligentesten unter den Wüstenbewohnern, die eine Wegstrecke bis zu 120 Kilometer am Tag bewältigen konnten. Hier sah ich sie gemütlich, ja fast gelangweilt, ein paar Gräser rupfen und in der Nachmittagssonne dösen.

      Ein friedliches Bild, das in seiner Beschaulichkeit auch mich dazu brachte, weiterhin jeglichen Zeitlauf zu ignorieren und einfach über dieses Anwesen zu schauen. Weit hinter den Kamelen sah ich plötzlich ein Rudel schlanker Vierbeiner herbeieilen, in Richtung auf ein Wasserloch, das schon außerhalb des eigentlichen Hofguts lag. Waren das etwa Gazellen?

      „Es sind Springböcke, Freund Kara“, hörte ich da die Stimme von Haschim neben meinem Ohr. Er war an mich herangetreten und legte nun den Arm um meine Schulter. Eine Geste der Freundschaft, der Zuneigung, auch der Begrüßung an diesem Tag, an dem ich so lange geschlafen hatte.

      Ich nickte kaum merklich, sagte aber zunächst nichts, sondern blickte weiterhin versonnen hinaus zu den Tieren, die ich nun auch als Springböcke erkannte. Erst als sie schließlich das Wasserloch erreicht hatten, drehte ich mich zur Seite, umarmte meinerseits meinen Freund und sagte: „Lass uns nun zu den anderen gehen.“

      Haschim lächelte. „Halef fragt schon wieder nach einer Mahlzeit. Einen Tag lang nichts zu tun, scheint bei ihm mehr Hunger zu erzeugen als der härteste Ritt oder der anstrengendste Kampf.“

      „Halef hat erst dann Hunger, wenn er sich vorstellt, was er essen könnte“, erklärte ich. „Als an Kargheit gewöhnter Bedu lässt erst seine Phantasie seine Geschmacksknospen wachsen.“

      Wir lösten uns voneinander und gingen auf das Haupthaus zu, dessen Türflügel weit und einladend offenstanden.

      Drinnen saßen tatsächlich meine beiden Freunde und Reisebegleiter Hadschi Halef Omar und Sir David Lindsay an zwei Seiten eines großflächigen, aber niedrigen Tischs, auf dem zwar schon etwas Obst lag und ein paar Karaffen mit Wasser und Tee standen, der ansonsten jedoch noch ohne Speisen war.

      „Sihdi!“ und „Mr. Kara!“ hörte ich gleichzeitig, und ebenso gleichzeitig sprangen sie auf und eilten auf mich zu.

      „Wir haben dich schlafen lassen“, meinte Halef überflüssigerweise, denn wir waren ja auf Scheik Haschims Heimstatt eigens eingeladen worden, um uns ein paar Tage von den Strapazen der letzten Wochen zu erholen. „Wir haben auch nach dem Frühstück nur geruht.“

      „Außer dass Mr. Halef es nicht lassen konnte, einen flotten Kamelritt zu wagen“, grinste der englische Lord, der wieder in sein bestes Karo gekleidet war.

      „Haschim hat auch besonders edle Tiere, um die ihn jeder Araber beneidet. Du musst dir unbedingt seine Meharis anschauen!“ Halefs Augen leuchteten, als Wüstenbewohner wusste er um die Qualität dieser Tiere.

      „Über meine Kamele können wir auch gerne beim Essen reden“, meinte Haschim, und ich sah durchaus Stolz in seinem Gesicht aufblitzen.

      Während wir uns nun auf die an allen vier Seiten des Tischs aufgetürmten Kissen niederließen, klatschte er ein paarmal in die Hände, und eine kleine Abordnung seiner Dienerschaft eilte geschwind herbei, um den Tisch sowie einige kleinere, zusätzlich herbeigebrachte Beistelltische mit vielerlei Speisen zu füllen. Ich will, nein, ich kann sie nicht in all ihrer Fülle beschreiben, lediglich auf eine will ich hier eingehen: zum einen, weil sie zuerst aufgetragen wurde, zum anderen, weil sie eine äußerst amüsante Reaktion meiner Freunde auslöste.

      Obwohl man im Orient meist mit den Fingern der rechten, der ‚reinen‘ Hand isst, hatten die Diener Holzlöffel und kleine metallene Messer an unsere Plätze gelegt, daneben Wasserschalen für die Finger sowie Handtücher. Direkt vor jeden von uns stellten sie nun je ein gusseisernes Pfännchen, gerade heiß vom Herd genommen. In jedem Pfännchen befand sich eine ordentliche Portion Rührei, angemacht mit allerlei Kräutern, darauf lagen einige Streifen Zucchini und angeschmorte Paprika sowie kross angebratene, hauchdünne und verführerisch riechende Streifen …

      „Bacon!“, rief da Sir David entzückt aus. Rührei mit Speck ist schließlich eine Delikatesse für einen Engländer und auch für die meisten Kontinentaleuropäer. Halef verstand zwar nur wenige Brocken Englisch, die er bei unseren gemeinsamen Abenteuern aufgeschnappt hatte, und das englische Wort für Schinken gehörte nicht dazu. Doch an Lindsays Entzücken und sowohl am Geruch als auch am Aussehen der köstlichen Speise wuchs in ihm ein schrecklicher Verdacht. Ein ungeheuerlicher Verdacht sogar, da Haschim, Prinz der königlichen Haschemitenfamilie, zwar als Magier und durch seine vielen Reisen bis ins christliche Europa sicher etwas freigeistig geworden, aber in seinem festen Glauben doch weiterhin Moslem geblieben war. Und dass er dazu noch in seiner Heimat, unweit der heiligsten Stätten in Mekka und Medina, die seine Familie gegen alle Ungläubigen verteidigte, seinen Gästen Fleisch des unreinsten aller Tiere aufzutischen wagte – dieser Gedanke löste bei Halef die Vorboten einer Panik aus.

      Während Lindsay sofort zugriff und sich gleich zwei Scheiben des vermeintlichen Schweinespecks in den Mund schob und dann schier unanständige Laute der Verzückung von sich gab, beantwortete Haschim die am Tisch unausgesprochene Frage mit einem ganz feinen Lächeln, das sich lediglich in seinen Augenwinkeln zeigte:

      „Das Wasserloch, das ich für meine Tiere habe graben lassen, lockt gelegentlich auch Räuber an, deshalb wird es Tag und Nacht von einem treffsicheren Beduinen bewacht, dessen Waffe eine Durchschlagskraft besitzt ähnlich deinem Bärentöter, Kara. Vor zwei Tagen hat uns der Herr mit dem dicken Kopf besucht, und mein Wächter hat ihn mit einem Schuss zwischen seine Augen erlegt. Das Fleisch einer Löwentatze ist wahrlich eine große Delikatesse, zu dünnen Streifen geschnitten und in Olivenöl vorgesotten, hierauf auf dem gerührten Ei eines Straußen serviert, ist es das Beste, was ich euch, meine Freunde, vorzusetzen vermag.“

      Jetzt schaute er nach Norden, nach Mekka, und verneigte sich kurz. „Und wir danken Allah, unserem Einen Gott und dem Schöpfer allen Lebens, für Speise und Trank, und wir ersuchen ihn, dass er die Stärke und die Würde dieses königlichen Tiers auf uns übergehen lasse! Bismillah – im Namen Allahs!“ Damit war das Mahl eröffnet.

      Sir David schaute für einen Moment verlegen auf, weil er schon vor dem Tischgebet des Gastgebers zugegriffen hatte, aber da wir alle so taten, als hätten wir es nicht bemerkt, nahm er höflich einen Löffel und teilte das Rührei in kleine Portionen. Und auch Halef griff nun – sichtlich erleichtert – zu und aß mit großem Appetit.

      Es mögen gut zwei Stunden gewesen sein, die wir so zusammensaßen, den immer wieder frisch ergänzten Speisen zusprachen und zum Schluss bei arg süßen kandierten Früchten und Nüssen anlandeten. Natürlich drehten sich dabei unsere Tischgespräche um das unmittelbar zuvor Erlebte.

      Da war es der englische Lord, der eine bislang unausgesprochene Frage anschnitt: „Haben wir eigentlich das erreicht, was wir mit unserer Aktion in Dauha erreichen wollten?“

      Diese Frage hätte die holländische Witwe Marijke van Beverning stellen können, die vor wenigen Tagen noch bei uns gewesen war. Aber sie hatte der Einladung Haschims nicht folgen wollen, sondern trennte sich von uns, um nach Dschidda zu reiten, wo sie auf ein Schiff hoffte, das sie durch den Suezkanal bringen würde, um dann von Kairo aus in ihre Heimat zu gelangen. Da wir am Ort unseres Abschieds bereits im Land von Haschims Familie waren, konnte er zwei Beduinen verpflichten, sie sicher nach Dschidda zu geleiten.

      Die Holländerin hatte uns zu Hilfe gerufen, europäische Sklavinnen zu befreien. Das hatten wir

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