Professor Unrat. Heinrich Mann

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Professor Unrat - Heinrich Mann

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ward an­ge­sto­ßen von Her­ren in eng­li­schen An­zü­gen, die mit Fracht­brie­fen um­her­lie­fen, und von Ar­bei­tern, die ihm »Ach­tung!« zu­brüll­ten. Die all­ge­mei­ne Hast er­griff ihn; er drück­te, ehe er’s sich ver­sah, den Griff ei­ner Tür, über der »Heu­er­bas«1 und ir­gend­ei­ne schwe­di­sche oder dä­ni­sche In­schrift stand. Im La­den la­gen ge­roll­te Taue, Schiffs­zwie­back, klei­ne, scharf rie­chen­de Fäs­ser. Ein Pa­pa­gei schrie: »Duhn su­pen!« Meh­re­re Ma­tro­sen tran­ken, an­de­re re­de­ten, die Hän­de in den Ho­sen, auf einen rie­si­gen, rot­bär­ti­gen Mann ein. Der mach­te sich, es dau­er­te eine Wei­le, aus den Ta­baks­wol­ken des Hin­ter­grun­des los, stell­te sich hin­ter den La­den­tisch, so­dass der ble­cher­ne Re­flek­tor der Wand­la­ter­ne sei­nen Kahl­kopf hef­tig be­leuch­te­te, stemm­te die Tat­zen auf die Kan­te und sag­te plump:

      »Wol­len Sie was von mich, Herr?«

      »Ge­ben Sie mir«, ver­lang­te Un­rat leicht­hin, »eine Ein­tritts­kar­te für das Som­mer­thea­ter.«

      »Wat sa­gen Sie?« frag­te der Mann.

      »Nun ja, für das Som­mer­thea­ter. Da Sie denn nun ein­mal in Ihrem Schau­fens­ter an­zei­gen, dass Sie Bil­let­te zum Som­mer­thea­ter ver­kau­fen.«

      »Wat soll ich door­von den­ken, Herr«, und der Mann be­hielt den Mund of­fen. »Das Som­mer­thea­ter speelt doch nich in ’n Win­ter.«

      Un­rat ver­steif­te sich auf sein Recht.

      »Aber Sie ha­ben es im Fens­ter, Mann.«

      »Door kann ’t jä ook blie­wen!«

      Das war her­aus­ge­platzt; aber der Heu­er­bas nahm sei­ne Ach­tung vor dem be­brill­ten Herrn gleich wie­der zu­sam­men. Er such­te nach Grün­den, die den Frem­den über­zeu­gen konn­ten, das Som­mer­thea­ter sei jetzt ge­schlos­sen. Um sei­ner be­hut­sa­men Ge­dan­ken­ar­beit kör­per­lich nach­zu­hel­fen, gab er mit sei­ner fürch­ter­li­chen, rot­be­haar­ten Hand der Tisch­plat­te von der Sei­te ganz vor­sich­ti­ge Strei­che. Schließ­lich hat­te er ge­fun­den:

      »Das weiß jä woll de dümms­te School­jong«, sag­te er gut­mü­tig, »dass in ’n Win­ter kein Som­mer­thea­ter is.«

      »Er­lau­ben Sie, Ver­ehr­ter«, mach­te Un­rat, über­le­gen ab­weh­rend.

      Der Mann rief zu Hil­fe:

      »Hin­ne­rich! Lau­renz!«

      Die Ma­tro­sen ka­men nä­her.

      »Ick weit nich, wat mit em los is, hei will mit alle Macht in ’n Wil­lems­gor­ten.«

      Die Ma­tro­sen roll­ten Kauta­bak in den Mün­dern. Sie und der Heu­er­bas starr­ten an­ge­strengt auf Un­rat, als sei er ein sehr weit Her­ge­kom­me­ner, et­was wie ein Chi­ne­se, den man nun ver­ste­hen soll­te. Un­rat emp­fand dies; es be­fiel ihn Hast, hier fer­tig zu wer­den.

      »Dann könn­ten Sie mir we­nigs­tens sa­gen, Mann, ob vo­ri­gen Som­mer in dem be­wuss­ten Thea­ter ein ge­wis­ses Fräu­lein Fröh­lich mit­ge­spielt hat – Rosa Fröh­lich.«

      »Wo soll ich das woll her­wis­sen, Herr?« Der Mann war voll­kom­men ver­blüfft. »Mei­nen Sie, Herr, ick gew mich mit die Zir­kus­min­scher aff?«

      »Oder doch«, sag­te Un­rat Hals über Kopf, »ob die er­wähn­te Dame im kom­men­den Jahr uns – im­mer mal wie­der – durch ihre Leis­tun­gen er­freu­en wird.«

      Der Heu­er­bas sah er­schreckt aus; er ver­stand kein Wort mehr. Ei­ner der Ma­tro­sen hat­te et­was ge­fun­den:

      »Hei makt sick ’n Jux, Pie­ter, hei will di uzen!«

      Da­rauf leg­te er den Kopf in den Na­cken und lach­te, gluck­send und dröh­nend, aus schwarz ge­öff­ne­tem Ra­chen. Die an­de­ren stie­ßen sich an und mach­ten es dann eben­so. Dem Heu­er­bas schi­en es zwar kei­nes­wegs, als ob die­ser Frem­de sich lus­tig mach­te; aber er sah den Re­spekt in Ge­fahr, den sei­ne Kun­den vor ihm ha­ben muss­ten: die­se Leu­te, die er ver­dang, die er den Ka­pi­tä­nen aufs Schiff lud, zu­sam­men mit Zwie­back und Ge­ne­ver. Er ver­fiel un­ver­mit­telt in eine künst­li­che Wut, färb­te sich wild, schlug auf den Tisch und streck­te einen ge­bie­te­ri­schen Fin­ger aus.

      »Herr! Ich hab’ mehr zu tun, ich bün Ihr Aap nich! Sehn Sie sich mal die Tür an, da ach­ter Ih­nen is sie!«

      Und als Un­rat noch einen Au­gen­blick be­täubt auf sei­nem Platz blieb, traf der Mann An­stalt, hin­ter sei­nem Tisch her­vor­zu­kom­men. Un­rat klink­te rasch die Tür auf. Der Pa­pa­gei schrie ihm nach:

      »Duhn su­pen!« Die Ma­tro­sen brüll­ten vor La­chen. Un­rat schloss die Tür.

      Er bog scharf um die nächs­te Ecke und ent­kam aus der Ha­fen­ge­gend in stil­le Stra­ßen. Er zen­sier­te das Vor­ge­fal­le­ne.

      »Dies war ein Feh­ler. Dies war – frei­lich nun wohl – ein Feh­ler.«

      Die Künst­le­rin Fröh­lich muss­te auf ei­nem an­de­ren Wege aus­fin­dig ge­macht wer­den. Un­rat sah sich die Be­geg­nen­den dar­auf­hin an, ob sie et­was von ihr wüss­ten. Es wa­ren Last­trä­ger, Dienst­mäd­chen, der La­ter­nen­an­zün­der, eine Zei­tungs­frau. Mit dem Volk war kei­ne Ver­stän­di­gung mög­lich: er hat­te die Er­fah­rung ge­macht. Auch lud ihn sein jüngs­tes Er­leb­nis dazu ein, bei der An­knüp­fung mit Un­be­kann­ten vor­sich­tig zu sein. Wei­ser war es, nach ei­nem schon ver­trau­ten Ge­sicht sich um­zu­se­hen. Aus der nächs­ten »Gru­be« tauch­te eben ei­nes auf, dem Un­rat noch vo­ri­ges Jahr mit wü­ten­der Be­to­nung la­tei­ni­sche Ver­se zu­ge­schri­en hat­te. Der Schü­ler, der »seins« nie »prä­pa­riert« hat­te, schi­en jetzt Hand­lungs­lehr­ling zu sein. Er nä­her­te sich mit ei­nem Pa­cken Brie­fe in der Hand und sah ge­cken­haft aus. Un­rat ging auf ihn zu, mach­te schon den Mund auf, war­te­te nur noch auf den Gruß des jun­gen Men­schen. Der aber er­folg­te nicht. Der ehe­ma­li­ge Schü­ler sah dem Pro­fes­sor höh­nisch in die Au­gen und ging dicht an Un­rats zu ho­her Schul­ter vor­bei, wo­bei auf sei­nem blon­den Ge­sicht das Grin­sen er­schreck­lich breit ward.

      Un­rat ver­schwand rasch in die »Gru­be«, wo­her der an­de­re ge­kom­men war. Es war eine der nach dem Ha­fen sich sen­ken­den Stra­ßen; und da sie ab­schüs­si­ger ging als die an­de­ren, hat­ten sich hier zahl­lo­se Kin­der zu­sam­men­ge­fun­den, um in klei­nen Wa­gen mit vol­len Rä­dern, lär­men­den »Bul­ler­wa­gen«, den Berg hin­ab­zu­fah­ren. Die Müt­ter und Mäg­de stan­den auf dem Bür­ger­steig, er­ho­ben die Arme und rie­fen zum Abendes­sen; aber die jun­ge Welt stürz­te un­abläs­sig, kni­end in ih­ren Wa­gen oder die Bei­ne in der Luft, mit we­hen­den Hals­tü­chern, über die Ohren ge­klapp­ten Müt­zen und zum Ju­beln off­nen Mün­dern, hol­pernd das Klin­ker­pflas­ter hin­un­ter. Un­rat muss­te, wie er die Stra­ße über­schritt,

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