Professor Unrat. Heinrich Mann

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Professor Unrat - Heinrich Mann страница 9

Автор:
Серия:
Издательство:
Professor Unrat - Heinrich Mann

Скачать книгу

has­te­te die stil­le Gas­se wie­der hin­auf, denn er hat­te einen Ge­dan­ken ge­habt, des­sen Rich­tig­keit er so­fort, aber so­fort nach­prü­fen woll­te. Er wuss­te durch plötz­li­che Er­leuch­tung, Rosa Fröh­lich sei die Bar­fußtän­ze­rin, von der man jetzt so viel Auf­he­bens mach­te. Sie soll­te her­kom­men und in dem Saal der Ge­sell­schaft für Ge­mein­sinn ihre Küns­te se­hen las­sen. Un­rat ent­sann sich ganz deut­lich, wie Ober­leh­rer Witt­kopp, ein Mit­glied die­ser Ge­sell­schaft, da­von er­zählt hat­te. Er war im Leh­rer­zim­mer an sein Wand­schränk­chen ge­tre­ten, hat­te es auf­ge­schlos­sen, einen Pa­cken Ex­er­zi­ti­en­hef­te hin­ein­ge­legt und dazu ge­sagt:

      »Nun be­kom­men wir hier also auch die be­rühm­te Rosa Fröh­lich, die auf blo­ßen Fü­ßen grie­chisch tanzt.«

      Un­rat sah Witt­kopp vor sich, wie er sich wich­tig mach­te, ei­tel um sei­nen Klem­mer her­um­schiel­te und die Lip­pen spitz­te, um aus­zu­spre­chen: »Rosa Fröh­lich.« Ganz ohne Zwei­fel, er hat­te ge­sagt: »Rosa Fröh­lich.« Un­rat hör­te ja je­den der vier Lau­te, in Witt­kopps ge­küns­tel­ter Sprech­wei­se und mit dem ge­säu­sel­ten R. Das hät­te ihm frü­her ein­fal­len sol­len! Zwei­fel­los war die Bar­fußtän­ze­rin Fröh­lich in­zwi­schen ein­ge­trof­fen, und der Schü­ler Loh­mann war mit ihr in Ver­bin­dung ge­tre­ten. Un­rat war nun auf dem Wege, bei­de zu »fas­sen«.

      Er er­reich­te die Sie­ben­berg­stra­ße, er hat­te sie halb durch­eilt, da ging don­nernd ein Rol­la­den nie­der vor ei­nem Schau­fens­ter, und Un­rat blieb, ei­ni­ge Schrit­te da­vor, ver­nich­tet stehn. Denn der Rol­la­den ge­hör­te dem Mu­si­ka­li­en­händ­ler Kell­ner, der bei sol­chen Ge­le­gen­hei­ten die Kar­ten ver­kauf­te und al­les Nä­he­re wuss­te. Es schi­en, als soll­te Un­rat die zwei, de­nen er nach­setz­te, heu­te nicht mehr ein­ho­len.

      Trotz­dem konn­te er sich nicht den­ken, dass er jetzt nach Haus ge­lan­gen und sein Nachtes­sen her­un­ter­brin­gen wer­de. Er war in Jagd­lei­den­schaft ge­ra­ten. Er gab sich noch ein paar Mi­nu­ten, mach­te einen letz­ten Um­weg. Am Ros­ma­rin­weg hielt er, ganz er­schüt­tert, vor ei­nem schief­ge­tre­te­nen Holz­trepp­chen den Schritt an. Es klomm steil bis vor eine schma­le La­den­tür mit der In­schrift: »Jo­han­nes Rind­fleisch, Schuh­ma­cher­meis­ter«. Eine Wa­ren­aus­la­ge war nicht da; hin­ter den Spie­gel­schei­ben der zwei klei­nen Fens­ter stan­den Blu­men­töp­fe. Und Un­rat be­dau­er­te, von sei­nem gu­ten Ge­schick nicht schon längst hier­her­ge­führt zu sein, zu der Be­hau­sung ei­nes recht­schaf­fe­nen und harm­lo­sen Man­nes, ei­nes Herrn­hu­ters, der kein Schelt­wort in den Mund nahm, nie­mals krän­kend die Mie­ne ver­zog, und der über die Künst­le­rin Fröh­lich an­stands­los Aus­kunft er­tei­len wür­de!

      Er öff­ne­te die Tür. Eine Glo­cke schlug an, und der Ton schwang freund­lich nach. Die Werk­statt lag sau­ber auf­ge­räumt im Halb­dun­kel. Ein­ge­fasst in den Rah­men der Tür zum Ne­ben­zim­mer, zeig­te sich das mild be­leuch­te­te Bild der Schus­ters­fa­mi­lie beim Abend­brot. Der Ge­sel­le kau­te an der Sei­te der Hau­s­toch­ter. Den klei­nen Kin­dern gab die Mut­ter Kar­tof­feln zur Mett­wurst. Der Va­ter setz­te die bau­chi­ge Fla­sche mit Braun­bier ne­ben die Lam­pe, er­hob sich und sah nach dem Kun­den.

      »’na­bend, Herr Pro­fes­ser.« Er schluck­te erst um­ständ­lich sei­nen Bis­sen hin­un­ter. »Und wo­mit kann ich die­nen?«

      »Ja«, ver­setz­te Un­rat, rieb sich un­si­cher lä­chelnd die Hän­de und schluck­te auch, mit lee­rer Keh­le.

      »Ent­schul­di­gen Sie man«, setz­te der Schuh­ma­cher hin­zu, »dass hier schon al­lens dus­ter is. Hier ma­chen wir um Klock sie­ben Fei­er­abend. Der Rest des Abends ge­hört dem Herrn. Wer da noch ar­bei­ten tut, da is doch kein Se­gen auf.«

      »Das mag ja denn ei­ner­seits – ganz rich­tig sein«, stot­ter­te Un­rat.

      Der Schuh­ma­cher war einen Kopf hö­her. Er hat­te kno­chi­ge Schul­tern und un­ter sei­nem Schurz­fell einen un­ver­mit­tel­ten Spitz­bauch. Er­grau­en­de Löck­chen, ein we­nig ölig, mach­ten den Bo­gen um sein lan­ges, blei­far­be­nes Ge­sicht, des­sen Wan­gen in einen keil­för­mi­gen Bart hin­ein­hin­gen, und das lang­sam lä­chel­te. Rind­fleisch schob im­mer­fort über dem Ma­gen die Fin­ger in­ein­an­der, lös­te sie und steck­te sie wie­der zu­sam­men.

      »Aber das ist es an­de­rer­seits frei­lich nicht, wes­halb ich kom­me«, er­klär­te Un­rat.

      »Herr Pro­fes­ser, ’na­bend, Herr Pro­fes­ser«, sag­te die Frau von der Schwel­le her und knicks­te. »Was stehst du da in ’n Schum­mern mit Herrn Pro­fes­ser, Jo­han­nes, lass ihm doch rein. Herr Pro­fes­ser, wenn Sie es man nich übel­neh­men, dass wir uns’ Mett­wuß es­sen.«

      »Das liegt mir ganz und gar fern, gute Frau.«

      Un­rat ent­schloss sich zu ei­nem Op­fer.

      »Meis­ter Rind­fleisch, ich un­ter­bre­che un­gern Ihr Mahl, aber ich ging gra­de vor­bei, und da kam mir der Ge­dan­ke, dass Sie mir – auf­ge­merkt nun also! – ein Paar Stie­fel an­mes­sen sol­len.«

      »Zu die­nen, Herr Pro­fes­ser«, und die Frau knicks­te, »zu die­nen.«

      Rind­fleisch be­dach­te sich; dann ver­lang­te er die Lam­pe.

      »Denn sit­ten wi jä all’ in’n Dus­tern bi’n Ee­ten«, be­merk­te die Frau hei­ter. »Nöh, Herr Pro­fes­ser, kom­men Sie man rein, ich mach Licht für Ih­nen in der blau­en Stu­be.«

      Un­rat war­te­te, bis Frau Rind­fleisch hin­aus war. Als er den Schuh­ma­cher hin­ter ge­schlos­se­ner Tür und recht in sei­ner Ge­walt hat­te, setz­te er ein.

      »Vor­wärts denn also, Meis­ter, jetzt heißt es zei­gen, dass Sie, der Sie ei­ni­ge klei­ne­re Ar­bei­ten zur Zufrie­den­heit des Leh… – zu mei­ner Zufrie­den­heit be­werk­stel­lig­ten, auch ein recht bra­ves Paar Stie­fel schaf­fen kön­nen.«

      »O ja, Herr Pro­fes­ser, o o oh ja«, er­wi­der­te Rind­fleisch de­mü­tig und be­flis­sen wie ein Pri­mus.

      »Mag ich im­mer­hin schon im Be­sitz zwei­er Paa­re sein, so kann bei der jetzt vor­wal­ten­den Näs­se doch nie­mand sich ge­nug­tun an gu­ter, war­mer Fuß­be­klei­dung.«

      Rind­fleisch knie­te und maß. Er hat­te den Blei­stift zwi­schen den Zäh­nen und grunz­te nur.

      »An­de­rer­seits ist dies die Jah­res­zeit, die ge­wöhn­lich et­was Neu­es in die Stadt bringt, ein we­nig – si­cher­lich

Скачать книгу