Bürgermeister und interne Kommunikation. Johannes Latsch
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2.2Verwaltung und Wirtschaft: Parallelen und Unterschiede
Beginnen wir mit einem Stereotyp: Unternehmen sind schnell, effizient, gewinnorientiert, flexibel und auf ihre Weise „sexy“. Die öffentliche Verwaltung hingegen müffelt angestaubt, behäbig, starr, langsam und langweilig, weil sie sich nicht um Erfolg bemühen muss, sondern die Bürger umgekehrt von ihr abhängig sind. Hier der allseits und allezeit flexible Manager und kundenfreundliche Experte, dort der sture Beamte, der die Beine hochlegt, geführt von Politikern, die nur auf ihre Wiederwahl stieren.
Zwei unterschiedliche Welten, möchte man meinen. Doch näher betrachtet, scheinen die Unterschiede nicht mehr so groß,12 wie wir noch sehen werden. Doch schauen wir uns zunächst die Unterschiede an. Betrachten wir Wirtschaftsunternehmen und Kommunalverwaltungen, fallen uns ein paar Aspekte ins Auge:
–Erstes Gebot unternehmerischen Erfolgs ist der Erfolg am Markt, während die öffentliche Verwaltung staatliche Leistungen bereitstellen und gesetzlich vorgegebene Aufgaben erfüllen muss. Die Verwaltung hat einen gesamtgesellschaftlichen Zweck: die Daseinsvorsorge.
–Wirtschaftsunternehmen sind viel stärker einem Konkurrenzdruck ausgesetzt. Gewiss gibt es auch im Kommunalen Elemente des Wettbewerbs – beispielsweise werben Kommunen um neue Unternehmensansiedlungen oder suchen Fachkräfte für die eigene Verwaltung. In vielen Bereichen aber hat der Bürger keine andere Wahl, als auf die Leistungen seiner eigenen Kommune zurückzugreifen. Insofern spiegelt der Begriff „Kunde“ zwar einen serviceorientierten Gesinnungswandel, faktisch aber geht er in der Realität vorbei. Während der Käufer eines neuen Smartphones die freie Wahl hat, ob er etwa ein iPhone oder ein Galaxy kauft, wird sich der Häuslebauer wegen einer Baugenehmigung an seine ortsansässige Bauaufsicht wenden müssen.
–Auch Unternehmen müssen sich an Gesetze halten, aber die Verwaltung ist noch viel stärker in ihren Handlungen staatlich reglementiert und eingeschränkt. Gewiss hat der Bürgermeister oder Landrat bei der internen Verteilung der Aufgaben gestalterischen Spielraum und die Kommune kann freiwillige Leistungen anbieten; aber in vielen Bereichen erfüllt die Verwaltung nur gesetzliche Vorgaben und muss, etwa bei der Vergabe, strenge Regeln beachten.
–Während sich Unternehmen im laufenden Geschäft in erster Linie gegenüber Anteilseignern und Inhabern verantworten müssen, werden Kommunalverwaltungen ständig öffentlich überwacht, etwa durch politische Gremien, die Medien, Bürgeranfragen und auch bei den turnusgemäßen Wahlen.
–Da Unternehmen am Markt bei schlechter Lage um ihre Zukunft fürchten müssen, sorgen sich deren Mitarbeiter eher um ihre Existenz als etwa die Verwaltungsangestellten und Beamten. Die Sorgen der Behördenmitarbeiter kreisen eher um Umstrukturierungen, hierarchische Zuordnungen, interne Versetzungen und Arbeitsabläufe.
Wir können die Unterschiede zwischen Unternehmensmanagement und Verwaltungsführung nur kursorisch umreißen. Wichtiger in unserem Zusammenhang aber ist, wie es sich mit den Anforderungen an die Kommunikation – und gerade die Interne Kommunikation – verhält. Und da hat sich über die Jahre ein deutlicher Wandel vollzogen.
Um das zu verstehen, müssen wir uns zunächst mit dem Begriff der so genannten VUCA-Welt befassen. Gemeint ist damit eine sich rapide verändernde Umgebung. VUCA fasst als Akronym mehrere englische Begriffe zusammen: volatility (Unbeständigkeit), uncertainty (Unsicherheit), complexity (Komplexität) und ambiguity (Mehrdeutigkeit). Anders gesagt: Alles ist im Fluss. Von einer VUCA-Welt wird vornehmlich bei Wirtschaftsunternehmen gesprochen; da geht es um Globalisierung, um Marktverschiebungen und Konkurrenzkämpfe, um Fusionen und Aufkäufe, um Innovationen und neue Wirtschaftszweige. Aber auch wenn sich das Rathaus nicht der Globalisierung stellt, sind hier doch viele Folgen einer sich verändernden Welt spürbar. Die öffentliche Verwaltung muss sich dasselbe fragen, was sich Wirtschaftsunternehmen fragen, nämlich wie sie „ausreichend auf unerwartete Probleme reagieren kann, um sich nicht nur als widerstandsfähig (resilient) zu erweisen, sondern sogar noch gestärkt aus unübersichtlichen, risikoreichen Situationen hervorgehen zu können“13.
Wie Wirtschaftsunternehmen muss auch die moderne öffentliche Verwaltung „Agilität“ zum Lebensprinzip erheben: Wachsamkeit gegenüber Veränderungen, Abschied von zu starren Strukturen, Ausrichtung auf schnelle Anpassung – gefordert ist insgesamt eine „Kultur der Beweglichkeit“14. Musterbeispiel dafür ist die Digitalisierung.15 Umfassende digitale Dienste werden vom Bürger erwartet und folglich auch von staatlichen Ebenen bis hoch zum Bund als Maßstab für eine moderne Verwaltung gesetzt. Eine Konsequenz dieses Trends ist beispielsweise der „Hessen-Finder“16, der in dem Bundesland als Online-Plattform zahlreiche kommunale Leistungen bündelt und dafür Informationen bereitstellt.
Agilität aber kommt nicht als plötzliche Eingebung von Ungefähr oder wird erreicht, indem der Bürgermeister einfach einen Schalter umlegt. In der Verwaltung insgesamt muss quasi ein Biotop geschaffen werden, ein Umfeld, in dem Innovation, Weiterentwicklung, Flexibilität möglich sind oder noch besser: gefördert werden. Dabei ist die Interne Kommunikation nicht nur ein technisches Mittel des Arbeitsbetriebs, sondern trägt erst dazu bei, flexibler und innovativer zu werden: „Ohne neue (kommunikative) Führung keine agile Verwaltung.“17 Um in einer sich rasch verändernden Welt den Verwaltungszweck, den „Purpose“, zu erfüllen, nämlich den Dienst am Bürger, müssen die Potenziale geschöpft werden, die Mitarbeiter bieten: Erfahrung, Fachkenntnis, Netzwerke, Motivation. Das ist nicht nur wichtig, um intern immer besser zu werden, sondern auch, um extern Vorurteile gegenüber den Behörden abzubauen:
„Wer Mitarbeitende mobilisieren will, damit sie als Botschafter einer öffentlichen Organisation auftreten und Vertrauen zurückgewinnen, der darf keinen Moment Unsicherheit über Sinn und Zweck der eigenen Rolle und des eigenen Handelns aufkommen lassen.“ 18
Wir müssen uns allerdings vor dem holzschnittartigen Bild hüten, sowohl in der VUCA-Wirtschaft als auch in der Verwaltung sei jetzt alles auf Innovation ausgerichtet. Tatsächlich laufen mehrere Steuerungsmodelle nebeneinander. Während Weiterentwicklung und Flexibilität gefordert wird, halten sich weiterhin starre Strukturen und Regeln, die nicht von heute auf morgen beseitigt werden können und die mitunter auch ihren Sinn haben. Diese Schere klafft in der Verwaltung noch stärker auseinander als in der freien Wirtschaft: Gefordert werden dynamische Weiterentwicklung und eine Hands-on-Mentalität, gleichzeitig aber auch Regeltreue und Rechtssicherheit. Die Verwaltung orientiert sich an Gesetzen, die sich nicht über Nacht ändern, und eine Baugenehmigung muss lange Bestand haben. In der Vergabe kann die Verwaltung die Prozesse nicht frei gestalten, sondern hat sich an rechtliche Vorgaben zu halten. In der Sozialhilfe kann sie nicht nach Gutdünken Unterstützungsleistungen auszahlen oder heben und senken, sondern muss sich nach gesetzlich festgeschriebenen Berechnungsmethoden ausrichten.
Führung braucht geeignete Instrumente und Strategien, um Altes und Neues so miteinander zu vereinbaren, dass „selbst bei mehrdeutigen und unsicheren Situationen jederzeit eine Ausrichtung am Purpose der Organisation sowie den spezifischen Zielen, zum Beispiel eines Regierungsprogramms, möglich ist“19. Das zu vermitteln, ist Aufgabe der Internen Kommunikation.
Ein Schlüssel dazu ist die Beteiligung der Mitarbeiter:
„Gerade die Verbindung zwischen Expertenwissen und vielen anderen Perspektiven, die Mitarbeitende einbringen können, zum Beispiel durch ihre Praxiserfahrungen im Kunden- bzw. Bürgerkontakt, macht das Spezifische des agilen Lernens aus.“ 20
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