Tagebuch einer Verführung. Alexandre Legrand
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„Weil ich Sie mag, weil Sie ein netter Kerl sind, weil ich will, daß Sie Ihre Spielsachen besser verpacken. Männer sind schließlich auch nur Menschen … “
„Frauen aber auch.”
„Es geht jetzt um Sie, Fränki. Um Ihr Überleben, um Ihr Seelenheil. Dann ist Ihr Rock zu kurz. Man meint fast den Schoß und den Po zu sehen und wird dadurch lüstern.”
„Man sieht ihn aber nicht.”
„Aber man ahnt ihn und das ist noch viel verführerischer. Sie wissen doch, daß das Verhüllen mehr Reize schafft als das Enthüllen.”
„Ich bin doch unter dem Rock angezogen. Im Bikini sieht man viel mehr. Ist das nicht eine zweigleisige Moral?”
„Wecken Sie nicht Wünsche, die … Ihnen gefährlich werden könnten.”
„Ein Mann kann mir – wenn er mein Typ ist – auch im keuschesten Büstenhalter und langen Rock gefährlich werden, auch hier hinkt Ihr Unken.” „Fränki, Schluß damit. Ich mag Sie. Wir trinken jetzt die Flasche aus und diskutieren morgen weiter über Sein oder Nichtsein, über die Gefahr von kurzen und langen Röcken, über den Sinn und Unsinn von Büstenhaltern … Ich habe einen kleinen Schwips. Darf ich Ihnen eine Wahrheit sagen, aber Sie dürfen nicht beleidigt sein?”
„Unbedingt. Ich bin immer für ein ehrliches Wort.”
„Trinken wir einen Schluß, sonst fallen Sie mir vor Schreck um.”
Als sie ihr Glas ausgetrunken hatten, sagte Jerry kehlig: „Vergessen Sie aber wirklich das, was ich jetzt sage?”
„Unbedingt”, antwortete das Mädchen ernsthaft.
„Sie sind mir, ohne Büstenhalter und mit kurzem, kessen Röckchen lieber. Es macht Sie froh, frisch und sexy. Ihre Brustwarzen zeichnen sich in Ihrem Pulli entzückend ab. Sie machen mir, so wie Sie sich anziehen, viel Freude. Es ist nur die Frage, ob Sie sich damit einen Dienst erweisen.”
„Das verstehe ich nicht.”
„Fränki, Sie fordern mich nur heraus, tun unschuldiger, als Sie sind. Zwischenfrage: Waren Sie schon einmal ganz tief verliebt?”
Das Mädchen lachte. „Einmal? Nein, genau vier Mal. Und das mit allen Schikanen.”
„Fränki!” mahnte Jerry Thomsen und drohte mit dem rechten Zeigefinger.
„Sollte ich lügen?”
„Nein.”
„Also?”
„Sie sind zu nett, um ein Allerweltsliebchen zu werden.”
„Das war ich noch nie und ich glaube, daß ich keine Veranlagung dazu habe. Mit etwas über Sechzehn war ich bereits zum zweiten Mal sehr verliebt und … “
„Wie alt waren Sie bei der, ersten’ Liebe?”
Das Mädchen lächelte, machte ein Gesicht wie eine Sphinx. „Meinen Sie die erste Liebe oder den ersten Sündenfall?”
Jerry Thomsen bekam ein schweres Herz. „Ich will beides wissen!” sagte er hart.
„Beides?” fragte das Mädchen nachdenklich. Einige kleine Schlucke Sekt gaben ihr den Mut zur Antwort. „Mit knapp sechzehn liebte ich den Französisch-Lehrer. Wenn ich sachlich bleibe, muß ich sagen, daß genau siebzehn Schülerinnen in ihn verknallt waren.”
„Und?”
„Wir gingen einmal ins Kino und hielten uns dort die Händchen, und dann war ich bei ihm zwei Mal je eine Stunde zum Privatunterricht.”
„Und?” fragte Jerry wieder monoton.
„Der Unterricht bestand meist nur aus Küssen, Kosen, zärtlichen Worten und noch zärtlicheren Händen.”
Eine Pause herrschte, das Schweigen legte sich wie eine schwere Decke auf sie.
„Ich war schon ziemlich entwickelt”, flüsterte Fränki, „und der Lehrer hatte seine helle Freude, als ich, vom Kakteenschnaps beschwingt, den er sehr liebte, nur noch im Slip tanzte und so tat, als wenn ich einen leidenschaftlichen Flamenco ausf Parkett legen würde.”
Wieder trennte sie Schweigen, wurde jetzt zu einem Schmerz, der ihnen fast den Atem nahm.
„Als ich dann weich war – ich glaube, die Männer sagen so? –, war mein Idol vollkommen blau und so endete meine erste, große Liebe.”
„Und die erste wirkliche Liebe?” ächzte Jerry, als fiele ihm das Sprechen schwer.
„Da war ich in der Lehre. Aus einem mir unerklärlichen Grund, machte ich eine Ausbildung als Bankkaufmann durch. Die ersten Monate verbrachte ich im Keller, in der Registratur, legte dort Woche für Woche Belege ab, obwohl ich schon über siebzehn war.
Jerry erhob sich und ging erregt auf und ab. „Und da geschah es?” fragte er bösartig. „Wer war es?”
„Muß ich?”
„Ja.”
„Ich bin aber nicht stolz darauf!”
„Also?”
„Herr Eggli war das Faktotum des Hauses, zählte zu den ältesten Mitarbeitern.”
„Wie alt war er denn?”
„Genau 68. Er war schon pensioniert, arbeitete jedoch freiwillig weiter. Seine Frau starb kurz vor seinem Ausscheiden aus der Bank, und so blieb er, weil in der Firma keiner im Keller arbeiten wollte.
Wir alle mochten ihn. Er war voll Güte, verstand uns junges Volk, hatte für jeden aufmunternde Worte. Täglich lag auf meinem Arbeitsplatz ein kleines Geschenk. An meinem Geburtstag überreichte er mir zum Beispiel eine einzige, aber wunderschöne Rose. Sie machte mich schwach. Wenn er von seiner Frau erzählte, war er sofort traurig und dann tröstete ich ihn. Und so geschah es. Ich war schon damals keine Freundin von Büstenhaltern. Als ich den Alten wieder einmal tröstete, hingen seine Lippen plötzlich an einer Brustwarze. Es waren Küsse, dir mir gefielen, die bald eine eigenartige Lust schufen. Sie war der Weg für die erste körperliche Liebe.”
„Wie?”
„Herr Eggli küßte mich immer erregter, und dann lag ich nackt mit dem Rücken auf dem Ablegetisch. Nach den Brüsten leckte und lutschte er mir den Spalt. Der Alte ließ sich Zeit, viel Zeit. Vielleicht zuviel? Denn ich war es, der nicht mehr konnte, der vor Lust bettelte, nun alles zu tun. Das war es. Ja, Herr Thomsen, so kann ich auch sein. Doch täuschen Sie sich nicht, ich bin nur selten so.
Herr Eggli war wohl schon alt, war aber irgendwie trotzdem jung. Er machte es wundervoll. Vielleicht sehne ich mich noch heute nach ihm? Vielleicht schäme ich mich seitdem ununterbrochen, denn er war letzten Endes fünfzig Jahre älter. Wenn ich zurückblicke, war ich an diesem Tag ungeheuer glücklich, fast selig. Und wenn ich sachlich bleibe, stelle ich fest, daß ich seitdem wiederum immer traurig bin. Damals wurde ich gelöst, beinahe hätte ich gesagt geöffnet, und bin trotzdem seit dieser Stunde verklemmt.”