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Ich nahm die Axt und schlug die Tür ein – ich hab dabei ziemlich drauflos gehackt und gedroschen. Ich holte das Schwein rein, schleppte es nach hinten, fast bis an den Tisch, hackte ihm mit der Axt in den Hals und hab’s zum Ausbluten auf die Erde gelegt – ich sag Erde, weil’s Erde war – hartgestampft und ohne Dielen. Dann nahm ich nen alten Sack und stopfte ne Menge Steine rein – soviel ich schleppen konnte –, und den hab ich dann, von wo das Schwein lag, zur Tür geschleift und durch den Wald zum Fluss runter und dann ins Wasser gekippt – und runter sank er auf Nimmerwiedersehn. Man konnte leicht sehn, dass was übern Boden geschleift worden war. Wär doch bloß Tom Sawyer da, ging’s mir durch den Kopf: ich wusste, dass er sich für solche Art von Unternehmen interessiert und immer mit Extrafeinheiten garniert. Keiner konnte mit solchen Sachen so auftrumpfen wie Tom Sawyer.
Zum Schluss hab ich mir ein paar Haare ausgerissen, schmierte die Axt gut mit Blut ein, klebte die Haare ans stumpfe Ende und warf sie in ne Ecke. Dann hab ich das Schwein genommen und mit der Jacke an meine Brust gehalten (so konnt’s nicht tropfen), bis ich ein gutes Stück weit unterhalb von der Hütte war, und hab’s dann in den Fluss gekippt. Da fiel mir noch was ein. Ich holte den Mehlsack und meine alte Säge aus dem Kanu und trug beide zur Hütte. Dann hab ich den Sack hingestellt, wo er immer stand, und schlitzte ein Loch in den Boden mit der Säge, weil’s hier keine Messer und Gabeln gab – beim Kochen machte Pap immer alles mit dem Klappmesser. Dann hab ich den Sack gut hundert Yard über die Wiese getragen und weiter durch die Weiden im Osten von der Hütte bis zu nem seichten See, der fünf Meilen breit war und voller Schilf – und auch voller Enten, möcht ich meinen, in der richtigen Jahreszeit. Am andern Ufer führte ne sumpfige Bucht oder ein Bach aus dem See und lief meilenweit fort – wohin, weiß ich nicht, aber in den Mississippi lief er nicht. Das Mehl ist rausgerieselt und ließ auf dem ganzen Weg zum See ne feine Spur zurück. Ich warf da auch Paps Wetzstein weg, es sollte so aussehn, wie wenn’s versehentlich passiert ist. Dann hab ich den Mehlsack mit ner Schnur zugebunden, damit nichts mehr rauslief, und ihn zusammen mit meiner Säge wieder zum Kanu getragen.
Es war jetzt fast dunkel; unter ein paar Weiden, die übers Ufer hingen, hab ich weiter flussab mit dem Kanu angelegt und gewartet, bis der Mond aufging. An einer Weide machte ich fest; dann hab ich nen Bissen zu mir genommen und mich dann ins Kanu gelegt, um ein Pfeifchen zu schmauchen und nen Plan zu machen. Die werden, sag ich mir, die Spur von dem Steinsack ans Ufer verfolgen und den Fluss dann mit nem Schleppnetz nach mir absuchen. Und dann folgen sie wohl der Mehlspur bis an den See und grasen den Bach ab, der aus dem See führt – um die Räuber zu finden, die mich totschlugen und die Sachen alle mitnahmen. Wie verrückt suchen die dann den ganzen Bach ab nach meinem toten Kadaver. Aber das haben sie sicher bald satt und verschwenden dann keinen Gedanken mehr an mich … Gut so; ich kann jetzt haltmachen, wo ich will. Jackson’s Island ist allemal gut genug für mich; ich kenn die Insel ziemlich gut, und so gut wie nie kommt da einer hin. Und nachts kann ich rüber zum Dorf paddeln und da rumschleichen und mir schnappen, was ich brauche. Jackson’s Island ist genau richtig.
Ich war ziemlich müde, und schon beim Gedanken dran bin ich eingeschlafen. Als ich aufwachte, wusst ich nen Moment nicht, wo ich war. Ich setzte mich auf und sah mich um, schon ein bisschen erschrocken. Dann hab ich mich erinnert. Der Fluss kam mir viele Meilen breit vor. Der Mond schien so hell, dass ich die Treibhölzer hätt zählen können, die vorbeiglitten, schwarz und still, Hunderte von Yard vom Ufer weg. Alles war totenstill, und es sah spät aus und roch auch spät. Ihr wisst, was ich meine – mir fehlen die Worte, das zu beschreiben.
Ausgiebig hab ich gegähnt und mich gestreckt und wollt grad losmachen und starten, als ich ein Geräusch drüben auf dem Wasser hör. Ich lauschte. Bald kam ich drauf. Es war so ein dumpfes, regelmäßiges Geräusch, wie’s Ruder erzeugen, die in den Dollen laufen, wenn die Nacht still ist. Ich hab durch die Weidenzweige gespäht, und da sah ich’s – ein Boot auf der andern Seite vom Wasser. Wie viele drinsaßen, könnt ich nicht feststellen. Es kam näher, und als es auf gleicher Höhe war wie ich, seh ich, dass nur einer allein drin ist. Vielleicht, denk ich mir, ist’s Pap, obwohl ich ihn noch nicht erwartet habe. Durch die Strömung kam er etwas ab, und im stillen Wasser ist er bald aufs Ufer zugeschwenkt und fuhr da so dicht an mir vorbei, dass ich ihn mit ausgestreckter Flinte hätt berühren können. Ja, es war Pap, ganz sicher – und nüchtern auch, so wie er sich in die Riemen legte.
Ich verlor keine Zeit. Im nächsten Augenblick bin ich leise, aber schnell, im Uferschatten flussab geglitten. Ich fuhr zweieinhalb Meilen, und dann hielt ich ne Viertelmeile oder auch mehr Kurs auf die Flussmitte, weil ich bald den Anlegeplatz der Fähre passieren musste und mich da Leute sehn und anrufen konnten. Ich bin zwischen die Treibhölzer rausgerudert, legte mich dann auf den Boden vom Kanu und ließ es treiben. Ich lag da, genoss meine Ruhe, hab ein Pfeifchen geschmaucht und in den Himmel hochgeschaut, an dem nicht eine Wolke war. Der Himmel sieht immer so tief aus, wenn man im Mondschein auf dem Rücken liegt; ich hab das vorher gar nicht gewusst. Und wie weit man über das Wasser in solchen Nächten hört! Ich höre, wie Leute sich am Anlegeplatz der Fähre unterhalten. Ich hör auch, was sie sagen, jedes einzelne Wort. Ein Mann sagt grad, dass es jetzt auf die langen Tage und die kurzen Nächte zugeht. Ein andrer sagt, na, die da ist bestimmt keine von den zu kurz Gekommnen – und dann haben sie gelacht, und er hat’s nochmal gesagt, und sie lachen wieder; dann wecken sie nen andern Kerl und erzählen’s dem auch und lachen wieder, aber der lacht nicht; der hat geschäumt und geflucht, solln ihn in Ruh lassen!, Und der Erste sagt, das wollt er seiner Alten erzählen – der würd’s bestimmt gefallen; aber das, sagt er, wär noch gar nichts gegen einige Sachen, die er früher losgelassen hatte. Ich hör, wie ein Mann sagt, es sei jetzt fast drei Uhr, und hoffentlich würd das Tageslicht nicht mehr länger als ne Woche auf sich warten lassen. Danach verloren sich die Stimmen immer mehr, und ich konnt die einzelnen Worte nicht mehr verstehn, bloß ein Gemurmel hab ich noch gehört; und hin und wieder auch ein Lachen, aber das kam mir weit, weit weg vor.
Ich war jetzt unterhalb der Fähre. Ich setzte mich auf – und da war Jackson’s Island, so etwa zweieinhalb Meilen stromab; sie war dicht bewaldet und ragte mitten aus dem Fluss, groß und schwarz und massig wie ein Dampfschiff, nur ohne Lichter. Von der Sandbank an der Spitze war keine Spur zu sehn – sie war jetzt ganz unter Wasser.
Es dauerte nicht lang, bis ich dort war. Mit Karacho bin ich an der Inselspitze vorbeigeschossen, so stark war da die Strömung, und dann kam ich in stilles Wasser und bin an der Seite gegenüber dem Illinois-Ufer an Land. Ich lenkte das Kanu in einen tiefen Einschnitt im Ufer, den ich kannte; ich musste die Weidenbüsche wegschieben, um reinzukommen; und als ich festgemacht hatte, konnte das Kanu von draußen keiner mehr sehn.
Ich stieg aus, setzte mich auf nen Baumstamm an der Inselspitze und sah raus auf den großen Fluss und das schwarze Treibholz, und rüber zum Dorf, drei Meilen weit weg, wo drei oder vier Lichter blinkten. So ne Meile stromauf war ein riesengroßes Holzfloß, das jetzt runterkam, in der Mitte hatte es ne Laterne. Ich sah ihm zu, wie’s runtergekrochen ist, und als es bald auf gleicher Höhe war wie ich, hör ich einen Mann sagen: »Achterruder, he! Bug nach steuerbord!« Ich hörte das so deutlich, wie wenn der Mann neben mir gestanden hätte.
Am Himmel zeigte sich jetzt ein bisschen Grau; und so bin ich in den Wald und hab mich zu nem Nickerchen vorm Frühstück hingelegt.
Kapitel 8
Ich lasse Jim davonkommen
Als ich aufwachte, stand die Sonne schon so hoch, dass es mir wie nach acht vorkam. Ich lag im Gras im kühlen Schatten, hab über dies und das nachgedacht und fühlte mich ausgeruht und so