Die Abenteuer des Huckleberry Finn. Mark Twain

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Die Abenteuer des Huckleberry Finn - Mark Twain Reclam Taschenbuch

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Licht durch die Blätter sickerte, und die Lichtflecken tanzten ein bisschen hin und her, was zeigte, dass oben eine leichte Brise wehte. Zwei Eichhörnchen saßen auf einem Ast und schwatzten sehr freundlich mit mir.

      Ich lag unheimlich faul und bequem da – hatte keine Lust aufzustehn und Frühstück zu kochen. Grade war ich wieder am Eindösen, da kommt’s mir vor, wie wenn ich weiter flussauf ein dumpfes »Bum!« höre. Ich setz mich auf, stütz mich auf den Ellbogen und horche; bald hör ich’s wieder. Und ich saus hoch und lauf zu ner Lücke im Laub, um rauszuschauen, und weit flussauf seh ich zwei Rauchwölkchen auf dem Wasser liegen – etwa in Höhe der Fähre. Und da war auch das Fährboot, es war voller Leute und kam den Fluss runter. Jetzt wusste ich, was los war. »Bum!« Ich seh, wie der weiße Rauch aus der Seite vom Fährboot rausquillt. Aha, sie geben Kanonenschüsse überm Wasser ab, damit meine Leiche an die Oberfläche kommt.

      Ich war ziemlich hungrig, aber ein Feuer anzünden ging jetzt nicht, weil sie vielleicht den Rauch gesehn hätten. Und so saß ich da, beobachtete den Kanonenrauch und lauschte auf das Böllern. Der Fluss war hier eine Meile breit, und an einem Sommermorgen sieht er immer schön aus – und so fand ich’s ganz lustig zuzusehn, wie sie nach meinen Überresten forschten, wenn ich bloß nen Bissen zu essen gehabt hätte. Da fiel mir auf einmal ein, dass sie immer Quecksilber in Brotlaibe reintun und die losschwimmen lassen, weil die immer schnurstracks zur Leiche von dem Ertrunknen wandern und da halten. Gut, sag ich mir, ich leg mich auf die Lauer, und wenn welche von den Broten mir nachschwimmen, lass ich sie an mich ran. Ich bin rüber ans Illinois-Ufer der Insel, um zu sehn, ob ich da Glück habe, und werd nicht enttäuscht. Ein großer Doppellaib kommt an, und beinah hab ich ihn mit nem langen Stock erwischt, aber ich rutsch mit einem Fuß aus, und er schwimmt weiter. Natürlich hab ich mich da hingestellt, wo die Strömung dem Ufer am nächsten kam – so dumm war ich nicht! Aber nach ner Weile kommt ein andres, und diesmal bin ich Sieger geblieben. Ich zog den Stöpsel raus, schüttelte das Klümpchen Quecksilber raus und biss rein. Es war »Bäckerbrot« – was die vornehmen Leute essen –, kein so mieses Maisbrot.

      Ich fand nen guten Platz unterm Laub, setzte mich auf nen Baumstamm und hab das Brot runtergemampft, beobachtete das Fährboot und war restlos zufrieden. Und da ist mir plötzlich was aufgegangen. Jetzt, denk ich mir, hat vermutlich die Witwe oder der Pfarrer oder sonst jemand für mich gebetet, dass das Brot mich finden soll, und hier ist’s gekommen und hat mich gefunden. Kein Zweifel, da ist was dran. Das heißt, da ist was dran, wenn jemand wie die Witwe oder der Pfarrer betet, aber bei mir funktioniert’s nicht, und vermutlich funktioniert’s auch nicht, außer bei den richtigen Leuten.

      Ich hab mir ein Pfeifchen angezündet und vor mich hin geschmaucht und weiter zugeschaut. Das Fährboot schwamm jetzt mit dem Strom, und vermutlich würd ich ne Chance kriegen zu sehn, wer an Bord war, wenn es vorbeikam – weil es hier dicht vorbeimusste wie das Brot auch. Als es schon ganz schön nah an mich rankam, hab ich meine Pfeife ausgemacht, bin dahin, wo ich das Brot rausgefischt hatte, und legte mich hinter nen Baumstamm am Ufer, an ne kleine offne Stelle. Wo der Stamm sich gabelte, könnt ich durchlinsen.

      Bald kam das Fährboot, und es trieb so dicht ran, dass sie ne Planke hätten auslegen und an Land spazieren können. Fast alle sind an Bord. Pap und der Richter Thatcher und Bessie Thatcher und Jo Harper und Tom Sawyer und seine alte Tante Polly und Sid und Mary und jede Menge andre. Alle reden von dem Mord, aber der Kapitän hat sie unterbrochen und gesagt:

      »Aufgepasst jetzt! hier führt die Strömung am dichtesten vorbei, und vielleicht hat’s ihn da an Land geschwemmt, und er hängt irgendwo am Wasserrand im Gestrüpp. Ich hoff es jedenfalls.«

      Ich aber nicht! Und alle drängen sich zusammen, lehnen sich über die Reling – fast mir ins Gesicht –, sind still und gaffen sich bald die Augen aus dem Kopf. Ich konnt sie erstklassig sehn, sie mich aber nicht. Dann ruft der Kapitän: »Zurück!« – und direkt vor meiner Nase hat die Kanone so einen Schuss losgelassen, dass ich bald taub vom Lärm und blind vom Rauch wurde, und ich denk, jetzt ist’s aus. Wären da ein paar Kugeln drin gewesen, hätten sie vermutlich die Leiche doch noch gekriegt, hinter der sie her waren. Na, ich seh, dass ich Gott sei Dank nicht verletzt bin. Das Fährboot schwamm weiter und verschwand hinter dem Inselvorsprung. Ab und zu konnte ich das Böllern noch hören, dann verlor es sich immer mehr, und dann, so nach ner Stunde, hörte ich’s gar nimmer. Die Insel war drei Meilen lang. Sie müssen jetzt, denk ich, am untern Ende sein und werden wohl aufgeben. Aber ne Zeitlang haben sie’s noch nicht getan. Sie fuhren ums untre Ende rum und dann unter Dampf die Fahrrinne an der Missouri-Seite hoch und haben unterwegs hin und wieder geböllert. Ich bin auf die Seite rüber und hab sie beobachtet. Als sie auf Höhe der Spitze waren, haben sie mit Schießen aufgehört, sind zum Missouri-Ufer rübergeschwenkt und fuhren heim ins Dorf.

      Ich wusste, jetzt war ich in Sicherheit. Niemand würde mehr kommen und nach mir suchen. Ich holte meine Siebensachen aus dem Kanu und machte mir ein schönes Lager im dichten Wald. Aus meinen Decken hab ich mir ne Art Zelt gebaut, um mein Zeug drunterzulegen, damit der Regen nicht drankam. Ich fing einen Katzenwels und hab ihn mit meiner Säge ausgenommen; und als die Sonne unterging, machte ich mir ein Lagerfeuer und aß zu Abend. Dann hab ich ne Leine ausgelegt, um ein paar Fische fürs Frühstück zu fangen.

      Als es dunkel war, setzte ich mich an mein Lagerfeuer, rauchte und fühlte mich recht wohl; aber nicht lange, da wurd’s mir ein bisschen einsam, und so bin ich los und setz mich ans Ufer und horche, wie die Strömung vorbeispült, zähle die Sterne und die Treibhölzer und die Flöße, die runterkommen, und dann ging ich schlafen; es gibt kein bessres Mittel, sich die Zeit zu vertreiben, wenn man einsam ist; man hält das nicht durch, und so kommt man schnell drüber weg.

      Und so ging es drei Tage und drei Nächte. Ohne irgendeine Abwechslung – immer dasselbe. Aber am nächsten Tag hab ich die Insel kreuz und quer durchstreift. Ich war ihr Herr; sie gehörte ganz allein mir, sozusagen, und ich wollte alles über sie erfahren; aber vor allem wollte ich die Zeit rumkriegen. Ich fand jede Menge Erdbeeren, reif und prima, und grüne Sommertrauben und grüne Himbeeren; und die grünen Brombeeren kamen grade raus. Die würden mir alle nach und nach sehr gelegen kommen, dacht ich mir.

      Also, ich bin weiter forschend im dichten Wald rumgestreift, bis ich nicht mehr weit vom untern Inselende weg sein konnte. Ich hatte meine Flinte bei mir, aber noch nichts geschossen; es war mehr zur Sicherheit; ich wollt vielleicht noch in Lagernähe ein Stück Wild schießen. Und da war ich um ein Haar auf ne hübsch große Schlange getreten, und die schlüpft fort durchs Gras und die Blumen, und ich ihr nach, um ihr mal nen Schuss zu verpassen. Ich immer hinter ihr her, bis ich plötzlich in die Asche von einem Lagerfeuer spring, das noch raucht.

      Mein Herz hat einen Sprung getan. Ich hab mich nicht mehr groß umgeguckt, sondern meine Flinte entsichert und bin leise und so schnell wie möglich auf Zehenspitzen zurück. Ab und zu blieb ich im dichten Laub stehn und horchte; aber mein Atem ging so schwer, dass ich gar nichts andres mehr hören konnte. Ich schlich ein Stück weiter und horchte wieder; und so immer weiter; und wenn ich nen Baumstumpf sah, hielt ich ihn für nen Mann; wenn ich auf nen Stock trat, und der ist entzweigebrochen, war mir’s, wie wenn mir jemand den Atemzug zerschneidet und ich bloß eine Hälfte kriege, und dazu noch die kürzere.

      Als ich zum Lager kam, war ich nicht mehr sehr tatendurstig, es war nicht mehr viel Mumm in meinen Knochen; aber jetzt, sag ich mir, ist keine Zeit nicht zum Trödeln. Und so hab ich meine Siebensachen wieder ins Kanu gepackt, damit sie außer Sicht waren, löschte das Feuer und verstreute die Asche, damit’s aussah wie ein Lagerfeuer vom letzten Jahr, und bin dann auf einen Baum geklettert.

      Ich saß bestimmt zwei Stunden in dem Baum oben; aber ich sah nichts, ich hörte nichts – ich hab mir immer bloß eingebildet, wenigstens tausend Sachen zu hören. Also, ewig könnt ich da oben nicht bleiben; so bin ich irgendwann wieder runter, aber ich hielt mich ständig im dichten Wald und war auf der Lauer. Alles, was ich zu essen bekam, warn Beeren und was vom Frühstück noch übrig war.

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