Die bekanntesten Werke von Robert Louis Stevenson. Robert Louis Stevenson

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Die bekanntesten Werke von Robert Louis Stevenson - Robert Louis Stevenson

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die kostbare und selten benutzte Artillerie des Vorsitzenden bilden. Schwerlich ahnte er, wie sehr er dabei seinem Vater glich und daß seine Freunde darüber kichernd ihre Bemerkungen machten. Bislang schien er dort auf seinem erhöhten Sitze über die Möglichkeit eines Skandals erhaben; aber er hatte seinen Beschluß gefaßt – er war fest entschlossen, sein Vergehen bis in dessen letzte Konsequenzen zu verfolgen. Durch ein Zeichen berief er Innes (den er soeben gestraft hatte und der gegen seine Art, den Vorsitz zu führen, protestierte) auf den Präsidentenstuhl, trat von dem Katheder herunter und nahm seinen Platz neben dem Kamin ein, wo der Glanz vieler Wachskerzen sein bleiches Gesicht erhellte und die rote Glut des Feuers die Umrisse seiner schlanken Gestalt klar abzeichnete. Als Amendment zu dem nächsten auf der Liste stehenden Gegenstande hatte er Folgendes vorzuschlagen: »Ist die Todesstrafe mit Gottes allmächtigem Willen und menschlicher Politik vereinbar?«

      Ein Hauch von Verlegenheit, ein Schauer des Erschreckens wehte durch den Raum, so tollkühn erschienen diese Worte auf den Lippen von Hermistons einzigem Sohne. Allein der Vorschlag gewann keine weiteren Stimmen; der vorhergehende Antrag wurde prompt eingebracht und einstimmig angenommen, und der momentane Skandal stahl sich zur Hintertür hinaus. Innes brüstete sich mit der Erfüllung seiner Prophezeiung. Er und Archie waren jetzt die Helden des Abends geworden; während sich jedoch Innes nach Schluß der Versammlung von allen umdrängt sah, trat nur ein einziger von seinen Gefährten an Archie heran.

      »Mensch, Weir, das war aber ein kolossal merkwürdiger Angriff von Ihnen!« bemerkte dieses tapfere Mitglied und nahm im Hinausgehen vertraulich Archies Arm.

      »Ich glaube, es war gar kein Angriff«, meinte Archie grimmig. »Eher Krieg bis aufs Messer. Ich war heute morgen dabei, als der arme Teufel gehenkt wurde, und mir steigt jetzt noch der Ekel hoch.«

      »Pah, pah«, entgegnete sein Gefährte und ließ, als hätte er heißes Eisen berührt, den Arm fallen, um die weniger heikle Gesellschaft anderer aufzusuchen. Archie sah sich allein. Der letzte der Getreuen – oder war es nur der kühnste der Neugierigen – war geflohen. Er sah die gedrängte Schar seiner Mitstudenten sich in flüsternde oder lärmende Gruppen auflösen und in der Dunkelheit nach verschiedenen Richtungen auseinandergehen, und seine momentane Verlassenheit lastete auf ihm wie ein Omen und Symbol seines Schicksals im Leben. Erzogen wie er war, in ständiger Furcht, inmitten zitternder Dienstboten, in einem Hause, das bereits bei der leisesten Verschärfung von des Herrn Stimme in schauderndes Schweigen versank, sah er sich jetzt am Rande des blutroten Tals des Krieges und maß dessen Länge und Gefahr mit eingeschüchtertem Blick. Er machte durch Licht und Dunkel der Straßen einen Umweg, betrat die Gasse hinter den Ställen und beobachtete lange Zeit das ruhig brennende Licht in des Lord Oberrichters Zimmer. Je länger er den erleuchteten Vorhang ansah, um so verschwommener wurde das Bild des Mannes dahinter, der dort unermüdlich Blatt um Blatt seiner Prozeßakten wendete und nur von Zeit zu Zeit innehielt, um an einem Glase Portwein zu nippen oder sich schwerfällig zu erheben und vor den mit Büchern bekleideten Wänden in irgendeinem Nachschlagewerk zu kramen. Niemals vermochte Archie den brutalen Richter mit diesem fleißigen, leidenschaftslosen Arbeiter in Einklang zu bringen; ihm fehlte das verbindende Glied; unmöglich konnte man von einer derartigen Doppelnatur voraussagen, wie sie sich verhalten würde, und er fragte sich, ob er recht daran getan, sich in eine Sache einzulassen, deren Ende nicht abzusehen war. Und gleich darauf folgte mit einem schwindelerregenden Gefühl wankenden Vertrauens die Frage, ob er nicht verräterisch gehandelt hätte, seinen Vater zu schlagen. Denn er hatte ihn geschlagen – zweimal vor einer Schar Zeugen hatte er ihn herausgefordert – vor einem Haufen Pöbels ihm einen Schlag versetzt. Wer hatte ihn selbst in diesen delikaten und schwierigen Fragen zum Richter über seinen Vater erhoben? Er hatte dessen Amt usurpiert. Einem Fremden wäre das vielleicht zugekommen; von einem Sohne jedoch – es ließ sich nicht bemänteln – bedeutete es Verrat. Jetzt schwebte zwischen diesen beiden so antipathischen, einander so verhaßten Naturen jene nie zu sühnende Beleidigung! Gott in seiner Voraussicht allein mochte wissen, wie Lord Hermiston sie rächen würde. Diese Zweifel quälten Archie die ganze Nacht und erhoben sich an jenem Wintermorgen mit ihm vom Lager. Sie folgten ihm von Vorlesung zu Vorlesung, machten ihn schreckhaft empfindlich gegenüber jeder Nuance in dem Betragen seiner Kollegen und klangen ihm in der eintönigen Stimme des Professors entgegen; ja er brachte sie am Abend unvermindert, eher noch gesteigert, nach Hause zurück. Die Ursache dieser Steigerung lag in einer zufälligen Begegnung mit dem berühmten Dr. Gregory. Archie hatte, ohne zu sehen, in das erleuchtete Schaufenster einer Buchhandlung gestarrt, bemüht, sich gegen den bevorstehenden Kampf zu stählen. Mylord und er waren am Morgen zusammengekommen und hatten sich getrennt wie alle Tage, mit kaum einem Austausch der üblichen Höflichkeiten; es war dem Sohne klar, daß der Vater bisher nichts erfahren hatte. Ja, als er sich jetzt Mylords furchterregendes Antlitz ins Gedächtnis rief, erwachte in ihm die schwache Hoffnung, daß vielleicht niemand den Mut finden würde, ihm die Geschichte zu hinterbringen. Er fragte sich, ob er in diesem Fall wohl fortfahren würde, und fand keine Antwort. Das war der Augenblick, in dem eine Hand sich auf seinen Arm legte und eine Stimme dicht vor seinem Ohr sagte: »Mein lieber Mr. Archie, ich glaube, Sie täten gut daran, mich einmal aufzusuchen.«

      Erschreckt fuhr er herum und sah sich Angesicht zu Angesicht mit Dr. Gregory. »Weshalb sollte ich Sie besuchen?« fragte er mit dem Trotz der Verzweiflung.

      »Weil Sie schwerkrank aussehen«, sagte der Arzt. »Sie brauchen offenbar ärztlichen Rat, mein junger Freund. Tüchtige Leute sind rar, wie Sie wissen; und nicht jeder würde im Leben eine solche Lücke zurücklassen. Hermiston vermißt nicht so leicht einen Menschen.«

      Mit einem Kopfnicken und einem Lächeln setzte der Arzt seinen Weg fort.

      In der nächsten Sekunde war Archie ihm nachgesprungen und packte jetzt seinerseits ungestüm des anderen Arm.

      »Was soll das heißen? Was wollen Sie damit sagen? Was veranlaßt Sie zu dem Glauben, daß Hermis – daß mein Vater mich vermissen würde?«

      Der Arzt drehte sich um und betrachtete ihn von Kopf bis Fuß mit klinisch geschultem Auge. Auch ein weit dümmerer Mensch als Dr. Gregory hätte die Wahrheit erraten können, aber neunundneunzig von hundert würden selbst mit gleich gutem Willen wie er durch irgendeine wohlmeinende Übertreibung alles verdorben haben. Der Arzt wußte es besser. Er kannte den Vater genau; aus diesem bleichen, intelligenten, gequälten Gesicht sprach ein gut Teil von des Sohnes Wesen, und er berichtete die schlichte Wahrheit ohne Milderung oder Ausschmückung.

      »Als Sie die Masern hatten, Mr. Archibald, erkrankten Sie sehr schwer, und ich dachte, Sie würden mir noch durch die Finger gehen. Nun, Ihr Vater war sehr besorgt um Sie. Sie werden mich fragen, woher ich das weiß. Einfach weil ich ein geschulter Beobachter bin. Das Zeichen, das ich ihn geben sah, wäre Zehntausenden entgangen; und doch hat er sich vielleicht – ich sage vielleicht, weil er ein Mann ist, den man nur schwer beurteilen kann – nie wieder verraten. Eine seltsame Sache das, nicht wahr? Es war so. Ich ging eines Tages zu ihm. ›Hermiston‹, sagte ich, ›es ist eine Wendung eingetreten.‹ Er sagte kein Wort, sondern funkelte mich nur so an (Sie werden den Ausdruck entschuldigen) wie ein wildes Tier. ›Eine Wendung zum Guten‹, sagte ich. Und dann hörte ich ganz deutlich, wie er aufatmete.«

      Der Arzt wartete nicht erst eine Antiklimax ab. Mit einer Neigung seines Dreispitzes (ein altmodisches Stück, an dem er getreulich festhielt) und der vielsagenden Wiederholung »Ganz deutlich« verabschiedete er sich und ließ Archie sprachlos auf der Straße zurück.

      Die Anekdote mochte unendlich belanglos sein, für Archie besaß sie einen unermeßlich tiefen Sinn. »Ich ahnte ja nicht, daß der Alte so viel Blut in sich hätte.« Niemals hatte er sich träumen lassen, daß sein Vater, dieses wahre Urbild eines »alten Römers«, dieser Adam aus Granit, ein Herz besäße, das überhaupt für irgendeinen anderen Menschen zu schlagen vermöchte; und dieser andere, er selbst, hatte ihn beleidigt! Mit der ganzen Großmut der Jugend schlug sich Archie sogleich auf die entgegengesetzte Seite, hatte sich im Augenblick ein völlig neues Bild von Lord Hermiston geschaffen: das eines Mannes, der nach außen

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