Wer die Leidenshaft flieht. Barbara Cartland
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Читать онлайн книгу Wer die Leidenshaft flieht - Barbara Cartland страница 4
Fleur war so unvorbereitet in diese verworrene Situation gestolpert, daß es ihr jetzt schwerfiel, emotionslos zu reagieren, aber sie zwang sich zur Vorsicht, denn sie spürte die Feindseligkeit, die ihr Pierre de Sardou entgegenbrachte.
»Ich habe keine Kinder.« Sie sprach leise. »Möchten Sie nicht in den Salon kommen? Vielleicht hätten Sie nach der Reise gern eine Tasse Kaffee?«
»Vielen Dank, ich habe gerade erst zu Mittag gegessen.«
Fleur ging voraus in den Salon. Als sie die Tür öffnete, fiel ihr Blick auf Maries Gesicht, und sie erkannte, daß die alte Frau auch Angst hatte und sie warnen wollte.
Die Nachmittagssonne fiel durch die Jalousien und zauberte goldene Streifen auf den Aubusson-Teppich. Die Streifen erinnerten an Gitter - Gefängnisgitter.
»Sind Sie schon lange hier?«
»Lange, ja.«
»Ich kann nicht verstehen, warum meine liebe Tante mich nicht über ein so interessantes Ereignis wie Luciens Hochzeit unterrichtet hat. Ich hätte gern ein Geschenk geschickt.«
»Wir haben erst kurz vor Luciens Tod geheiratet«, erklärte Fleur steif.
»Das erklärt natürlich Einiges. Der Schock ... meine Tante hat bestimmt sehr gelitten, und doch hat sie die Beileidsschreiben so tapfer beantwortet - ich habe erst einen Brief erhalten. Sie schrieb ziemlich ausführlich von Lucien und lobte stolz seinen Heldenmut - seltsam, daß sie seine Frau nicht erwähnt hat. Sie muß es vergessen haben - die Trauer kann natürlich der Grund dafür sein, aber es ist dennoch merkwürdig, Madame, das sehen Sie doch gewiß selbst. Meine Tante war in familiären Angelegenheiten sehr genau, wie Sie selbst bemerkt haben werden. Wann ist sie gestorben?«
»Heute morgen um halb sieben. Würden Sie sie gern sehen?«
»Dazu ist noch genügend Zeit. Ich bleibe heute nacht natürlich hier. Die Beerdigung findet morgen statt?«
»Übermorgen.«
»So. Dann kann ich mich Ihrer Gesellschaft also noch bis Mittwoch erfreuen. Vielleicht tauchen noch andere Familienmitglieder auf, das weiß ich nicht. Ich werde bestimmt sehr viel zu tun haben. Schließlich bin ich jetzt das Familienoberhaupt, Sie verstehen.«
»Tatsächlich?«
»Ja. Ich habe nun das Recht, mich Comte de Sardou zu nennen, aber wir von der jüngeren Generation machen uns ja nichts aus solchen Nebensächlichkeiten. Ich ziehe es vor, Monsieur genannt zu werden. Ich bin Demokrat wie Sie sicher auch, Madame?«
»Natürlich.«
»Ich bin entzückt, das zu hören. Ich sehe schon, wir haben vieles gemeinsam. Haben Sie das Testament von Madame la Comtesse schon gesehen?«
Diese Frage traf Fleur wie ein Pfeil. Sie ließ sich mit ihrer Antwort Zeit, ordnete ein paar kleine Schnupfdosen aus Porzellan, die auf einem Tischchen standen, und es gefiel ihr, daß sie ihren Inquisitor zappeln lassen konnte. Sie wußte, daß Madame Sardous Vermächtnis ihn am meisten interessierte.
»Nein, ich weiß nichts davon«, antwortete sie schließlich. »Wenn sie ein Testament gemacht hat, dann wird es beim Notar liegen.«
»Natürlich.«
Sie hörte, daß Monsieur Pierre erleichtert aufatmete. Er ging ein paar Schritte zur anderen Seite des Zimmers, kam dann zurück.
»Darf ich rauchen, Madame?«
»Natürlich - bitte. Es tut mir leid, daß ich vergaß, es Ihnen vorzuschlagen.«
»Das kommt wahrscheinlich daher, daß Sie lange Zeit in einem männerlosen Haushalt gelebt haben.« Er zündete sich eine Zigarette an. »Waren Sie hier, als Lucien fiel?«
»Ja, ich war hier.«
»Wo wurden Sie getraut?«
Fleur fing an zu zittern. Das war die Frage, vor der sie sich gefürchtet hatte. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis er alles herausgefunden hatte.
»In Paris.«
»In Notre Dame?«
»Nein, in Madeleine.«
Sie wußte nicht genau, warum sie ihm widersprach, vermutlich machte es ihr einfach Spaß.
»Das ist allerdings merkwürdig! Alle Sardous haben in Notre Dame geheiratet.«
»Lucien wollte eine Ausnahme machen.«
»Verzeihen Sie mir, Madame, aber wie lautet Ihr Mädchenname?«
Fleur lächelte. Jetzt befand sie sich wieder auf sicherem Boden und mußte nicht mehr lügen. Sie konnte den Namen ihrer Großmutter angeben - den Namen einer großen Familie.
»Fleur de Malmont.«
»Aber natürlich - ich kenne die Familie.«
Jetzt lag so etwas wie Respekt in seiner Stimme, aber Fleur wußte, daß ihn diese Neuigkeit ganz und gar nicht erfreute. Er war noch immer mißtrauisch, möglicherweise war er jetzt sogar noch argwöhnischer als zuvor.
Zu spät begriff Fleur, daß die einzig mögliche Erklärung für eine heimliche Hochzeit darin gelegen hätte, daß Lucien ein Mädchen von zweifelhafter Herkunft, dessen Familie nicht akzeptiert worden wäre, zur Frau genommen hatte.
Jetzt konnte sie ihre Worte nicht mehr ungesagt machen und nichts weiter tun, als auf die nächste Frage zu warten. Ihr fiel ein Stein vom Herzen, als die Tür geöffnet wurde. Für einen Augenblick zumindest war sie gerettet.
Marie brachte den Kaffee, oder vielmehr den scheußlichen Ersatz, mit dem sie sich seit über einem Jahr begnügen mußten.
»Kaffee, M’sieur?«
»Danke. Ich werde mich in ein paar Minuten selbst bedienen.«
Fleur bemerkte, wie er bei dem Geruch die Nase rümpfte. Zweifellos hatte Monsieur Pierre die Möglichkeit, sich durch Beziehungen wohlschmeckendere Getränke zu besorgen als seine weniger glücklichen Landsleute.
Marie wandte sich um, um das Zimmer zu verlassen. Als sie die Tür erreichte, wandte Monsieur Pierre sich in scharfem Ton an sie.
»Ich möchte eine Nachricht ins Dorf schicken. Gibt es jemanden, der sie überbringen kann?«
»Mais non, M’sieur. Hier im Haus leben nur Madame und ich selbst.«
»Aber das ist ja lächerlich! Es gibt doch bestimmt einen Gärtner oder einen Knecht?«
»Niemand, M’sieur, dem wir Aufträge erteilen können. Vor dem Krieg gab es viele, die froh waren, im Château dienen zu können. Jetzt dienen sie unseren Eroberern.«
Monsieur Pierre stieß einen Ausruf der Verärgerung aus.
»Dann muß