Wer die Leidenshaft flieht. Barbara Cartland

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Wer die Leidenshaft flieht - Barbara Cartland Die zeitlose Romansammlung von Barbara Cartland

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dem Notar, fügte Fleur in Gedanken dazu.

      »Ja, M’sieur.«

      Marie blieb geduldig wartend stehen, ohne ihm ihre Hilfe anzubieten.

      »Du kannst gehen.«

      »Danke, M’sieur.«

      »Sie sagt vermutlich die Wahrheit«, wandte er sich an Fleur. »Es gibt niemanden, den ich ins Dorf schicken kann. Gibt es eine andere Möglichkeit, diese Leute hierher zu bestellen?«

      »Ich fürchte nicht. Und wir haben auch kein Fahrzeug.«

      »Natürlich. Der Wagen ...?«

      »Den haben die Deutschen schon vor über einem Jahr geholt.«

      »Ja natürlich. Hat man die Comtesse entschädigt?«

      »Ich habe keine Ahnung.«

      Fleur wußte sehr wohl, daß Madame keine Entschädigung für Luciens Auto erhalten hatte. Man hatte angedeutet, daß sie eine Quittung erhalten würde, die ihr später eine Entschädigung einbringen könnte, wenn sie einen Antrag stellen würde. Aber die Comtesse hatte nichts unternommen.

      Fleur hatte den Entschluß gefaßt, nichts zu unternehmen, was Pierre de Sardou einen Vorteil verschafft hätte, und sie wollte unter allen Umständen verhindern, daß er von dem profitierte, was Lucien zugestanden hätte.

      »Nun, dann muß ich wohl selbst gehen - der Prophet zum Berg!« Er lachte gezwungen. »Au revoir, Madame, ich bleibe nicht lange. Ich hoffe, wir essen zusammen zu Abend.«

      »Um welche Zeit würde es Ihnen passen, Monsieur?«

      »Wäre sieben Uhr recht?«

      »Ausgezeichnet.«

      »Gut. Dann also bis später, Madame.«

      Er warf ihr einen Blick zu, der galant wirken sollte. Dann stolzierte er aus dem Zimmer wie jemand, der sich bewußt ist, daß alle Frauen ihn bewundernswert finden.

      Fleur rührte sich nicht. Sie wartete, bis sie hörte, daß die Haustür geschlossen wurde und die Schritte, die auf dem Kies knirschten, leiser und leiser wurden. Dann herrschte nur noch Stille. Sie sank aufs Sofa und preßte die Hände an die schmerzende Stirn. Langsam fühlte sie, wie ihre Spannung nachließ.

      »Ich muß nachdenken«, sagte sie laut.

      Was sollte sie tun? Wie konnte sie dieser Schlinge entkommen, die sich langsam um sie schloß? Warum hatte Marie behauptet, sie wäre Luciens Frau? Es war Wahnsinn - und doch, was hätte sie sonst sagen können?

      Möglicherweise hätte er ihre Papiere sehen wollen, und jede Ausflucht, jede andere Lüge hätte ihn vielleicht noch mißtrauischer gemacht, als er ohnehin schon war.

      Wie konnte sie nur so dumm sein, warum hatte sie diese Entwicklung nicht vorausgesehen? fragte sie sich. Warum war sie nicht schon längst fortgegangen? Aber wie hätte sie die todkranke Comtesse im Stich lassen können?

      Sie hatte die alte Dame geliebt und dennoch gefürchtet, weil sie sie nicht verstand. Sie lebte in einer anderen Welt und gehörte noch dazu einer anderen Nationalität an. Aber für Fleur war sie die letzte Verbindung zu Lucien gewesen, und Fleur war allein schon darüber glücklich, in seinem Haus leben zu dürfen.

      Ja, es war unmöglich gewesen, abzureisen und all die Erinnerungen hinter sich zu lassen. Aber nun befand sie sich in Gefahr. Früher hatte die Comtesse mit der ihr eigenen Nonchalance alle Angelegenheiten geregelt, und all ihre Anweisungen wurden strikt befolgt. Fleur hatte sich oft amüsiert, daß sogar der Bürgermeister auf den Befehl der Comtesse zum Château gekommen war. So sehr sich Frankreich auch mit der Demokratie brüstete, in den kleinen, abgeschiedenen Dörfern hatten die Aristokraten noch immer Gewicht und wurden wie Herren behandelt. Als die Comtesse nach dem Bürgermeister verlangte, betrat der kleine Mann, ein Kaufmann von Beruf, eine Stunde später zögernd den Salon, in dem Madame auf ihn wartete. Er schwitzte ein wenig, bemerkte Fleur, und drehte seinen Hut in den Händen, während er zuhörte, was Madame zu sagen hatte.

      »Monsieur le Maire, wieder einmal sind Barbaren in unser geliebtes Land eingefallen. Wieder einmal schreit das Blut unserer Landsleute nach Rache. Stimmen Sie mir zu, Monsieur le Maire?«

      »Ja, Madame - aber Madame werden verzeihen, wenn ich vorschlage, daß Sie von diesen Dingen nicht ganz so laut sprechen.«

      Die Comtesse hatte gelächelt.

      »Ich bin eine alte Frau, Monsieur le Maire, und ich kann nur einmal sterben. Mein Sohn hat sein Leben bereits für Frankreich gegeben - und ich wäre stolz, meines für dieselbe Sache zu opfern.«

      »Madame, Sie sind sehr tapfer.«

      Trotzdem hatte Fleur erraten, daß er sich um sich selbst und um seine große fette Frau, die er ständig betrog, und seine sechs Kinder, von denen der älteste Sohn als Gefangener in Deutschland war, Sorgen machte.

      »Wir verstehen einander«, fuhr die Comtesse fort. »Es ist nicht nötig, daß ich mehr sage. Aber, Monsieur, über meiner Sorge bezüglich der Politik habe ich ganz vergessen, Ihnen meine Schwiegertochter Fleur vorzustellen - Monsieur le Maire - Madame Lucien de Sardou.«

      Für einen kurzen Augenblick sah der kleine Mann überrascht aus, dann begriff er.

      »Enchanté, Madame, meinen Glückwunsch«, murmelte er und wartete ab.

      »Meiner Schwiegertochter«, fuhr die Comtesse fort, »widerfuhr ein verhängnisvolles Mißgeschick, Monsieur. Ein kleines Feuer brach gestern abend hier aus, nichts Ernstes, wir konnten es selbst löschen, aber unglücklicherweise sind Madames Papiere verbrannt, ihre carte d'identité

      »Ich verstehe, Madame - die Unterlagen lassen sich ersetzen.«

      »Das ist schön, Monsieur le Maire. Ich danke Ihnen für Ihre Bemühungen.«

      Die Comtesse streckte die Hand aus, damit der Bürgermeister einen Handkuß darauf hauchen konnte, und damit war die Unterredung zu Ende. Am folgenden Morgen brachte sein zweitältester Sohn, Fabian, einen Personalausweis auf den Namen Fleur de Sardou, das Ausstellungsdatum war verschmiert und nicht mehr zu entziffern.

      Fleur war damals sehr erleichtert, aber jetzt erkannte sie ganz deutlich die Gefahr, in der sie sich befand. Am meisten bedauerte sie, daß sie der Aufforderung der Comtesse gefolgt war und ihren britischen Paß verbrannt hatte.

      »Diese Papiere bereiten Ihnen nur Schwierigkeiten«, hatte Madame beharrt, und trotz Fleurs Protest hatten die Flammen gierig die blaue Canvashülle verschlungen, dann die Seite, auf der sich die Unterschrift des Außenministers befand.

      Aber die Comtesse hatte recht behalten. Am nächsten Tag kamen die Deutschen. Marie, einen besorgten Ausdruck auf dem sonst so ruhigen Gesicht, holte die Comtesse und Fleur aus dem Garten.

      »Madame! Nom de Dieu! Verzeihen Sie, Madame, aber da sind Deutsche an der Tür.«

      Sie keuchte, die gefältelte Kappe saß schief auf ihrem grauen Haar.

      »Deutsche?«

      »Ja, Madame. Sie wünschen Sie zu

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