Wer die Leidenshaft flieht. Barbara Cartland

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Wer die Leidenshaft flieht - Barbara Cartland Die zeitlose Romansammlung von Barbara Cartland

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Madame.«

      Die Deutschen durchsuchten das Haus. Sie suchten in jeder Nische, in jedem Winkel nach französischen Soldaten. Sie schleppten Schweine und Hühner fort, auch einen Schinken, der in der Vorratskammer gehangen hatte. Sie saugten das Benzin aus dem Wagen in der Garage ab und beschlossen, den Wagen selbst später zu holen.

      Ein paar Tage später kamen sie wieder und holten Louis, den Mann, der im Garten arbeitete.

      Fleur stand auf und ging zum Fenster. Der Garten lag ruhig und friedlich vor ihr.

      Es fiel ihr schwer zu glauben, daß auf dem ganzen Kontinent Krieg und Feindschaft herrschten und daß Männer erschossen und gefangengenommen wurden.

      O Gott, ich habe Angst! dachte Fleur.

      Aber dann wußte sie, daß sie auf irgendeine Art und Weise alle Schwierigkeiten überwinden konnte.

      3

      Irgendetwas ging hier vor... irgendetwas ängstigte sie. Fleur bewegte sich, versuchte zu schreien. Im selben Augenblick wurde eine Hand auf ihren Mund gepreßt. Einen Moment lang empfand sie nichts als schieres Entsetzen ... dann hörte sie Maries Stimme.

      »Alles in Ordnung, Mademoiselle - ich bin es, Marie. Haben Sie keine Angst.«

      »Marie!«

      Fleur drehte sich um. Sie konnte noch immer fühlen, daß ihr Herz zu schnell schlug und ihr Atem keuchend und stoßweise über ihre Lippen kam.

      »Pst! Wir müssen ganz leise sein. Ich habe Neuigkeiten für Sie.«

      Fleur setzte sich im Bett auf. Eine brennende Kerze stand auf dem Nachttisch, aber sie erhellte mit ihrem Flackern nur einen kleinen Teil des Zimmers; der Rest lag düster und bedrohlich im Schatten.

      »Was ist denn los?«

      Marie kam so nahe, daß sich ihre Gesichter fast berührten.

      »Fabian hat die Information gebracht. Sie müssen noch heute von hier fort, Mademoiselle. Sie sind in Gefahr.«

      »Was hat er gesagt?«

      Maries Stimme wurde noch leiser, so daß Fleur die Ohren spitzen mußte, um zu hören, was sie sagte.

      »Es ist wegen Monsieur Pierre. Er ist nicht nur ins Dorf gegangen, um mit dem Pfarrer und dem Arzt zu sprechen, sondern er hat auch telefoniert - mit Paris, Ihretwegen, Mademoiselle!«

      Marie machte eine dramatische Pause, wie jemand, der am Höhepunkt seiner Geschichte angelangt ist.

      »Über meine Heirat!«

      Marie nickte.

      »Ja. Er hat mit einem Freund telefoniert und ihn aufgefordert, gleich morgen früh zur Madeleine zu gehen und Erkundigungen einzuziehen, ob Sie und Monsieur Lucien dort getraut worden sind.

      Fabian hat erzählt, daß er seinem Freund befohlen hat, sich gleich morgen früh zu erkundigen. Mademoiselle, Sie müssen fort!«

      »Wenn er keine Unterlagen findet«, überlegte Fleur laut, »was dann?«

      »Dann wird Monsieur Pierre nicht lockerlassen und alles herausfinden. Ach, Mademoiselle, ich habe gestern abend zugehört, als sie sich beim Essen mit ihm unterhalten haben. Sie sprechen wunderbar Französisch,- aber es ist nicht gut genug, um einen Franzosen zu täuschen. Einen Deutschen, ja - was wissen die schon von unserer Sprache? Aber Monsieur Pierre ... Ich konnte sehen, wie er Sie beobachtet hat, die Art, wie er zuhörte. Mademoiselle, er ist mißtrauisch.«

      »Aber würde er es wagen, mich zu verraten - nachdem seine Tante mich all die Monate hindurch beschützt hat? Bestimmt...«

      »Monsieur Pierre hat auch unser Land verraten«, unterbrach Marie sie. »Er hat sich mit den Deutschen verbündet, er wäre nur zu froh, ihnen einen Gefallen tun zu können. Glauben Sie etwa, daß der Familienstolz ihm wichtiger ist als sein persönlicher Vorteil? O nein, Mademoiselle, ein Mann, der Frankreich in den Rücken fällt, würde gewiß nicht zögern, die Ehre seiner Familie aufs Spiel zu setzen. Sie befinden sich in Gefahr, ma petite. Sie müssen fort.«

      »Aber wohin? Wohin kann ich schon gehen?« Fleur machte eine hilflose Handbewegung.

      »Ich habe über alles nachgedacht. Auch der Herr Bürgermeister ist nicht ohne Ideen. Er hat Fabian erzählt, daß die Papiere, die Sie bereits haben, vernichtet werden müssen.«

      »Aber was gibt er mir stattdessen?« fragte Fleur entsetzt.

      »Ich habe schon alles arrangiert«, erwiderte Marie. »Ecoutez, Mademoiselle, hören Sie mir zu. Ich habe einen Bruder - Jacques. Er hat mich gern und ich ihn auch, obwohl ich ihn seit vielen Jahren nicht mehr gesehen habe. Er lebt in Sainte Madeleine-de-Beauchamps, einem kleinen Dorf nicht weit von Dieppe. Jacques besitzt dort eine Farm. Einige seiner Kinder arbeiten mit ihm auf dem Land, andere sind Fischer. Er hat eine große Familie. Sie werden mit Papieren zu ihm gehen, aus denen jeder, der sie liest, sehen kann, daß Sie seine Nichte sind.«

      »Aber, Marie, woher willst du wissen, daß er mich bei sich aufnimmt?«

      »Er wird Sie bei sich wohnen lassen, weil ich Sie schicke. Er mag die Deutschen nicht - sein ältester Sohn, François, ist beim Kampf in den Ardennen gefallen. Der Pfarrer hat mir geschrieben und mir seinen Tod mitgeteilt, denn Jacques kann nicht schreiben. Er hat sein Leben lang hart gearbeitet und hatte keine Zeit zum Lernen.«

      »Aber angenommen ...«

      »Machen Sie sich keine Sorgen, Mademoiselle. Es wird alles gut, das verspreche ich Ihnen.«

      »Ach, Marie - komm mit mir!«

      »Ich habe schon daran gedacht«, erwiderte Marie. »Aber das wäre nicht klug. Wenn Monsieur Pierre uns suchen sollte, würde er schnell herausfinden, daß ich heimgefahren bin; aber Sie allein kann er nicht finden. Er wüßte nicht einmal, welche Richtung Sie eingeschlagen haben.«

      »Aber die Reisegenehmigung?«

      »Das wird alles arrangiert. Fabian kümmert sich darum. Er wird Monsieur le Maire genau erklären, was nötig ist. Der Bürgermeister wird es verstehen - dieser Mann ist nicht dumm.«

      »Aber er begibt sich damit auch in Gefahr. Ich wüßte nicht, warum er meinetwegen Schwierigkeiten auf sich nehmen sollte!«

      »Er tut es weniger für Sie, Mademoiselle. Er gehört zur Widerstandsbewegung. Er sieht vielleicht aus wie eine Maus, aber er hat das Herz eines Löwen.«

      »Davon hatte ich ja keine Ahnung!«

      »Die Deutschen auch nicht«, antwortete Marie grimmig. »Er ist klein und wirkt verängstigt, und deshalb lassen sie ihn in seinem Amt; sie erteilen ihm Anweisungen und freuen sich über die respektvolle, unterwürfige Art, mit der er verspricht, sie zu befolgen. Aber sie täuschen sich!

      Neulich erst brachten sie einen großen Zug voller Lebensmittel in unseren Bahnhof. Lebensmittel, die sie von unseren Bauernhöfen und Garten gestohlen haben und die jetzt nach Deutschland gebracht werden sollten. Die Wagen liefen nicht glatt, und so holte man Monsieur le Maire und erklärte ihm, daß zehn Männer die Achsen ölen

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