MATTHEW CORBETT in den Fängen des Kraken. Robert Mccammon
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Читать онлайн книгу MATTHEW CORBETT in den Fängen des Kraken - Robert Mccammon страница 25
»Es liegt ein wenig außerhalb unserer Expertise«, meinte Greathouse. »Aber ich würde vorschlagen, dass die Besatzung die Pistolen und das Pulver bei sich trägt, das vermutlich in einer Kiste unter Verschluss gehalten wird, und damit den Piraten das Gehirn rauspustet. Das sollte das Problem lösen.«
»Ein sehr guter Ratschlag, Sir«, sagte Tully mit ernster Miene und einem kurzen Nicken. »Und sicherlich würde die Besatzung diesen Ratschlag in ihrem nassen Grab zu schätzen wissen, da die verdammten Seeräuber schon bewiesen haben, dass Kanonen gegen Pistolen an jedem Tag gewinnen, selbst am Sonntag.« Er berührte die Krempe seines Dreispitzes mit dem Zeigefinger. »Ich gehe jetzt nach Hause und genehmige mir einen Grog. Und wenn aus dem einen Grog zwei oder drei oder mehr werden, dann sehe ich Euch irgendwann nächste Woche wieder.« Mit diesen Worten drehte er sich um und machte sich zu seinem feinen Haus in der Golden Hill Street auf. Bald darauf war er nur noch eine schemenhafte Gestalt im Schneegestöber, und dann gab es nur noch Schnee und keine Gestalt mehr.
»Ich brauche auch einen Grog«, sagte Greathouse. »Wie wär’s, wenn wir im Gallop vorbeischauen?«
»Von mir aus gern«, sagte Matthew. Vielleicht konnte er dort eine Partie Schach spielen und sein Gehirn dazu bringen, so zu arbeiten, wie es sollte.
»Braver Mann«, sagte Greathouse.
Als sie nebeneinander in Richtung Crown Street gingen, fügte er hinzu: »Du zahlst.«
Kapitel 5
Vier Tage, nachdem Hooper Gillespie einen Barsch gefangen hatte, wurde ein allgemein bekanntes Gebäude an der Ecke von Crown und Smith Street von einer Explosion zerrissen – am dreiundzwanzigsten Februar gegen halb ein Uhr morgens, so schätzte man. Die Sprengkraft war derartig stark, dass das Dach in brennende Teile zerrissen wurde, die in die Luft flogen und mitten auf der Straße niederfielen. Die Fensterläden und die Tür wurden hinausgerissen. Die Glasscheibe des Schaufensters fand man später in der Holzwand des Red Barrel Inn eingebettet, das einen Schlag abbekam, der die letzten drei Betrunkenen in der Schänke denken ließ, Gottes Faust sei auf der Suche nach ihren Sünden. Das Gebäude an der Ecke der Crown Street entflammte sich mehr wie von einem Blitzschlag oder wie eine mit Schweinefett umwickelte Fackel, als dass es auf altvertraute Art brannte. Der Lärm der Explosion warf alle Menschen von Golden Hill bis zur Wall Street aus dem Bett, und selbst das spätabendliche Amüsement bei Polly Blossom in der Petticoat Lane wurde vom Knall unterbrochen, der widerhallend durch die Stadt jagte.
»Was ist jetzt!?«, schrie Gardner Lillehorne und setzte sich im Bett neben seiner Princess auf, deren Gesicht mit einer grünen Creme beschmiert war, die selbst der hässlichsten Frau von Paris die Schönheit wiederschenkte.
»Zum Teufel mit dem Lärm!«, brüllte Hudson Greathouse und setzte sich im Bett neben einer gewissen großen, blonden Witwe auf, die schon seit langem vergessen hatte, was das Wort »Nein« bedeutet.
»Oh Gott, was war das?«, fragte Madam Cornbury und setzte sich neben ihrem unter der Steppdecke zusammengerollten Mann auf, dessen Ohren mit Korken zugestopft waren. Denn manchmal wachte er von seinem eigenen Schnarchen auf.
Und Matthew Corbett setzte sich wortlos in seinem kleinen, aber ordentlich aufgeräumten Kühlhaus auf. Neben den zwei Kerzen, die er nachts brennen ließ, um die Dämonen von Slaughter und Leka fernzuhalten, entzündete er eine dritte Kerze. Vom Licht ermutigt sprang er aus dem Bett, zog sich an und bereitete sich auf das Schlimmste vor – denn er hatte das sichere Gefühl, dass diese Explosion etwas Wichtigeres als eine Lagerhalle voller Seile getroffen hatte.
Die Flammen loderten äußerst heiß. Die Nacht war voller Funken und Rauch, orange erleuchtet wie ein Morgen im August. Die Löschbrigaden arbeiteten fieberhaft. Sie taten ihr Bestes, aber bald mussten sie sich um die benachbarten Häuser kümmern, damit das Feuer sich nicht ausbreitete.
Und so starb die Schneiderei, die von Benjamin Owles und seinem Sohn Effrem betrieben wurde.
In ihren letzten Momenten hustete sie Feuer und spuckte Asche, und Matthew, der neben Effrem in der Menge stand, beobachtete, wie erst eine schwarz verrußte Ziegelsteinmauer zusammenbrach und dann die nächste, bis die Steine alles begruben, was im Leben der Owles-Familie Erfolg bedeutet hatte.
»Es ist vorbei«, hörte Matthew seinen Freund ganz leise sagen. Matthew legte ihm seine Hand auf die Schulter, aber angesichts einer so großen Tragödie war es eine zu kleine Geste. Ein paar Schritte weiter starrte Benjamin Owles in die flackernde Glut; bis jetzt war er unbewegt geblieben, doch nun war das Ende da und Tränen begannen ihm über das Gesicht zu laufen.
Plötzlich fuhr die versammelte Menge zusammen. Matthew spürte es, als würde ihm jemand mit einem Messer das Rückgrat hinunterstreichen. Irgendjemand rief etwas quer durch die Crown Street, aber was es war, ließ sich nicht verstehen. Matthew schien von einem Murmeln umgeben zu sein wie von einem geflüsterten Geheimnis, in dessen Mitte er selber stand. »Was ist los?«, fragte Matthew den Silberschmied Israel Brandier, der rechts neben ihm stand, aber Brandier musterte ihn durch seine Hornbrille und sagte nichts. Die Wäscherin Jane Neville neben Brandier sah ihn ebenfalls mit einem Gesichtsausdruck an, den man nur als beunruhigt zweifelnd beschreiben konnte. Matthew hatte das Gefühl, in einem Traum aus rauchgrauen Schattierungen und roter Glut gefangen zu sein. Die Gestalten um ihn herum waren nicht eindeutig menschlich, sondern verschwommen. Eine Stimme sprach seinen Namen aus: »Corbett?«, aber im trüben Licht konnte er nicht sehen, wer es war. Dann kam ein Mann im lilafarbenen Anzug und mit einer weißen Feder im Dreispitz durch die Schaulustigen und packte ihn am Arm. Matthew erkannte den schwarzen Ziegenbart von Gardner Lillehorne.
»Ihr kommt mit mir«, sagte der Hauptwachtmeister, der in der anderen Hand eine Laterne hielt und seinen Gehstock mit dem Löwenkopf unter den Arm geklemmt hatte.
Matthew erlaubte sich führen zu lassen. Dippen Nack, der schmatzte, als täte er sich an Matthews Fleisch und Knochen gütlich, folgte ihm dicht auf den Fersen. »Worum geht’s?«, fragte Hudson Greathouse, der gerade aus der Menge trat. Lillehorne gab sich nicht die Mühe zu antworten. »Stehengeblieben!«, befahl Greathouse, aber der Hauptwachtmeister hatte hier das Sagen und hörte auf niemanden.
Matthew merkte, dass ihnen andere Menschen folgten; er pflügte eine Art Bugwelle durch die Menge wie ein Schiff im eisigen Hafen. Er erhaschte einen Blick auf Berry und ihren Großvater, dessen Nase auf der Suche nach Neuigkeiten für den Ohrenkneifer gehörig zucken musste. Er sah natürlich auch Hudson, der dicht neben ihm ging und Lillehorne weiterhin mit Fragen befeuerte, die nicht beantwortet wurden. Er sah Effrem Owles, der sich wie ein verräucherter Schlafwandler bewegte. Er sah den rundlichen, graubärtigen Felix Sudbury, dem das Trot Then Gallop gehörte. Er sah Wachtmeister Uriah Blount und den Mietstallbesitzer Tobias Winekoop. Und dort zu seiner Rechten, mit der seltsamen Prozession Schritt haltend, die Mallorys: Doctor Jason und die schöne Rebecca. Sie gingen untergehakt, fiel Matthew auf. Sie schauten nach vorn und sahen aus, als befänden sie sich an einem Sommerabend auf einem äußerst entspannten Spaziergang. Aber die Luft war schneidend kalt – genau wie die Grausamkeit, die Matthew in ihren Mienen sah.
Der Hauptwachtmeister führte Matthew an den nächstgelegenen Brunnen, der sich vielleicht vierzig Schritte weit die Crown Street hinunter befand. Er ließ Matthews Arm los, lehnte sich unter das Holzdach, das den Brunnen vor dem Wetter schützte, und richtete den Lichtstrahl seiner Laterne nach oben.
»Herr