MATTHEW CORBETT in den Fängen des Kraken. Robert Mccammon
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Читать онлайн книгу MATTHEW CORBETT in den Fängen des Kraken - Robert Mccammon страница 23
»Ihr solltet besser Princess im Auge behalten«, spielte Greathouse auf Lillehornes zänkische Frau an. »Ich weiß aus guter Quelle, dass sie Dr. Mallory noch immer vertrauliche Besuche abstattet, und zwar diesmal nicht aus medizinischen Gründen.« Er bedachte Lillehornes versteinertes Gesicht mit einem schnellen, katzenartigen Lächeln. Seine Bemerkung bezog sich auf einen von ihnen gelösten Fall im Oktober, als sie herausfanden, dass Maude Lillehorne den gutaussehenden Dr. Jason heimlich wegen eines Weiberelixiers besuchte, in dem auch eine ungesunde Dosis Kakaoblätter enthalten waren.
Draußen angekommen knöpften Greathouse und Matthew ihre Mäntel gegen die Kälte und wirbelnden Schneeflocken zu und marschierten von der Gouverneursvilla in Richtung Broad Way.
»Tut sie das wirklich?«, fragte Matthew, der seine graue Wollmütze über die Ohren heruntergezogen hatte. »Maude Lillehorne«, erinnerte er Greathouse. »Hat sie was mit dem Arzt?«
Greathouse runzelte die Stirn. Auf der hinteren Krempe seines Dreispitzes sammelte sich der Schnee. »Was denkst du denn? Würdest du auch nur einen Blick an Princess verschwenden, wenn du Jason Mallory wärst? Besonders, wenn du seine Frau hättest, die dir jede Nacht dein Würstchen wärmt?«
»Ich denke nicht.«
»Natürlich nicht. Ich hab das nur gesagt, damit Lillehorne was zum Nachdenken hat und seinen Kopf benutzen muss. Das braucht er.«
Apropos Würstchen wärmen, dachte Matthew, wie läuft’s mit der fröhlichen Witwe? Aber er entschied sich für ehrsames Schweigen. Außerdem wollte ihm der Lagerhallenbrand nicht aus dem Sinn gehen, und an diesem Tag waren ihm Frotzeleien nicht willkommen.
»Geh noch ein Weilchen mit mir«, sagte Greathouse, obwohl Matthew das bereits tat. Er wusste, der große Mann meinte damit, dass es Ernstes zu durchdenken und bereden gab. Sie würden auf der Suche nach der richtigen Spur auf Umwegen durch die Stadt ziehen.
Obwohl der Schnee flog und wehte und die Ziegel, Steine, Bretter und Straßen weiß färbte, schien es Matthew, als würde New York an diesem Tag aus nichts als Grau zu bestehen. Ein grauer Nebel schien über der Erde zu hängen, im Himmel graue Wolken und dazwischen graue Häuser. Kerzen verschwammen hinter Fenstern. Der allmorgendliche Rauch stieg aus der Vielzahl von Schornsteinen und trieb im Wind auf die vom Winter geschorenen Wälder des anderen Flussufers in New Jersey zu. In den Straßen bewegten sich die Kutschen fast geräuschlos; die Gespanne schnaubten Dampf und die Kutscher saßen in schweren Mänteln und verwitterten Hüten zusammengekauert hinter ihnen. Unter Matthews und Greathouses Stiefelsohlen knirschte der Schnee. Der Gehstock des großen Mannes tastete vor ihnen nach rutschigen Stellen.
Sie bogen nach rechts in die Beaver Street ein und Matthew folgte seinem Freund in Richtung East River. Das Knallrot eines auf sie zukommenden Schirms stach Matthew ins Auge und für einen Moment meinte er, dass es Berrys sein musste. Aber dann erkannte er die große, stattliche Gestalt von Polly Blossom, Inhaberin des rosa Hauses mit den Damen der Nacht. Um ehrlich zu sein, waren es auch Damen des Morgens und Nachmittags.
»Zum Gruße, Matthew«, sagte Polly mit einem höflichen Lächeln und Nicken. Im Sommer hatte Matthew ihr für eins ihrer Mädchen einen Gefallen getan und seitdem eine Jahreskarte, wie sie es nannte, für ihr Haus. Aber er hatte sich in diese Gefilde noch nicht sehr weit vorgetraut. Für Hudson wurde ihr Lächeln verführerischer und sie klimperte mit den Wimpern. »Euch einen guten Morgen«, sagte sie, und als sie an ihm vorbeiging, stieß sie ihn leicht mit der Hüfte an. Matthew begann zu überlegen, ob er sich nicht auch einen Gehstock besorgen und so tun sollte, als bräuchte er Tee und Mitleid.
»Sag es nicht«, warnte Greathouse, als sie weitergingen, und so ließ Matthew es bleiben. Aber er kam zu dem Schluss, dass der große Mann an so manchen Nachmittagen, an denen er einen Fall aufdecken sollte, sich stattdessen vermutlich mit ganz anderen Decken beschäftigte.
Inzwischen gingen sie durch die verschneite Queen Street gen Süden in Richtung Dock Street auf das Great Dock zu, wo die Segelschiffe sich ausruhten und leise in ihren Wiegen aus Seilen seufzten. Aber selbst in diesem Winterwetter ging die Arbeit der Schauermänner weiter, denn vor kurzem waren mehrere Schiffe angekommen, die gelöscht wurden – und einige andere, die mit der nächsten Tide auslaufen sollten, wurden noch beladen. Wie an jedem Tag des Jahres ging es geschäftig zu. Befehle wurden gebrüllt. Jemand hatte mit zerbrochenen Brettern Feuer gemacht und ein paar Männer standen daneben, um sich zu wärmen, bis sie an die Arbeit zurückgeschrien wurden. Ladung wurde mit Seilen, an deren Enden Eisenhaken befestigt waren, von hier nach dort bewegt. Wagen standen bereit, um mit Fracht beladen oder ausgeladen zu werden. Und wie immer waren die Gaukler mit ihren Fiedeln und Schelltrommeln da, um die seefahrenden Musikliebhaber von ihren Münzen zu trennen. Doch heute war ihre Musik grau und mehr als ein wenig traurig, wie es Gottes Bild von New York an diesem Morgen entsprach.
Matthew und Greathouse erreichten eine Stelle, von der aus man durch die Masten und Schiffe hindurch die nebligen Umrisse von Oyster Island sehen konnte. Greathouse blieb stehen, starrte in Richtung der unschönen Insel, und auch Matthew verhielt seine Schritte.
»Seltsam«, sagte Greathouse.
»Soll das die allgemeine Situation beschreiben?«, fragte Matthew, als nichts mehr kam. »Ich würde sagen, es ist mehr als seltsam. Ich würde sagen, dass mein Name an der Mauer gegenüber von einem brennenden Gebäude geradezu myster…«
»Das Phantom von Oyster Island«, unterbrach Greathouse ihn. »Du kennst die Geschichten doch?«
»Die, die es gibt.«
»Und dir ist natürlich auch aufgefallen, dass man dieses Phantom erst vor zwei Monaten bemerkt hat. Es ist kalt geworden. Er brauchte einen Mantel und er brauchte was zu Essen. Obwohl er ein guter Jäger und Angler ist, da bin ich mir sicher. Aber vielleicht ist das Kleinwild dort scheu geworden und die Fische entlang des Ufers sind wegen der Kälte jetzt weiter draußen? Und jetzt bräuchte man ein Boot, um in tieferem Gewässer zu angeln?«
Matthew sagte nichts. Er wusste genau, auf was Greathouse anspielte; ihm war das auch schon durch den Kopf gegangen. Tatsächlich war er sich schon zu neunzig Prozent sicher.
»Er war ein starker Schwimmer«, sagte der große Mann. »Vielleicht kann es sonst niemand von hier bis dorthin schaffen, aber Zed hat’s geschafft. Ich habe keinerlei Zweifel daran, dass er unser Phantom ist.«
Wieder schwieg Matthew. Auch er starrte zu der Insel hinaus, die von ihrem Wachmann verlassen worden war. Jetzt gehörte sie Zed, wenn auch nur für eine kurze Weile. Ein befreiter Sklave in Besitz eines Teils der königlichen Kolonie! Es war geradezu komisch.
Im Herbst hatte Matthew gesehen, wie der mächtige, stumme Zed mit dem vernarbten Gesicht bis ans bittere Ende eines der Anleger gerannt war – nachdem er durch Berrys kunstvoll gezeichnete Erklärung begriffen hatte, dass er frei war – und wild vor Freude ins Wasser gesprungen war. Zed hatte Ashton McCaggers gehört, bis Greathouse für seine Freilassung bezahlt und von Lord Cornbury den Freibrief erlangt hatte. Greathouses Interesse an Zed war nicht ganz altruistisch gewesen, denn er hatte an Zeds stammestypischen Narben erkannt, dass er den westafrikanischen Ga angehörte, unter denen sich die mutigsten Krieger der Erde befanden. Greathouse hatte Zed unbedingt als Leibwächter für Matthew ausbilden wollen. Aber es hatte nicht sein sollen, denn der riesige Krieger war offensichtlich entschlossen gewesen, nach Afrika zurückzuschwimmen oder bei dem Versuch zu ertrinken. Allerdings schien es jetzt, dass