Nebelrache. Nancy Farmer

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Nebelrache - Nancy  Farmer

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Rand des Grundstücks, wo der Boden für den Ackerbau zu steinig war, stand eine aus Torf errichtete Hütte. Dort lebte die Witwe des Gerbers mit ihren beiden Töchtern auf so engem Raum zusammen wie Erbsen in einer Schote. Sie waren im letzten Jahr gekommen, um Jacks Mutter zu helfen, und seitdem geblieben.

      „Ich wünschte, dieses Gewitter würde endlich kommen!“, rief Thorgil und warf einen Stein nach einer Krähe. Die Krähe wich dem Geschoss mühelos aus. „Die Luft ist so drückend! Es ist, als müsste man Schlamm einatmen.“

      Jack schaute auf in den wolkenlosen blauen Himmel. Von der verdächtigen Stille abgesehen, hätte es ein normaler Frühsommertag sein können. „Der Barde hat mit einer Schwalbe aus dem Süden gesprochen. Sie hat gesagt, dass die Ströme der Luft durcheinandergeraten und alle Zugvögel verwirrt sind. Warum redest du eigentlich nicht mehr mit den Vögeln, Thorgil?“ Die Schildmaid besaß diese Fähigkeit, seit sie versehentlich etwas Drachenblut geschluckt hatte.

      „Die sagen mir ja doch nichts“, murrte sie.

      „Vielleicht solltest du nicht mit Steinen nach ihnen werfen …“

      „Vögel sind dumm wie Stroh“, verkündete Thorgil entschieden.

      Jack zuckte mit den Schultern. Es war typisch für sie, die Gaben zu ignorieren, die sie besaß, und stattdessen etwas zu wollen, was sie nie haben konnte, nämlich eine ruhmreiche Karriere als Kriegerin. Aber mit ihrer gelähmten Hand konnte sie das vergessen. Sie wollte außerdem eine großartige Geschichtenerzählerin sein, und Jack musste zugeben, dass sie nicht schlecht war. Ihre Stimme war zwar rau und sie hatte eine Vorliebe für blutige Sterbeszenen, aber spannend waren ihre Geschichten immer.

      An den langen Winterabenden saßen die Dorfbewohner oft um den Herd des Ältesten, lauschten den Geschichten und tranken warmen Apfelmost. Der Barde spielte Harfe, und wenn er müde wurde, wechselten sich Jack und Thorgil mit dem Erzählen ab. Bruder Aiden, der kleine Mönch von der Heiligen Insel, beteiligte sich mit Erzählungen über Jesus und wie der es geschafft hatte, tausend Menschen mit nur fünf Broten und zwei Fischen satt zu bekommen, und anderen Wundergeschichten. Aber der eigentliche Star dieser Abende war Pega. Ihre Stimme hatte etwas so Fesselndes, dass selbst ein Sturm verstummte, um besser zuhören zu können.

      „Bei Thor, diese Tanner-Gören sind bei meinen Pferden!“ Thorgil rannte los, und Jack sprintete hinter ihr her, um den unvermeidlichen Streit zu schlichten. Die Töchter des Gerbers waren fasziniert von den Pferden – ein Geschenk von König Brutus im Jahr zuvor. Im Grunde war nicht genau geklärt, wessen Pferde es waren, weil die ganze Pilgergruppe sie für den Rückweg aus Bebbas Town bekommen hatte. Jack fand, dass sie eigentlich dem Barden gehören sollten, aber Thorgil bestand darauf, dass sie das alleinige Anrecht darauf hatte, weil sie die einzige Kriegerin unter ihnen war.

      „Schert euch da runter, ihr räudiges Pack! Ihr werdet die Tiere verderben!“ Thorgil pfiff und die Pferde fuhren so schnell herum, dass ihre kleinen Reiterinnen im Dreck landeten. Die Pferde bremsten vor der Schildmaid und tänzelten nervös. Jack lief zu den weinenden Mädchen. „Sag ihnen, dass sie damit aufhören sollen, oder ich gebe ihnen einen wirklichen Grund zum Heulen“, fauchte Thorgil und strich ihren Pferden über die Mähnen.

      Jack vergewisserte sich, dass die Mädchen unverletzt waren. Die beiden waren acht und zehn Jahre alt, aber klein für ihr Alter, was an den Jahren der Unterernährung und den giftigen Dämpfen der alten Gerberei lag, in der sie bis zum Tod ihres Vaters gelebt hatten.

      „Es sind doch nur Kinder“, schalt Jack und wischte den Mädchen die schmutzigen, verweinten Gesichter mit dem Saum seines Hemds ab. „In ihrem Alter hast du bestimmt genau dasselbe gemacht.“

      „Ich war eine Schildmaid. Ich war die Tochter von –“

      „Vorsicht!“, unterbrach Jack sie scharf. Die Mädchen hörten auf zu weinen und musterten Thorgil neugierig.

      „Wer war denn dein Papa?“, fragte die Ältere.

      „Bestimmt ein Troll“, sagte die Jüngere kichernd. Thorgil bückte sich, doch die beiden rasten davon, bevor sie einen Stein nach ihnen werfen konnte.

      „Blöde Sumpfratten“, knurrte sie.

      „Du musst dich nur einmal verplappern“, warnte Jack. „Ein Wort, dass du kein Angelsachse bist, und sofort wird sich das ganze Dorf gegen dich stellen. Und gegen meine Eltern und mich, weil wir dich bei uns aufgenommen haben.“

      „Diese Schuld ist das Einzige, was mich davon abhält, ihnen meine wahre Herkunft ins Gesicht zu schreien.“ Thorgil legte die Arme um den Hals eines der Pferde, und es pustete ihr einen langen Pferdekuss in die Haare. Jack war wieder einmal beeindruckt, wie sehr die Tiere sie liebten. Wirklich schade, dass Thorgil diese Wirkung nicht auch auf Menschen hatte.

      „Lass uns ins Haus gehen“, sagte Jack. „Ich verhungere, und wir müssen noch den ganzen Nachmittag Farnkraut schneiden.“

      „Das verfluchte Zeug“, wütete Thorgil. „Dieses ganze verfluchte sinnlose und langweilige Leben in diesem Dorf. Ich würde mich schon für eine verfaulte Rübe von einer Klippe ins Meer stürzen!“

      „Würdest du nicht“, sagte Jack und ging voraus.

      Die wilde Jagd

      Thorgils schlechte Laune folgte ihnen bis nach Hause. Sie nahm Mutters Essen mürrisch entgegen und wollte wortlos anfangen, sich damit vollzustopfen.

      „In diesem Dorf ist es üblich, sich für das Essen zu bedanken“, sagte Mutter.

      Jack seufzte unhörbar. Der Schildmaid zumindest ein paar Manieren beizubringen – das war wohl eine Schlacht, die niemals ein Ende finden würde.

      „Wieso?“, fragte Thorgil bockig.

      „Um seine Dankbarkeit zu zeigen.“

      „Ich bin dankbar. Ich esse diesen Fraß, oder etwa nicht? Außerdem macht das genauso viel Sinn, als würdest du mir dafür danken, dass ich Farn schneide. Wenn wir damit anfangen, dass sich jeder beim anderen für jede kleine Handreichung bedankt, werden wir nicht mehr zum Arbeiten kommen.“

      „Darum geht es nicht“, widersprach Mutter geduldig. „Die Menschen hören gern ein paar nette Worte. Es ist dasselbe wie ‚Guten Morgen‘ oder ‚Wie geht es dir?‘.“

      „Und wenn es ein lausiger Morgen ist oder es mich nicht die Bohne interessiert, wie es jemandem geht?“

      „Ach, mach doch, was du willst!“, rief Mutter aus. „Manchmal wünschte ich, dass ein Nordmann-Schiff kommt und dich mitnimmt!“ Sie stürmte hinaus, und Jack hob die Brauen. Es passte nicht zu seiner Mutter, dass sie so die Beherrschung verlor. Aber wenn Thorgil eine ihrer Launen hatte, machte sogar der sanfte Bruder Aiden Tintenkleckse auf seine Manuskripte.

      Jack hörte, wie seine Mutter mit Pega besprach, auf welche Weise sie das Vieh vor dem aufziehenden Gewitter schützen konnten. Die Kühe und Pferde würden sich in der Scheune zusammendrängen müssen. Die robusteren Schafe konnten draußen bleiben.

      „Sogar Olaf Einbraue hat den Leuten einen Guten Morgen gewünscht“, bemerkte Jack und bezog sich damit auf Thorgils verstorbenen Pflegevater.

      „Aber nur, wenn es auch ein guter Morgen war. Er hat nie gelogen.“ Thorgil fuhr sich mit der Hand über die Augen.

      „Weinst

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