Nebelrache. Nancy Farmer

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Nebelrache - Nancy  Farmer

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Hütte.“ Die Schildmaid rieb immer noch an ihren Augen herum.

      „Willst du etwas von meinem Brot haben?“

      „Wieso sollte ich deine wurmzerfressenen Essensreste haben wollen?“, fuhr Thorgil ihn an, doch an der Art, wie sie aß, war deutlich zu erkennen, wie viel Hunger sie hatte.

      Mitgefühl war bei ihr total verschwendet, dachte Jack. Sie betrachtete es als Schwäche. Ihre Wutausbrüche waren mit Sommergewittern zu vergleichen, die Blitze flogen in alle Richtungen, aber wenn man geduldig war – und die Beleidigungen einfach ignorierte –, verzogen sich die schwarzen Wolken irgendwann wieder. Jack war nicht sicher, was ihm lieber war, Thorgils schlechte Laune oder ihre gelegentlichen Anfälle von Freude. Manchmal bekam sie eine Art Rappel und geriet über Farben, Gerüche oder Geräusche vollkommen aus dem Häuschen. Dann packte sie seinen Arm und zwang ihn, sich auf das zu konzentrieren, was es gerade war.

      Der Barde sagte, dass das passierte, weil Thorgil als Berserkerin aufgezogen und damit dem Tod geweiht war. Aber seit sie die Schutzrune trug, stand sie unter dem Schutz der Erdmagie. Da war es nur verständlich, dass diese beiden Instinkte einander bekämpften.

      Pega kam mit einem Huhn im Korb an die Tür, und Jacks Laune besserte sich schlagartig. Bei Pega fühlte man sich nie schlecht. Sie war immer vernünftig und stets bemüht, andere Leute glücklich zu machen. Sie half Mutter beim Kochen, jätete Unkraut im Kräutergarten des Barden und wachte darüber, dass Bruder Aiden das Essen nicht vergaß. Sie war als Sklavin geboren worden und für jedes nette Wort rührend dankbar. Jack fand, dass sie beinahe hübsch war, wenn man nicht auf das entstellende Muttermal achtete, das die Hälfte ihres Gesichts bedeckte. Der Barde sagte, dass es an ihrer Seele lag, die durchschimmerte, so wie Thorgils ewiges Grollen ihre tatsächliche Schönheit verbarg.

      „Wir müssen die Hühner hier unterbringen“, erklärte Pega und stellte den Korb an der Wand ab. „Du solltest den Himmel im Süden sehen! Er ist ganz komisch und dunkel, aber es sind keine Wolken zu erkennen.“

      „Brauchst du Hilfe?“, fragte Jack hoffnungsvoll.

      „Ich brauche dich, um den Arbeitern ihr Essen aufs Feld zu bringen“, sagte Mutter, die mit einem weiteren Huhn unter dem Arm die Tür aufstieß. „So wie der Himmel aussieht, schafft ihr es nicht, noch mehr Farn zu schneiden. Sieh auf dem Rückweg noch einmal nach den Bienen.“

      Sie lächelte nicht, und Jack fand es unfair, dass er zusammen mit Thorgil in Ungnade gefallen war. Es war schließlich nicht seine Schuld, dass die Schildmaid nicht zu zügeln war. Sogar Olaf Einbraue hatte sie gelegentlich von einer Klippe baumeln lassen, um sie wieder zur Vernunft zu bringen. Leider hatte Olaf sie auch für schlechtes Benehmen belohnt, denn die Nordmänner hatten mit guten Manieren nichts im Sinn.

      Jack und Thorgil beluden den Esel mit Brotkörben und Schläuchen voll Apfelmost. Die meisten Dorfbewohner ernteten Heu, so schnell sie konnten. Ein paar wie Mutter und die Frau des Ältesten sorgten für die Verpflegung, damit die Männer keine Zeit verloren. Der Himmel hatte sich in den letzten Minuten dramatisch verändert. Im Norden war er blau, aber wenn man Richtung Süden schaute, verwandelte sich seine Farbe in Schiefergrau. Doch wie Pega gesagt hatte – es waren keine Wolken zu sehen.

      „Was ist das auf einmal für ein komischer Geruch?“, fragte Thorgil.

      „Ich bin mir nicht sicher“, antwortete Jack. „Es riecht ein bisschen wie Kleidung, die in der Sonne trocknet.“

      „Es riecht … schön. Ich habe das Gefühl, als müsste ich rennen oder singen. Vielleicht wird dieses Gewitter doch ein großer Spaß.“ Ihre finstere Miene hellte sich auf. Jack fand es typisch für sie, dass sie von etwas aufgeheitert wurde, vor dem sich alle anderen fürchteten.

      „Ich habe noch nie so einen Himmel gesehen“, bemerkte er.

      „Ich schon“, sagte die Schildmaid, „als ich noch sehr klein war. Meine Mutter hat mich in den Keller getragen, in dem das Gemüse gelagert wurde. Sie hat versucht, mich zu beschützen, und ich erinnere mich, dass sie auf mir lag. Ich habe die Hunde heulen gehört oder vielleicht auch den Wind –“

      „Lass uns das Essen verteilen“, sagte Jack schnell, um das Thema zu wechseln. Thorgils Mutter war eine Sklavin gewesen, die man bei der Einäscherung von Thorgils richtigem Vater auf dem Scheiterhaufen verbrannt hatte. Alle Erinnerungen, die Thorgil an dieses Leben hatte, waren grausig. Und wenn sie wirklich einmal darüber sprach, machte sie das so wütend, dass sie geradezu unausstehlich wurde.

      Sie rannten von einer Farm zur nächsten und lieferten das Essen auf Feldern und in Scheunen ab. Die Scheunen hatten Schieferböden, die mit einer Schicht Adlerfarn bedeckt waren. Die Farnwedel schützten das Heu nicht nur vor der aufsteigenden Feuchtigkeit, sie schnitten den Ratten auch in die Mäuler, was die Schädlinge vom Heu fernhielt. Das Vieh war auf das Heu als Winterfutter angewiesen. Wenn es verregnete, verdarb es und die Tiere würden verhungern. Das frische Heu verbreitete einen angenehmen Duft.

      Auf jeder Wiese sah Jack, wie die Leute sich bückten und Garben banden. Wenn es möglich war, benutzten sie den Karren des Hufschmieds für den Transport. Aber es war Eile geboten, und so trugen viele der Dorfbewohner ihr Heu eigenhändig nach Hause. Wer keine Scheune hatte, schützte seine Heustapel mit einer Haube aus Riedgras und hoffte das Beste.

      Vor Monaten hatte Jack versucht, Thorgils Pferde vor einen Karren zu spannen, aber sie hatten gegen das Geschirr gekämpft und waren nicht zu bändigen gewesen. Das war noch etwas, das man ihm vorwarf, obwohl es nicht seine Schuld war. Er hatte doch keine Ahnung, wie man Pferde trainierte! Es war Thorgil, der sie vertrauten, aber sie weigerte sich, die beiden Tiere zur Farmarbeit auszubilden. Es wären schließlich Kriegspferde und keine Thralls, wie sie ihm an den Kopf geworfen hatte.

      Thorgil war auch sonst ein Problem. Jack sah, wie ungern die Dorfbewohner das Essen aus ihren Händen nahmen und wie sie sich danach wegdrehten und ein Kreuz schlugen.

      Jack und Thorgil ließen den Esel in der letzten Scheune und machten sich auf den Weg zu den Bienenstöcken. „Wir sollten uns beeilen“, sagte Jack und schaute in den schwarzen Himmel im Süden. Waren da Wolken? Irgendetwas war da, und doch war die Luft still und wie tot. Die Blätter an den Bäumen hingen schlapp herunter.

      Sogar die Bienen wussten, dass etwas nicht stimmte. Sie flogen nicht mehr auf der Suche nach Nektar hin und her, und die Aufpasser summten vor dem Eingang herum, als rechneten sie mit einem Feind, der aus dem Hinterhalt angriff. Die Nester waren mit umgestülpten Körben geschützt, ähnlich den Hauben auf den Heustapeln. In einer Scheune wären die Bienen entschieden sicherer gewesen, aber es verwirrte die Tiere immer ganz furchtbar, wenn die Bienenkörbe umgestellt wurden. Sie würden also überleben müssen, wo sie waren.

      Im Frühjahr hatte Vater eine Steinmauer um die Körbe gebaut, damit die Schafe ihnen beim Grasen nicht zu nahe kamen, und jetzt war Jack froh über den zusätzlichen Schutz. „Die benehmen sich, als wäre es Nacht“, stellte er verwundert fest. „Sie sind fast alle drinnen. Hör dir das Summen an!“

      „Weißt du was? Ich kann beinahe verstehen, was sie sagen“ Thorgil presste ihr Ohr gegen einen der Körbe. „Es ist so ähnlich wie mit den Vogelstimmen. Ist das nicht verrückt?“

      „Bienen sind doch auch Kreaturen der Lüfte. Was sagen sie?“

      „Sie haben Angst. Sie spüren den nahenden Tod – au!“ Thorgil schlug sich aufs Ohr und sprang zurück.

      „Geh lieber weg. Wenn eine sticht, machen die anderen es ihr nach“, rief Jack.

      Aber die Bienen blieben in ihren Körben.

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