Nebelrache. Nancy Farmer

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Nebelrache - Nancy  Farmer

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hängt davon ab, wer für diese wilde Jagd verantwortlich war.“ Der Barde stellte eine Reihe von Gefäßen auf, schnupperte an jedem einzelnen und wählte eines aus. Dann nahm er einen großen Mörser von einem Bord. „Oh, ja, es hat eine Jagd stattgefunden“, versicherte er und fing an, die Kräuter zu zermahlen. „Wer sie anführt, das hängt vom Betrachter ab. Bruder Aiden war als Kind auch mal ein Gejagter, bis Pater Severus ihn gerettet hat. Aiden war damals überzeugt, dass er den Herrn des Waldes mit seinen Hunden gesehen hat. Severus dagegen glaubte, dass es Satan war, der die Seelen der Verdammten anführte.“

      „Und Thorgil hat Olaf Einbraue gesehen“, fügte Jack hinzu.

      „Wenn sie recht hat, sind Gog und Magog jetzt in Walhall. Das würde Thorgil schön wütend machen, meinst du nicht?“ Die blauen Augen des Barden funkelten. „Aber Thorgil wäre nicht Thorgil, wenn sie nicht immer wütend wäre.“

      „Wenn Ihr es sagt.“ Wenn es nach Jack ginge, hätte die Schildmaid gern umgänglicher sein dürfen – mehr wie Pega zum Beispiel. Es war wirklich anstrengend, ständig zwischen ihr und den Feinden zu vermitteln, die sie sich überall machte. Aber dennoch, als er sie vor dem Schafstall hatte liegen sehen, so tot wie das arme Schaf …

      „Es geht ihr gut“, sagte der Barde, der wieder einmal Jacks Gedanken zu lesen schien. „Und jetzt möchte ich, dass du den Inhalt dieses Mörsers mit einem Klumpen Butter von der Größe eines Hühnereis vermischst. Knete eine Handvoll Mehl mit genügend Wasser, bis eine feste Paste entsteht, vermische alles und forme daraus Pillen, so groß wie Erbsen. Dann trockne sie am Feuer.“

      „In welches Gefäß soll ich sie tun?“, fragte Jack, der diese Arbeit schon öfter gemacht hatte.

      „Für Kopfweh – das grüne. Du meine Güte, der Garten ist beinahe leer gepflückt. Ich werde Kräuter aus dem Wald brauchen.“

      Kurze Zeit später gingen sie den Pfad hinunter. Thorgil ließen sie schlafen. Der Barde hatte seine gute Robe angezogen und mit einem Gürtel so hochgerafft, dass sie vor dem Schlamm geschützt war. Der weiße Bart wehte ihm über die Brust, und seine Füße steckten in hellen Lederstiefeln, die vorn geschnürt wurden. Obwohl er so alt war, musste er sich kaum auf seinen schwarzen Eschenstab stützen, doch er brauchte Jack, um die Elixiere und die Harfe zu tragen.

      Jack spürte die Erdmagie, die die Luft rund um den Stab erfüllte. Sie weckte Sehnsucht in ihm. Auch er hatte einmal einen solchen magischen Stab besessen. Und er hatte die Schutzrune besessen, sofern man überhaupt von Besitz sprechen konnte. Die Rune wechselte von einem Menschen zum nächsten und folgte dabei ihrem eigenen Schicksal. Niemand konnte darauf Einfluss nehmen, schon gar nicht der, der sie unbedingt besitzen wollte. Einmal fortgegeben, konnte sie nie zurückkehren. Jack seufzte, als er an die eingravierte Weltesche Yggdrasil dachte. Die Rune hatte viele Jahre über den Barden gewacht, bevor Jack sie bekommen hatte, der sie dann – in einem Anfall geistiger Umnachtung, wie er verbittert dachte – an Thorgil weitergegeben hatte.

      Die Felder waren merkwürdig kahl, wie gerupfte Hühner, und bei mehr als einem Haus fehlte das Dach. Wasser quoll an verschiedenen Stellen aus den Hügeln. Bäche hatten neue Furchen in die Erde geschnitten und hier und dort glitzerte das Sonnenlicht auf einem Teich.

      Jack warf einen Blick zurück auf das Haus des Barden, das gefährlich nah am Rand einer Klippe stand. Es hatte den Sturm gut überstanden. Ob es nur Glück gewesen war oder etwas mit der Zauberei des alten Mannes zu tun hatte, wusste Jack nicht, aber das Haus klammerte sich immer noch an den Felsen wie eine Napfschnecke.

      Sie gingen durchs Dorf, verteilten Medizin, wo sie gebraucht wurde, und erteilten gute Ratschläge. Beim Haus des Schmieds spielte der Barde auf seiner Harfe, um die Familie ein wenig aufzumuntern.

      „Gog und Magog waren für mich wie meine eigenen Söhne – also, zumindest, wenn sie ein bisschen klüger und vorzeigbarer gewesen wären“, behauptete der Schmied und ließ den Blick stolz über seine gut aussehenden Söhne und Töchter schweifen. „Ich hatte mich so an sie gewöhnt. Sie haben immer zwischen den Kühen geschlafen, und wenn ein Wolf kam, haben sie so laut gemuht, dass ich nie auch nur ein einziges Kalb verloren habe. Bei Gott, ich werde sie vermissen, diese armen, einfältigen Kreaturen.“

      Ja, jetzt hast du niemanden mehr, den du für ein paar Brotrinden schuften lassen kannst, dachte Jack boshaft.

      Der Barde spielte auf seiner Harfe. Die Frau des Schmieds wippte im Takt der Musik mit dem Fuß, und ihr jüngster Sohn Colin fing sogar an zu tanzen.

      Aber wenn Gog und Magog nicht hierhergekommen wären, überlegte Jack, wer weiß, was sie dann für ein Schicksal gehabt hätten? Vielleicht als Sklaven in einer Bleimine schuften? So hatten sie wenigstens ein paar kleine Freuden gehabt, mit den Kühen gemuht und Blitz und Donner angebetet. Was war denn eigentlich Glück? Er dachte an Thorgil, deren Hoffnung es gewesen war, in der Schlacht zu fallen, und an seinen Vater, Giles Krummbein, der sich an Enttäuschungen erfreute; und an Pater Severus, der eiskalte Bäder nahm und mit Freuden fastete. Die Elfen gingen immer nur ihrem Vergnügen nach – was ihnen nicht viel brachte, weil sie am Ende doch dazu verdammt waren, einfach zu verblassen.

      Glück besteht aus unendlich vielen Einzelteilen, erkannte Jack schließlich.

      Der Barde stieß ihn an, und sie machten sich wieder auf den Weg. Nebelschwaden stiegen von den unzähligen kleinen Rinnsalen auf, die das Gewitter hinterlassen hatte, und auf einem verwüsteten Feld stand eine in der Mitte geknickte Vogelscheuche. „Die hat gar nichts beschützt“, bemerkte Jack, als sie durch den aufgeweichten Boden daran vorbeistapften.

      „Es braucht mehr als ein bisschen Stroh, um Odins Krähen zu vertreiben“, sagte der Barde.

      Sie setzten ihren Weg fort und betrachteten die ruinierten Weizen- und Haferfelder. Die Dorfbewohner hatten berichtet, dass die Hälfte der Schafe fehlte, doch die meisten davon würden wohl wieder auftauchen. Hühner und Rinder waren rechtzeitig in die Ställe gebracht worden, und auch Thorgils Pferde hatten überlebt. Die Tanner-Mädchen hatten sie in ihre Hütte gezerrt, als sie die schwarzen Wolken heranstürmen sahen.

      Das war eine beachtliche Leistung, wenn man bedachte, dass drinnen kaum genug Platz für die drei Menschen war. Die Mädchen hatten die Pferde gezwungen, sich hinzulegen, und sich dann auf sie gelegt, mit ihrer Mutter zwischen sich. Weder Mensch noch Tier hatten sich rühren können, aber sie alle hatten überlebt.

      „Das bedeutet, dass wir uns jetzt das Recht verdient haben, sie zu reiten“, verkündete Ymma, das ältere der beiden Tanner-Mädchen, als Jack und der Barde bei ihnen ankamen, um nachzusehen, wie es ihnen ging.

      „Besprich das mit Thorgil“, sagte der Barde.

      „Pah! Sie bildet sich ein, dass ihr alles gehört. Wer ist denn ihr Vater, frage ich Euch?“, fuhr das Mädchen den Barden grob an. „Und wo ist ihre Familie?“

      „Alle sagen, dass sie sich benimmt wie ein Nordmann“, fügte ihre jüngere Schwester Ythla hinzu.

      Der Barde fuhr so schnell zu ihnen herum, dass die Mädchen zurückzuckten und ihre Mutter sie hastig an den Armen packte.

      „Was fällt euch ein, so mit dem Barden zu sprechen?“, fuhr sie ihre Töchter an. „Auf die Knie mit euch – bittet um Verzeihung. Ehrlich, Herr, ich weiß nicht, was mit den beiden los ist, seit ihr Vater gestorben ist.“ Sie stieß die Kinder auf den Boden, und die beiden entschuldigten sich lautstark.

      Jack war nicht überrascht. Ein Blick in das Gesicht des alten Mannes reichte, um zu erkennen, warum er Drachenzunge genannt wurde und warum sogar Nordmann-Könige Angst vor ihm

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