Wirklichkeiten. Kurd Lasswitz

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Wirklichkeiten - Kurd Lasswitz

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und in den Geschwindigkeiten während eines Zeitmoments in Rechnung zu ziehen, weil nur dadurch das Gesetz der Wechselwirkung der Körper sich unmittelbar mathematisch ausdrücken läßt. Dies leistete die neue Rechnungsmethode. Aber gerade hiermit verlor sich das Bedürfnis, dem die Hypothese des Weltäthers entsprungen war; dieser sollte ja ein Mittel sein, die Übertragung der Bewegung von Teil zu Teil der Materie zu veranschaulichen. Die vervollkommnete Form der Mathematik gestattete nunmehr, direkt aus einer gegebenen Beziehung zwischen den Körpern die daraus folgende zu entnehmen. Die Bewegungsgesetze konnten in eine Formel zusammengefaßt werden, die wirklich stattfindende Bewegung und ihr weiterer Verlauf waren damit ausreichend beschrieben. Das aber ist es, was die Naturwissenschaft verlangt. Die Gesetzlichkeit der Bewegung ist garantiert. Isaac Newton hat das unsterbliche Verdienst, nachgewiesen zu haben, daß die Bewegungen der Himmelskörper sich erklären lassen, wenn man annimmt, es sei zwischen ihnen eine Kraft tätig, deren Wirkungsweise und Größe identisch ist mit der Schwerkraft auf unserer Erde, die wir als Ursache des Fallens der Körper betrachten. Je erfolgreicher in der Astronomie die Methode Newtons sich bestätigte, um so fester gründete sich die Autorität seines Namens, der gegenüber die Bestrebungen derer nicht aufkommen konnten, die nach dem Vorgänge von Descartes, Gassendi, Huygens die Erscheinungen durch den mechanischen Stoß der Atome erklären wollten. Die Hypothesen über die Wirkungsweise der Schwerkraft büßten nunmehr an Interesse ein, das mathematische Gesetz genügte den Astronomen.

      Freilich bleiben zahllose andere Gebiete übrig, in denen ein solches Gesetz noch nicht bekannt war. Hier war eine Hypothese über die Form der Wechselwirkung erforderlich. Da aber trat nun durch Newton eine völlige Veränderung in den Anschauungen ein. Nie Wechselwirkung nahm eine neue Gestalt an, sie wurde zur Fernwirkung; und eine merkwürdige Verkettung der Umstände bewirkte so, daß, nachdem durch die Physik des 17. Jahrhunderts die Weltseele aus der Natur vertrieben war, sie jetzt in einer neuen Form zurückkehrte.

      Die chemischen und physischen Erscheinungen, unter ihnen vornehmlich die Festigkeit, Flüssigkeit oder Gasförmigkeit der Stoffe und der Zusammenhang dieser Aggregatzustände mit der Wärme, erforderten zu ihrer Erklärung, daß man sich über die Wechselwirkung zwischen ihnen eine bestimmte Vorstellung bildete. Die Korpuskulartheorie, die in der Gestalt und Bewegung der kleinsten Körperteilchen die Ursache der Veränderungen der Körper erblickte, konnte in diesem Falle keine Fortschritte erzielen, die sich mit denen der Astronomie vergleichen ließen; einerseits, weil das Tatsachenmaterial noch zu wenig messend durchforscht war, andererseits, weil die mathematischen Handhaben fehlten. Nun hatte Newton seinen immensen Erfolg durch die Annahme erreicht, daß sich die Körper so bewegen, als zögen sie sich mit einer Kraft an, die im direkten Verhältnis zu ihren Massen und im umgekehrten Verhältnis zum Quadrate ihrer Entfernungen stehe. Nichts lag näher, als diese Annahme in passender Weise auf die kleinsten Teilchen der Körper zu übertragen. Es konnte nur die ästhetische Befriedigung über die in der ganzen Natur herrschende Einheit erhöhen und zugleich die Aussicht auf den Fortschritt der mathematischen Naturwissenschaft fördern, wenn man es als eine Grundeigenschaft der Materie überhaupt betrachtete, daß die Atome durch anziehende oder auch durch abstoßende Kräfte aufeinander einwirken. So wurde denn unter dem Schutze des ruhmvollen Namens Newton der Begriff der Zentralkraft in die Natur eingeführt. Das Gesetz wurde nicht bloß als eine Methode angesehen, die Bewegungen zu beschreiben, sondern als eine in den Atomen selbst steckende physische Ursache, die durch den leeren Raum hindurch von Teilchen zu Teilchen wirkt. Die mechanische Erklärung wurde dadurch in eine dynamische verwandelt: an der mathematischen Methode der Naturerklärung brauchte indessen im Grunde nichts geändert zu werden. Das Gesetz blieb ja als die Realität bestehen, auf welcher alles Naturgeschehen beruht; und die Auffassung, daß jede Veränderung notwendig bedingt ist, wurde nicht dadurch berührt, ob diese Veränderung durch eine den Atomen ursprünglich einwohnende aktuelle Bewegung oder durch eine potenzielle Kraft bewirkt würde. Im Gegenteil bedeutete die Einführung der Newtonschen Fernkräfte einen neuen Fortschritt in der Auffassung der Natur als einer eigenen Gesetzlichkeit, deren Bewegung nicht von dem Leben und der Beseeltheit ihrer Teile abhängig ist. Hier aber traten andere Motive als naturwissenschaftliche dazwischen.

      War die Natur ein in sich selbst nach dem eigenen Gesetz der Notwendigkeit ablaufender Mechanismus, so schien es unvermeidlich, daß die naturwissenschaftliche Welterklärung in Materialismus ablaufen mußte. Wie konnte dann das Gebiet der Freiheit, das sittliche und religiöse Leben noch aufrecht erhalten werden, wenn es nur die blinde Notwendigkeit des Naturgeschehens gab? In der Tat haben wir ja erst durch Kant gelernt, das Nebeneinanderbestehen von Naturnotwendigkeit und Freiheit wissenschaftlich zu begreifen. Es wurden daher gegen jene neue Methode der Naturerklärung sehr lebhafte religiöse Bedenken rege. Man fragte sich, wie die Gefahr abzuwenden sei, die dem Glauben an Gott aus der Naturwissenschaft zu drohen schien. Im Interesse der theistischen Weltauffassung lag es, alle Gründe aufzubieten, um das rein mechanische Geschehen als unzureichend für die Naturerklärung zu erweisen und wieder, wie es der Platonismus getan hatte, eine beseelte, geistige Welt als tiefer reichende Realität in das Naturgeschehen hineinzudeuten. In England, wo der Orthodoxismus mit der Gedankenwelt der Forscher am innigsten verbunden war und daher theologische Beweggründe am stärksten wirkten, zeigten sich die Bestrebungen am lebhaftesten und entschiedensten, die Materie hylozoistisch, d. h. als beseelt und lebend, aufzufassen.

      Hier vertrat Francis Glisson (1587-1677) einen ausgeprägten Hylozoismus, indem er annahm, daß die Naturerscheinungen aus der gegenseitigen Durchdringung lebendiger Substanzen, die sich ihrer Bewegung bewußt sind, zu erklären seien; er nannte dies die »energetische Natur« der materiellen Teile, derzufolge sie sich ausdehnen, zusammenziehen und bewegen können. Die Willkür, die in seiner Annahme lag, machte es jedoch unmöglich, von dieser Beseelung der Teile aus zu einer exakten Naturerklärung zu gelangen, und somit wurde dieser Standpunkt der mechanischen Auffassung weniger gefährlich, weil er einer solchen zu wenig entgegenzusetzen hatte. Viel bedenklicher wurde eine andere Lehre, die Philosophie Henry Mores (1614 – 1687), weil sie die Berechtigung der mechanischen Theorie bis zu einem gewissen Punkte anerkannte, die Bewegungsgesetze und die atomistische Grundauffassung der Materie bestehen ließ und nur darüber hinaus die Wechselwirkung auf ein geistiges Wesen zurückführen wollte. Nach More besteht die Körperwelt aus unendlich kleinen, undurchdringlichen, sich berührenden und beweglichen Atomen, die er physische Monaden nennt. Aber diese Atome sind nicht bloß alles Lebens und aller Empfindung, sondern auch jeder selbständigen Bewegung bar. Alle Bewegung rührt allein von der geistigen Substanz, dem »hylarchischen Prinzip« her, das immateriell ist, Leben besitzt, jedoch kein bewußtes Denken, und sich spontan, von innen heraus, bewegen kann. Das gemeinsame Band, wodurch dieses hylarchische Prinzip oder dieser mit einem plastischen Vermögen begabte » Spiritus naturae« auf die leblosen Atome wirkt, ist nur der Raum. Denn auch jener immaterielle Spiritus ist ausgedehnt, besitzt jedoch nicht, wie die Körper, Undurchdringlichkeit seiner Teile; wobei es freilich schwer ist, sich eine »immaterielle Ausdehnung« vorzustellen. Die Teile dieses Spiritus, die Geister, erfreuen sich der Freiheit, sich nach Belieben auszudehnen oder zusammenzuziehen; die Anwesenheit eines solchen oder mehrerer Geister im Raume hindert nicht die Aufnahme eines Körpers, was More die »vierte Dimension« nennt. Die Geister schalten und walten hier zum Besten der Naturordnung. So hat sich More eine zweite Welt hinter der physischen Natur konstruiert, in der er nun freilich vor sich gehen lassen kann, was er will. Alles, was physikalisch nicht erklärbar scheint, wird einfach in diese ätherische Geisterwelt hineinverlegt, und damit muß man sich beruhigen.

      Trotzdem hat die Sache eine Art theoretischen Anstrichs. Die Geister sind ausgedehnt, sind Teile des Raumes und besitzen somit eine gemeinsame Einheit, indem sie die Gesamtheit des unendlichen Raumes erfüllen. Dieser Weltraum ist also ein unendlicher Geist, der alle endlichen Geister umschließt und durch sie die Körper bewegt; er ist Gott. Mit dieser Vorstellung erhält die Philosophie Mores ein Gepräge, das sie als eine Vermittlung zwischen Naturwissenschaft und religiösem Glauben erscheinen läßt. Man wird an neuere, spiritistische, ganz ähnliche zugestutzte Theorien erinnert, die ja auch den Beifall einzelner Naturforscher gefunden haben.

      Von diesen Anschauungen Mores aus wurde nun Newton beeinflußt,

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