Revolutionen auf dem Rasen. Jonathan Wilson

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Revolutionen auf dem Rasen - Jonathan Wilson страница 22

Автор:
Серия:
Издательство:
Revolutionen auf dem Rasen - Jonathan Wilson

Скачать книгу

Training an einer Magnettafel versammelte, an der er das nächste Spiel mit ihnen besprach und Probleme aus dem vorangegangenen Match analysierte. Hatte er in Huddersfield die Spieler lediglich ermuntert, selbst Verantwortung für ihr Stellungsspiel auf dem Platz zu übernehmen, so gehörten solche Diskussionen bei Arsenal zu den festen Bestandteilen der wöchentlichen Routine. „Er brach mit alten Traditionen und war der erste Trainer, der Spiele methodisch anging“, erläuterte die Daily Mail.

      Es funktionierte. Arsenal gewann 1931 und 1932 die Meisterschaft in der Liga und verlor das Pokalfinale von 1932 nur durch ein äußerst umstrittenes Tor. Arsenal kam in seinem Spiel, so Glanville, „der Präzision einer Maschine nahe“. Das rasche Umschalten von Verteidigung auf Angriff und die schnörkellose, funktionelle Spielweise spiegelten in gewisser Weise den Art-Déco-Stil der Westtribüne und der Ostfassade des Arsenal-Stadions in Highbury wider. Der Vergleich mit einer „Maschine“ erinnert zudem an die „Wohnmaschine“ – ein moderner Wohnhaustyp – des Architekten und Designers Le Corbusier. In ähnlicher Weise beschrieb der amerikanische Lyriker William Carlos Williams ein Gedicht als „eine Maschine aus Wörtern. … Wie in jeder anderen Maschine gibt es kein Teil, das überflüssig wäre.“ Arsenals Fußball war also ein Kind seiner Zeit, ein Fußball der Moderne, er entsprach, wie es Joy formulierte, dem Stil des „20. Jahrhunderts: auf das Wesentliche beschränkt, begeisternd, spektakulär, ökonomisch und vernichtend.“

      Vielleicht ist das alles gar nicht so überraschend. Schließlich gehörte Chapman zu den ersten Nutznießern des Forster Education Act von 1870, der eine Schulpflicht bis zum Alter von zwölf Jahren einführte. Das Gesetz eröffnete einer beispiellosen Zahl von Männern aus der Arbeiterklasse die Möglichkeit, die durch den Ersten Weltkrieg entstandenen Lücken im leitenden Bereich zu schließen. Diese neuen Manager und Geschäftsführer machten vielleicht nicht alles anders, waren für Innovationen aber sicher offener als ihre der Tradition verhafteten Vorgänger.

      Einige standen Arsenals neuer Spielweise skeptisch gegenüber, vor allem Carruthers, der sich nach der Meisterschaft 1933 wie folgt in der Daily Mail äußerte: „Wenn man daran denkt, dass andere Vereine versuchen könnten, sie nachzuahmen, so fürchte ich, dass sie womöglich ein unglückliches Vorbild abgeben. Es gibt derzeit nur ein Arsenal, und ich kann mir auch kein anderes vorstellen: ganz einfach deshalb, weil kein anderer Klub die Spieler zur Umsetzung dieser Ideen besitzt.“

      Diese Ideen wurden ohnehin nur unzureichend verstanden, wie Roberts’ Berufung durch den englischen Auswahlausschuss für ein Freundschaftsspiel gegen Schottland 1931 zeigte. Er war der erste Mittelläufer im Nationaldress, doch waren die beiden Abwehrspieler Fred Goodall und Ernie Blenkinsop mit dem W-M-System nicht vertraut. Dementsprechend konnte Schottland bei seinem 2:0-Sieg „ein fröhliches Picknick in den offenen Räumen abhalten“, wie sich L.V. Manning im Daily Sketch ausdrückte.

      In Schottland waren die Meinungen ebenso geteilt. Die einen erkannten die Effizienz des moderneren Systems an, andere waren nach wie vor glühende Verehrer des Kurzpassspiels. Dieses erlebte seinen letzten Triumph am 31. März 1928. Eine später als „Wembley Wizards“ oder „Magier von Wembley“ unsterblich gewordene schottische Auswahl verpasste England eine derbe Klatsche. Bei ihrem 5:1-Sieg trafen Alex Jackson dreimal und Alex James zweimal. In seinem Bericht für The Evening News beschrieb Sandy Adamson Jacksons erstes Tor als einen „Slalomlauf, der als klassisches Beispiel seiner Art in die Ewigkeit eingehen dürfte“. Außerdem berichtete er, wie „frohlockende Schotten sich in Katz-und-Maus-Spielchen ergingen. … Der Ball lief von Fußspitze zu Fußspitze. Der verstörte Feind war konsterniert, ratlos und geschlagen. Eine Kombination umfasste elf Pässe, und kein Engländer berührte den Ball, bis [Tim] Dunn den Spielzug mit einem Schuss weit über die Latte beendete.“

      Der Glasgow Herald äußerte sich verhaltener. „Der Erfolg Schottlands“, hieß es im dortigen Bericht, „war vor allem eine erneute Demonstration, dass schottisches Können, schottische Wissenschaft und schottische List den weniger attraktiven und simpleren Methoden des englischen Stils, bei dem man hauptsächlich auf Geschwindigkeit setzt, auch weiterhin überlegen sein werden.“ Doch auch wenn die Außenläufer Jimmy Gibson und Jimmy McMullan und die Innenstürmer Dunn und James auf dem nassen Rasen grandios kombinierten: Im Endeffekt ging es bei diesem Spiel im Rahmen der British Home Championship – einem noch bis 1984 ausgetragenen Traditionswettbewerb – um die berühmte Goldene Ananas. Außerdem war von der angeblich so augenfälligen Überlegenheit des schottischen Stils bei der 0:1-Niederlage Schottlands gegen Nordirland oder dem 2:2- Unentschieden gegen Wales nichts zu sehen gewesen.

      Es ist auch bezeichnend, dass acht Mann aus der schottischen Elf für englische Vereine spielten. Dass sie an das Tempo des englischen Spiels gewöhnt waren, half ihnen ganz offensichtlich. Der Stil war zudem nicht so rückständig, wie manche meinten. Schottlands Mittelläufer Tom Bradshaw hatte eine defensive Ausrichtung und war als Gegenspieler Dixie Deans aufgestellt worden. Auch wenn man nicht mit einem ausgewachsenen W-M-System spielte, war das schottische System doch auch kein klassisches 2-3-5 mehr.

      Auf Vereinsebene setzte sich das W-M-System in Schottland erst nach und nach durch. Der ehemalige Rangers-Spieler George Brown erinnert sich an ein Benefizspiel „etwa um 1930“, bei dem eine Elf aus Spielern der Rangers und von Celtic gegen eine aus Heart of Mid lothian und Hibernian Edinburgh gebildete Elf antrat: „Davie Meiklejohn spielte rechter Verteidiger, ich linker Verteidiger und Jimmy McStay von Celtic Mittelläufer“, sagte er. „Es lief nicht besonders gut für uns, und zur Halbzeit lagen wir mit einem Tor hinten. Also sagte Meiklejohn in der Pause zu McStay: ,Das Zentrum macht uns Schwierigkeiten, weil du zu weit vorne stehst. Wir spielen jetzt mit Jimmy Simpson weiter hinten und entlasten damit die Verteidiger.‘ McStay war mit dem Versuch einverstanden, und am Ende gewannen wir mit einem komfortablen Vorsprung. Von da an spielte er dann das gleiche Spiel bei Celtic.“ Doch genau wie Jack Butler bei Arsenal war auch McStay nicht als Verteidiger groß geworden, und Celtics Durststrecke von neun Jahren ohne Titel konnte erst durch die Verpflichtung des als Vorstopper agierenden Mittelläufers Willie Lyon von Queen’s Park beendet werden.

      Genau das war in gewisser Weise auch das Problem: Es war ganz einfach leichter, einen guten defensiven als einen guten offensiven Mittelläufer zu finden. Der kreative Teil der Chapman’schen Gleichung war noch schwerer zu lösen. Halbstürmer mit dem Format eines Alex James waren rar gesät, während es schwerfällige Vorstopper wie Herbie Roberts wie Sand am Meer gab. „Andere Vereine versuchten, Chapman nachzuahmen“, meinte Jimmy Hogan. „Die hatten aber nicht die Männer dafür, und das Ergebnis war meiner Meinung nach der Untergang des britischen Fußballs: Der Schwerpunkt wurde auf die Defensive gelegt, das Spiel mit den lang gedroschenen Bällen entstand und löste das konstruktive Spiel ab. Durch diese Spielweise verloren unsere Spieler das Gefühl für den Ball.“

      Diese Entwicklung mochte schon vor der Änderung der Abseitsregel ihren Anfang genommen haben, wurde aber durch Chapmans Reaktion auf die Regeländerung noch forciert. Die Folge des Spiels mit drei Verteidigern war, so Glanville, „bereits bestehende Schwächen zu verstärken und zu verschärfen“, weil sie die Denkfaulheit seitens der Trainer und Spieler förderte. Es ist nun einmal weitaus weniger anstrengend, lange Bälle irgendwie nach vorne zu bolzen, als kreativ zu spielen.

      Chapman jedoch blieb ungerührt. „Unser System, das so oft von anderen Vereinen kopiert wird, ist in letzter Zeit zum Gegenstand von Kritik und Diskussionen geworden“, erklärte er Hugo Meisl. „Es gibt nur einen Ball, und nur ein Mann kann ihn zu einem bestimmten Zeitpunkt spielen, während die anderen 21 Spieler zu Zuschauern werden. Man kümmert sich daher nur um die Geschwindigkeit, das Gespür, die Fähigkeiten und die Vorgehensweise des Spielers in Ballbesitz. Im Übrigen sollen die Leute über unser System doch denken, was sie wollen. Es hat sich definitiv als jenes erwiesen, das den individuellen Qualitäten unserer Spieler am besten gerecht wird und uns von Sieg zu Sieg getragen hat. … Warum sollte man ein funktionierendes System ändern?“

      Chapman hat den Übergang von einer Spielergeneration zur nächsten nicht mehr miterlebt. Am 1.

Скачать книгу