Dolmetschen im Medizintourismus. Katia Iacono

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Dolmetschen im Medizintourismus - Katia Iacono Translationswissenschaft

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DolmetscherInnen zur Überbrückung von Sprachbarrieren eingesetzt, stellt sich die Frage, welche Rolle sie in der Kommunikation einnehmen und welche Aufgaben sie übernehmen (dürfen und sollen). Mit dem Rollenverständnis und der Rollenproblematik setzen sich neben der Translationswissenschaft (vgl. dazu Mason 1999, Angelelli 2004 sowie 2008, Allaoui 2005, Hsieh 2008, Hsieh/Kramer 2012, Mason/Ren 2012, Pöllabauer 2015) auch die Psychologie und die Soziologie auseinander. Das Rollenverständnis einer Person ist eng mit der Interpretation der eigenen Arbeit oder Tätigkeit verbunden und basiert häufig auf einer Gegenüberstellung von Selbst- und Fremdwahrnehmungen. Eine Rolle besteht aus jenen Verhaltensweisen und Erwartungen, die in einem bestimmten sozialen Rahmen berücksichtigt werden sollten (vgl. Lee/Llewellyn-Jones 2014: 12). Bei der Rollendiskussion wird in der Dolmetschwissenschaft gelegentlich eine metaphorische Sprache verwendet, um zu beschreiben, was beim Dolmetschen gemacht wird (vgl. Roy 2002: 347); so werden DolmetscherInnen unter anderem als Sprachrohr bezeichnet. Solche metaphorischen Ausdrücke wurden laut Roy vor allem eingeführt, um den kognitiven Prozess – damals Hauptfokus der Dolmetschwissenschaft – zu beschreiben. In Bezug auf DolmetscherInnenrollen haben Metaphern laut Roy zwei Funktionen:

      On the one hand, these descriptions attempt to convey the difficulty of the simultaneous tasks in interpreting while reminding everyone that the interpreter is uninvolved on any other level; at the same time, the same descriptions encourage interpreters to be flexible, which usually means be involved. While descriptions and standards of ethical practice extensively, sometime exhaustively, list what interpreters should not do, they seldom, if ever, explain what interpreters can do, that is, explain what ‘flexible’ means. Consequently, no one really knows where to draw the line on the involvement of the interpreter. (Roy 2002: 347)

      Anfang des 21. Jahrhunderts beobachtete Roy, wie ethische Standards und Normen in erster Linie darauf eingingen, was DolmetscherInnen nicht tun dürfen. Das Gegenteilige – was getan werden darf – ließen sie stattdessen außer Acht. Nachstehend wird versucht, einige der bekanntesten Rollenverständnisse zusammenzufassen, auf die in der dolmetschwissenschaftlichen Rollendiskussion häufig Bezug genommen wird.

      Eines der ersten Rollenmodelle ist jenes von Jalbert (1998). Dieses beinhaltet folgende Rollenverständnisse: translator, cultural informant, culture broker or cultural mediator, advocate und bilingual professional. DolmetscherInnen mit einer Rolle als translator sorgen für einen rein sprachlichen Transfer. Im Fall des cultural informant helfen DolmetscherInnen dem medizinischen Personal, die PatientInnen besser zu verstehen, indem Erläuterungen kultureller Natur angeboten werden. Beim culture broker werden die Erläuterungen aus dem vorigen Rollenverständnis um die Kulturmittlung ergänzt. Hierbei sollen von den DolmetscherInnen für eine gegenseitige Verständigung aller Beteiligten auch soziokulturelle Hintergründe berücksichtigt werden. DolmetscherInnen, die im Sinne des advocate handeln, vertreten die Interessen der PatientInnen. Bilingual professionals sind durch tiefgreifende institutionelle und medizinische Kenntnisse in der Lage, das Gespräch mit den PatientInnen zu führen und die daraus gewonnenen Informationen anschließend an das medizinische Personal zu übermitteln.

      Eine ähnliche Unterteilung findet sich im Rollenmodell von Weiss und Stuker (1999: 258), bei dem vier idealtypische Rollen beschrieben werden: die wortwörtliche Übersetzung, die kulturelle Vermittlung, die PatientInnen-Fürsprache und die Co-Therapie. Bei der wortwörtlichen Übersetzung orientieren sich die DolmetscherInnen am Ausgangstext. Dabei geht es um eine rein sprachliche Übertragung des Gesagten, ohne die kulturelle Dimension zu beachten. Dies impliziert, dass kulturbezogene Begriffe oder Elemente, die nur durch Kulturkenntnisse vollständig zu begreifen sind, von den DolmetscherInnen unberücksichtigt bleiben. Die kulturelle Vermittlung ist hingegen auf das Vermitteln sowie Erklären jener sozialen und kulturellen Aspekte, die die Kommunikation beeinflussen können, ausgerichtet. DolmetscherInnen orientieren sich weniger am Ausgangstext und können durch die eigene Kulturkompetenz problematische Elemente erklären. Die PatientInnen-Fürsprache ist jenes Rollenkonstrukt, bei dem die DolmetscherInnen die Interessen der PatientInnen vertreten. Dabei wird von ihnen mittels einer freien Dolmetschung eine ausgleichende Funktion ausgeübt, welche das Machtgefälle zwischen den Beteiligten reduziert. Beim Rollenkonzept der Co-Therapie werden die DolmetscherInnen als Teil der Therapie angesehen: Die DolmetscherInnen sind für die Therapie mitverantwortlich, nehmen an der Gestaltung des Behandlungskonzepts teil und intervenieren selbstständig im therapeutischen Gespräch.

      Ein weiteres Rollenmodell, auf das häufig Bezug genommen wird, sieht folgende vier Rollen vor: conduit, clarifier, culture broker und advocate (vgl. Niska 2002: 133). Bei der Rolle als conduit wird ähnlich wie bei der wortwörtlichen Übersetzung nur gedolmetscht (Niska 2002: 138). DolmetscherInnen, die als clarifier und culture broker agieren, verlassen das Feld des reinen Dolmetschens: Als clarifier werden Erläuterungen angeboten, als culture broker werden insbesondere soziokulturelle Aspekte erklärt. Als advocate werden ähnlich wie bei der PatientInnen-Fürsprache die Interessen und Rechte der PatientInnen vertreten.

      In ihrer Untersuchung zum medizinischen Dolmetschen befasst sich Angelelli (2004) mit der Rolle der DolmetscherInnen in medizinischen Settings. Ihr Triangulationsansatz ermöglicht die Berücksichtigung der Perspektiven aller an der Interaktion beteiligten Menschen. In Anlehnung an Wadensjö (1998: 8) zeigt Angelelli auf, dass die medizinische Dolmetschung nicht in einem sozialen Vakuum erfolgt: Sie findet in einer Institution – beispielsweise im Krankenhaus – statt, welche bestimmte Ziele verfolgt. Wie alle anderen Beteiligten nehmen DolmetscherInnen nicht nur sprachlich an der Interaktion teil:

      […] interpreters who not only participate linguistically, but who also bring to the interpreted communicative event all the social and cultural factors that allow them to co-construct a definition of reality with other co-participants to the interaction. (Angelelli 2008: 150)

      Je nach Situation können DolmetscherInnen mehrere Rollen einnehmen, die Angelelli mit folgenden Metaphern beschreibt: detectives, multi-purpose bridges, diamond connoisseurs und miners (vgl. Angelelli 2004: 129ff.). Detectives versuchen beim Dolmetschen gezielte situationsrelevante Informationen von den PatientInnen zu erhalten, auch wenn dies bedeutet, häufiger Fragen zu stellen als normalerweise üblich. Als multi-purpose bridges ermöglichen DolmetscherInnen die gleichzeitige Erreichung der Ziele der PatientInnen und der ÄrztInnen. Dabei können sie in dieser Rolle auf kulturspezifische Elemente hinweisen oder diese sogar glätten, damit sie den Zweck der Interaktion nicht gefährden. DolmetscherInnen als diamond connoiseurs sind in der Lage, über den bloßen Schein einer Aussage hinauszugehen und für den Zweck der Interaktion relevante von nicht relevanten Informationen zu unterscheiden. Miners können schließlich den besten Weg finden, um zu den benötigten Informationen zu gelangen, etwa falls PatientInnen sich während der Interaktion wenig kooperativ zeigen.

      Ähnlich sieht das Rollenverständnis von Leanza (2005: 170) aus, das auf der Basis einer deskriptiven und wenig normativen Studie erarbeitet wurde. In der Studie, für die Leanza auf die Triangulation zurückgreift, beschreibt er folgende Rollen, die von den DolmetscherInnen, abhängig von ihrer Handhabung kultureller Unterschiede, eingenommen werden: system agent, community agent, integration agent und linguistic agent. Wird in der Rolle des system agent gedolmetscht, werden Erläuterungen insbesondere für PatientInnen angeboten, damit sie die Normen und soziokulturellen Werte der Zielkultur verstehen können. Community agents verfolgen die Kulturmittlung vorwiegend in Richtung des medizinischen Personals, um kulturelle Unterschiede für dieses sichtbar zu machen. Als integration agents unterstützen DolmetscherInnen die PatientInnen, sich in die Zielgesellschaft zu integrieren. Sie übernehmen außerdem die Funktion des welcoming und des support/follow-up (vgl. Leanza 2005: 186), die außerhalb der dolmetschvermittelten Interaktion zu beobachten ist. DolmetscherInnen, die als linguistic agents handeln, versuchen soweit wie möglich eine unparteiische Rolle einzunehmen. Kulturunterschiede werden nur dann berücksichtigt, wenn diese die Translation betreffen.

      Für

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